Kickboxen:Der Mönch schlägt ein Rad

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„Ich hatte immer die Ruhe im Kopf“, sagte Michael Smolik (r.) – auch in den Phasen also, in denen Enver Sljivar gefährlicher war. (Foto: imago/Stefan Bösl)

Michael Smolik bleibt im Rückkampf gegen Enver Sljivar lange defensiv - dann tritt der Weltmeister entscheidend zu.

Von Benedikt Warmbrunn, München

Kurz bevor er den Ring betrat, ging Michael Smolik zu Boden. Das eine Knie legte er auf den Boden, das andere blieb angewinkelt, darauf stützte er seinen Ellenbogen, den Kopf senkte er. Smolik, der Kickbox-Weltmeister im Superschwergewicht, sah nun aus wie ein Mönch im Gebet. Dann stand, nein, sprang er auf, ein paar kurze, schnelle Schritte, dann hüpfte Smolik über die Ringseile.

Eine unverschämte, fast schon aufreizend lässige Ruhe. Dann eine kurze körperliche Explosion, die all die Kraft dieses Kickboxers zeigte. So lief dann auch Smoliks Kampf am Samstagabend.

Zum zweiten Mal innerhalb von knapp dreieinhalb Monaten traf der 27 Jahre alte Smolik im Circus Krone auf den Schweizer Enver Sljivar; das erste Duell hatte Smolik gewonnen, er, der sonst für seine Knockout-Fähigkeiten gefeiert wird, musste allerdings über die volle Distanz gehen. Dass die Punktrichter ihn als Sieger sahen, kritisierten manche Beobachter, auch Smolik selbst war unzufrieden mit seiner Leistung; zwei Wochen lang zog er sich zurück, wollte allein sein mit seinem Frust. Den Rückkampf nun gewann Smolik, vorzeitig, die Punktrichter mussten kein Urteil sprechen. Und der Weltmeister selbst sagte nach dem Kampf: "Das hat irre viel Spaß gemacht." Ist nun also wieder all die Kritik vergessen?

Die zweite Begegnung der beiden Superschwergewichte war eine emotionale, nicht nur am Kampfabend selbst. Schon auf der Pressekonferenz in der Woche zuvor waren beide sehr aufbrausend gestimmt, beim Wiegen am Freitag standen sie sich irgendwann Stirn an Stirn gegenüber, brüllend wie zwei Berggorillas; der Veranstalter verbreitete all diese kleinen Skandälchen dankbar weiter. Vor dem Kampf selbst setzten diese Diskussionen die beiden Fanlager fort, der Sicherheitsdienst musste einschreiten.

Für all die Aufregung, die in den Tagen, Stunden und Minuten vor dem ersten Gong geherrscht hatte, begann der Kampf selbst verhalten. Die beiden umkreisten sich, dieses Mal allerdings ohne Stirnkontakt. Es zeigte sich jedoch ein Muster, das den gesamten Kampf prägen sollte: Sljivar, 31, war gefährlicher mit den Fäusten, Smolik mit den Füßen. Von diesen unterschiedlichen Stärken profitierte zunächst vor allem der Herausforderer.

In der zweiten und dritten Runde dominierte Sljivar. "Ich habe gut getroffen", sagte er später, und es fand sich niemand, der ihm widersprechen wollte. Mit wilden, unkontrollierten Schwingern attackierte er Smolik immer wieder, und weil das alles so unkonventionell war, fiel es dem Titelverteidiger schwer, all diese Angriffe einzuschätzen. Zum Ende der zweiten Runde probierte Smolik es mit ansatzlosen Faustschlägen, in der dritten Runde konterte er Sljivar ein paar Mal aus, ein erstes Mal traf er mit einem Kick. Der Schweizer begann nun auch mit ein paar Mätzchen, er wollte Smolik provozieren. Doch dieser blieb ruhig. Er schaute, er beobachtete, er wartete auf den richtigen Moment. Dieser kam in der vierten Runde.

Wieder war Sljivar aktiver und aggressiver, aber dann traf Smolik ihn mit einem Drehkick im Bauch. Nach einer kurzen Verzögerung stellte Sljivar sich selbst in die Ringecke, ließ sich vom Ringrichter anzählen. Nachdem dieser mit winkenden Armen das Ende des Kampfes signalisierte, nach 2:22 Minuten in der vierten Runde, schlug Smolik ein Rad durch den Ring. "Ich hatte immer die Ruhe im Kopf", sagte der Weltmeister später. Er habe auf seinen Trainer Mladen Steko gehört und zunächst auf die Drehkicks verzichtet, um ihn damit zu überraschen. Ganz ausführlich dankte Smolik seinem Gegner, vor allem für den ersten Kampf. "Damals habe ich angefangen, auf mich selber zu hören."

Auf den Abbruch folgte Jubel - und es folgten Pfiffe. Sljivar sagte, dass er lediglich "Kraft gesammelt" habe. "Ich war nicht weg. Ich wollte atmen, Luft holen und dann weitermachen." Dann sei aber schon alles vorbei gewesen. Das war zwar keine Kritik an Smolik. Aber eine Kritik war es schon.

© SZ vom 24.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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