Kinder- und Jugendforum:So würden Schüler München gestalten

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Über jeden Antrag wird mit roten, gelben und grünen Karten abgestimmt. (Foto: Robert Haas)

Mehr Bäume, mehr Sportplätze und weniger Müll - wenn Kinder das Sagen hätten, würde die Stadt an einigen Stellen anders aussehen.

Von Camilla Kohrs

Felix steht auf einem kleinen Podest in einem Raum voller Schüler. Erst schaut er etwas unsicher in die Runde, dann tritt er an das Mikrofon und sagt bestimmt: "Es soll Bodenschwellen auf der Straße vor allen Schulen und Kindergärten geben." Die Kinder, die in Stuhlreihen vor ihm sitzen, schauen ihn an. "Ich glaube, du musst erklären, was Bodenwellen sind", sagt die Moderatorin, die neben dem Podest steht. Felix tritt wieder an das Mikrofon und sagt, dass die Autos vor seiner Schule immer zu schnell vorbeifahren. Und wenn man zu schnell über die Bodenwellen fahre, "dann ruckelt es im Auto", sagt er. "Was ist ruckeln?", fragt ein Mädchen aus dem Publikum.

Felix ist ein Antragsteller auf dem Kinder- und Jugendforum. Zweimal im Jahr können Kinder zwischen neun und vierzehn Jahren dort Vertreter von Politik und Verwaltung mit ihren Forderungen und Wünschen konfrontieren. Normalerweise findet das Forum im Rathaus statt, dieses Mal mussten die Veranstalter auf die Stadtbibliothek im Gasteig ausweichen.

Schülerinnen und Schüler aus Neuaubing erklären, warum sie einen neuen Schulhof fordern. (Foto: Robert Haas)

Nachdem Felix alle Fragen aus dem Publikum beantwortet hat, dürfen sich die Experten aus Stadtrat, Bezirksausschuss und Verwaltung zu Wort melden. Ein Bezirksabgeordneter schlägt statt der Bodenwellen eine Spielstraße vor. Eine Schülerin wirft ein, dass die Hindernisse auf dem Boden gefährlich seien können, wenn ein Krankenwagen mit einem verletzten Patienten darüber fahren muss. Gemeinsam mit der Moderatorin einigt man sich darauf, den Antrag von Felix umzuformulieren: Man will nun für die Straße vor seiner Schule eine Lösung finden. Felix ist einverstanden.

Die versammelten Schüler haben am Anfang einen roten, einen gelben und einen grünen Zettel erhalt. Nun müssen sie sich entscheiden. Lehnen sie Felix Vorschlag ab, enthalten sie sich oder finden sie ihn gut? Einige wenige rote Zettel ragen in die Höhe, ein paar gelbe, die meisten sind grün. Felix Vorschlag ist angenommen. Anne Hübner, SPD-Stadträtin, wird ihm als Patin zur Seite gestellt. Sie soll nun mit ihm an seinem Anliegen arbeiten. Gemeinsam unterschreiben sie einen Vertrag an einem Schreibtisch neben dem Podest. Hübner will einen Termin mit dem KVR für eine Ortsbegehung ausmachen. Die Zuständigen sollen sich anschauen, was man konkret an der Stelle machen könne, um den Verkehr zu beruhigen. Drei Monate haben die Paten Zeit, eine Lösung zu erarbeiten. Manchmal geht es schneller, oft dauert es länger, wie ein Blick auf die Projekte des vorigen Forums zeigt. Einige wurden bereits umgesetzt, bei anderen ist noch kein Treffen mit den Paten zustande gekommen.

Vor und nach Felix kommen andere Schüler auf das kleine Podium, meist in Gruppen. Gleich fünf der zehn Anträge drehen sich um das Thema Müll und Umwelt. Gleich die erste Gruppe hält ein Plädoyer für mehr Bäume in der Stadt. Für jeden Baum, der gefällt wird, sollen zwei neue gepflanzt werden. Schüler von der Montessorischule im Olympiapark fordern einen Klimaaktionstag für alle Schulen. Andere Kinder haben sich verkleidet, leere Plastikpackungen auf eine Mülltüte geklebt. Das sieht aus, als würde Müll durch das Meer fließen, erklärt ein Schüler. Eine Gruppe von Schülerinnen hat sogar einen Film gedreht, um auf den Müll im Taxispark aufmerksam zu machen. Klobürste, Sektflasche, Hundekottüten liegen auf den Wiesen und in den Büschen. "Wenn wir so weitermachen, dann besteht ja bald die ganze Welt aus Müll", sagt eines der Mädchen.

Anderen Schülern geht es um Freizeitgestaltung. Sie vermissen Basketball- oder Fußballplätze in ihrer Nähe, brauchen einen Treffpunkt oder gleich einen ganz neuen Schulhof: Walina, 11, Leonie, 12, und Adrien, 13, - alle drei Schüler der Mittelschule an der Wiesentfelser Straße in Neuaubing - sind gemeinsam mit Klassenkameraden zum Forum gekommen, um dafür zu kämpfen. Auf ihren Plakaten ist eine triste Betonfläche zu sehen - der Schulhof. Eine Schaukel gibt es, sagt Adrien. Aber die gehört eigentlich zum Hort, und sie dürfen sie nur sehr selten benutzen. Beim Baureferat ist der Fall bereits bekannt. "Der Pausenhof ist inakzeptabel", sagt Sabine Petri vom Baureferat. Sie will die Patinnen des Projekts nun dabei unterstützen, dass der Hof saniert wird. Mit der Forderung der Schüler aus dem Forum gebe es mehr Handlungsdruck. Außerdem können sich die Experten aus Politik und Verwaltung, von Stadt- und Bezirksebene gleich hier kennenlernen und vernetzen.

Auch abseits der Anträge sei es für die Schüler wichtig, dass sie ernst genommen werden, sagt Marion Schäfer, eine der Organisatorinnen. Sie hofft, dass das nächste Forum wieder im Rathaus stattfinden kann. "Für die Kinder hat das eine starke Symbolkraft." Für Schäfer war die Veranstaltung nicht nur wegen des Ausweichquartiers im Gasteig anders. Sie musste den Schülern auch eine traurige Nachricht überbringen. Ein ehemaliger Teilnehmer ist vergangene Woche gestorben. Ein Lastwagenfahrer übersah nach aktuellen Erkenntnissen beim Rechtsabbiegen den Elfjährigen, der mit seinem Fahrrad auf dem Radweg von der Corneliusbrücke kommend geradeaus über die Kreuzung fahren wollte. Schäfer erzählt den Kindern vom Vorschlag des Jungen und dessen Freunden: Sie ärgerten sich damals über die großen Regenpfützen auf ihrem Bolzplatz, die nicht abfließen. Mittlerweile wird der Platz saniert. Die Freunde schlagen nun vor, den Platz zur Erinnerung nach dem verstorbenen Jungen zu benennen.

© SZ vom 27.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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