Klinikum Schwabing:Christkind auf Station

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Schwere Verbrennungen und natürlich die Geburt eines kleinen Babys: An Weihnachten will eigentlich niemand im Krankenhaus sein - dabei gibt es auch dort besinnliche Momente. Ein Besuch in der Kinderstation

Von Jasmin Siebert

Ruhig schläft die kleine Julia, den dick eingebundenen Arm in die Luft gereckt. Sie ist an diesem Mittag des 24. Dezember die einzige Patientin im Aufwachraum des Schwabinger Klinikums. Acht Plätze gibt es, normalerweise ist hier viel los. Jetzt muss die Anästhesieschwester erst mal den Drucker aus dem Schlafmodus wecken und hat viel Zeit, sich um ihre einzige Patientin zu kümmern. "Na Prinzessin", sagt sie zu dem acht Monate alten Baby, das aus der Narkose erwacht.

Bei einer Weihnachtsfeier hatte sich Julia mit heißem Wasser verbrüht. Wie die Thermoskanne genau umgefallen war, kann Mutter Steffi Bachmayer im Nachhinein nicht mehr genau sagen. Per Hubschrauber waren sie aus ihrem Heimatort Burghausen in die Schwabinger Kinderklinik geflogen, weil sie dort auf Brandverletzte spezialisiert sind. Vater Albrecht Bachmayer packte gerade Klamotten im Schlafzimmer ein, als er das Helikopterknattern über dem Haus hörte. "Ein krasser Moment war das", erinnert er sich. Jetzt sitzen die Eltern mit ihrem älteren Sohn, dem dreijährigen Florian, in einem menschenleeren Gang und warten, dass Julia von der Operation zurückkommt. Natürlich war die Mutter aufgelöst und hatte sich Vorwürfe gemacht. Doch nun, drei Tage nach dem Unfall, ist sie gefasst und vor allem dankbar: "Wir fühlen uns hier gut aufgehoben."

Am 24. Dezember um 5.27 Uhr geboren: der kleine Valentin. (Foto: Robert Haas)

Teresa Michalczyk hat während der Narkose auf Julias verbrannten Arm und auf ihr Bein eine spezielle Milchsäuremembran geklebt. Sie sieht aus wie etwas dickeres, weißes Papier, "ist aber unfassbar teuer", erklärt die Ärztin. Darunter soll sich die Haut erneuern und bei Julia sieht es ganz danach aus, als würde alles wieder gut verheilen. Vielleicht bleiben ein paar Narben, doch wen stört das schon. "Unser schönstes Weihnachtsgeschenk ist, dass Julia keine Hauttransplantation braucht", sagt die Mutter. Während eine Schwester gemeinsam mit der Mutter das Gitterbett zurück ins Zimmer manövriert, klingelt Vater Albrecht mit einem Glöckchen. "Das Christkind war da!" ruft der dreijährige Florian aufgeregt.

Weihnachten im Krankenhaus, da gibt es Schöneres für Kinder, die Ärzte schicken deshalb alle ihre Patienten nach Hause, bei denen es irgendwie vertretbar ist. Während Familie Bachmayer Geschenke auswickelt, packt zum Beispiel die Zimmernachbarin ihre Klamotten zusammen. Außer der kleinen Julia müssen nur zwei andere Patientinnen auf der Station bleiben. Auch auf der Wachstation im Stockwerk darunter liegen nur zehn junge Patienten. "Das gibt es nur an Heiligabend", sagt Schwester Milka. Und so hat sie Zeit, mit ihren beiden Kolleginnen zusammen zu sitzen. Sie sind sich einig, dass es viel angenehmer sei, an Heiligabend zu arbeiten als an Silvester. Zu Neujahr werden hier viele betrunkene Jugendliche eingeliefert. Zu Weihnachten sind die Stationszimmer nett dekoriert und die Angestellten können gemeinsam essen - an normalen Tagen ist das fast nie möglich. "Alle sind entspannter, freundlicher", sagt eine OP-Schwester, die Quiche für ihre Kollegen mitgebracht hat.

Die acht Monate alte Julia musste mit schweren Verbrennungen in die Klinik gebracht werden, Mutter Steffi Bachmayer steht ihr bei. (Foto: Robert Haas)

In den Patientenzimmern ist die Stimmung dagegen eher gedämpft. "Es ist jetzt nicht so cool", sagt die elfjährige Manon Frenzel, die erst Sonntagmorgen erfahren hat, dass sie nach ihrer Blinddarm-OP noch bleiben muss. Sie darf keine Schokolade essen, ja noch nicht einmal eine Semmel. Ihre Eltern haben entschieden, die Bescherung zu verschieben und so kommt an Heiligabend im Krankenzimmer keine Weihnachtsstimmung auf.

In der Kindernotaufnahme tut derweilen Rainer Wenzel Dienst. Nur 25 Kinder und ihre Eltern empfängt der junge Arzt während seiner 13-Stunden Schicht: ein Kleinkind hat eine geschwollene Zunge und Fieber, ein anderes hat sich den Ellenbogen ausgerenkt und ein drittes beim Geschenkeauspacken mit der Schere geschnitten. Alles Kleinigkeiten, Wenzel kann alle Kinder wieder nach Hause schicken. Es ist ganz anders als an normalen Tagen, an denen 60 bis 120 kleine Patienten in die Notaufnahme kommen, ein bis zwei sogar per Helikopter und immer auch Kinder bleiben müssen. Es macht Wenzel deshalb nichts aus, Heiligabend zu arbeiten. Er hatte sich freiwillig gemeldet, einer muss ja da sein, im Gegensatz zu vielen Kollegen hat er keine Kinder. "Es ist der ruhigste Tag im Jahr", sagt er.

Auch auf der Geburtsstation ist es viel ruhiger als sonst, obwohl sich die Kinder ihr Geburtsdatum ja nicht aussuchen können. Im Hebammenstüberl dudelt "Merry Christmas" aus einem Handy, auf dem Tisch stehen Plätzchen und an der Wandtafel lässt sich ablesen, dass gerade keine Frau Wehen hat. Sechseinhalb Geburten am Tag ist der Durchschnitt im Klinikum, an manchen Tagen können es auch zwölf sein. An diesem Heiligabend kommen nur vier Kinder auf die Welt und bei allen läuft es aus Hebammensicht unkompliziert. Um 5.27 Uhr wurde schon das erste Christkind geboren: der kleine Valentin. Die Eltern Martina Hassler und Javier Roldan nehmen es gelassen, dass sie die Verwandtschaft wieder ausladen mussten. "Das ist unser schönstes Weihnachtsgeschenk", sagt die Mutter strahlend.

Steffi Bachmayer, die Mutter des kleinen Mädchens mit den Verbrennungen, genießt derweil die abendliche Ruhe auf der kinderchirurgischen Station. Die kleine Julia schläft im Gitterbettchen, das inzwischen mit vier selbstgemalten Bildern dekoriert ist. Ihr Mann ist mit dem Sohn nach Hause gefahren, um dort mit den Großeltern zu feiern. Die Mutter liest einen Thriller, der drei Jahre lang auf ihrem Nachttisch gelegen war. "So still wird Weihnachten wohl nicht mehr!", sagt sie und lacht.

© SZ vom 27.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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