Kommentar:Verlierer auf allen Seiten

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Nach dem jahrelangen Tauziehen um ein Bauprojekt an der Kolbergerstraße stehen alle Beteiligten in einem schlechten Licht da: die Nachbarn, der Investor und die Stadtverwaltung

Von Thomas Kronewiter

Man mag gar nicht mehr bauen in diesen Tagen. Geld, viel zu viel Geld kostet es, für den Behörden-Marathon braucht es obendrein Geduld, viel zu viel Geduld. Glaubt man, es sei alles geklärt, kommen allzu oft die neidigen Nachbarn und ihre Anwälte - zumindest da, wo sich Nachbarn Anwälte leisten können. So sind es in der Kolbergerstraße im noblen Herzogpark nicht mehr die Aktivisten der Bürgerinitiative, die sich einst für die Erhaltung einer alten, von Efeu umrankten Villa stark machten, Bündnisse mit Politikern aller Ebenen schmiedeten und den Abriss sogar verzögern konnten. Nein, nach dem per Verwaltungsgericht schließlich durchgesetzten Baurecht des Investors hat sich der Streit auf Fragen des Abstandsflächenrechts und der eventuellen Verschattung von Anlieger-Anwesen verlagert.

Nun ist Baurecht Baurecht, und spätestens nach dem Gerichtsurteil von Juli 2015 kann der Bauherr auf selbiges pochen. Doch die vorgeschriebenen Abstandsflächen hat auch er einzuhalten. Dass diese Problematik nun mit einer Entschädigungszahlung aus der Welt geschafft werden soll, wirft kein gutes Licht auf die Baukultur. Das gilt sowohl für eine Behörde, die Nachbarn nicht vor Übergriffen schützt, als auch für Nachbarn, die mit Hilfe von Meterstab und Rechtsanwalt Kasse machen - aber auch für den Investor, sofern der sich nicht an den planungsrechtlich gebotenen Rahmen hält.

So aber muss beim Beobachter der Abscheu vor den Mechanismen des Immobilienmarktes wieder ein Stückchen zunehmen. Am Ende eines jahrelangen Streits mit allerlei Volten gibt es vor allem Verlierer: Die Denkmalschützer, die wider besseres Wissen und unter massivem politischem Druck ein kaum nachvollziehbares Spiel mit der Denkmalwürdigkeit treiben mussten, haben an Glaubwürdigkeit verloren. Der Investor hat nicht nur viel Zeit und damit Geld verloren, aus Angst vor noch mehr Verzögerungen hat er auch noch Geld gezahlt. Die Käufer oder Mieter der nun doch noch entstehenden Immobilie werden die entstandenen Unkosten am Ende zu tragen haben - selbst wenn es vermutlich keine Armen trifft.

Echte Gewinner gibt es nicht - Gewinn kann aus der Posse allenfalls ein Stadtführer ziehen, der in den kommenden Jahren Gäste durch den Herzogpark führt. Vor dem Neubau an der Kolbergerstraße 5 kann er einen Stopp einplanen: Die Geschichte, die er zu erzählen hat, ist skurril und spannend zugleich. Aber ohne Happy End.

© SZ vom 18.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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