Katholische Kirche:Diese zwei Münchner sollen selig gesprochen werden

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Der Journalist Fritz Gerlich (links) war ursprünglich selbst national eingestellt, kämpfte aber später energisch gegen Hitler. Im März 1933 wurde er von der SA verschleppt und später im KZ Dachau ermordet. Keinen Theologen zitiert Papst Franziskus so häufig wie Romano Guardini, der von 1948 bis 1964 an der Ludwig-Maximilians-Universität lehrte. Seine Vorlesungen waren so überfüllt wie seine Gottesdienste. (Foto: Scherl/SZ-Photo, dpa)
  • Kardinal Marx eröffnet mit einem Gottesdienst am Samstag das aufwendige Verfahren für die Seligsprechung von Fritz Gerlich und Romano Guardini.
  • Nach Prüfungen im Erzbistum entscheidet am Ende der Papst. Das kann viele Jahre dauern.
  • Der letzte Münchner, der selig gesprochen wurde, war Pater Rupert Mayer.

Von Wolfgang Görl und Matthias Drobinski

Journalist Fritz Gerlich - Schreibend gegen Hitler

Am Abend des 9. März 1933 stürmen 60 bis 70 SA-Leute die Redaktionsräume der Münchner Wochenzeitschrift Der gerade Weg an der Hofstatt. Die Braunhemden verwüsten das Inventar, vergebens stellt sich Fritz Gerlich, der Herausgeber und Chefredakteur des Blatts, den Angreifern entgegen. Gerlich wird misshandelt und in die Polizeidirektion an der Ettstraße verschleppt, wo sie ihn in eine winzige Zelle stecken. Eines Nachts, berichten Mithäftlinge, holen ihn SS-Männer zum Verhör. Gerlich wird gefoltert. Freunde bemühen sich um seine Freilassung, doch es ist aussichtslos. Die Nazis sind entschlossen, Rache zu nehmen für den publizistischen Kampf, den Gerlich gegen sie führte. 16 Monate bleibt er eingesperrt, dann, in der Nacht zum 1. Juli 1934, bringen sie den Gefangenen ins Konzentrationslager Dachau. Dort wird Fritz Gerlich ermordet.

Gerlich, geboren am 15. Februar 1883 in Stettin und in streng calvinistischer Tradition erzogen, kam 1901 nach München, wo er Philosophie und Geschichte studierte und später als Archivar arbeitete. Zu dieser Zeit stand er politisch weit rechts, er hing der nationalistischen Vaterlandspartei an und wurde zum Mitgründer des radikal national ausgerichteten Wochenblatts Die Wirklichkeit. Er war ein erbitterter Gegner der Revolutionäre vom November 1918, auch nach der blutigen Niederschlagung der Räterepublik agitierte er vehement gegen die politische Linke.

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Die Resl von Konnersreuth soll die Wundmale Jesu getragen, sich nur von Hostien ernährt und Wunder gewirkt haben. Auch unser Autor erlebte eines der Mysterien.

Im Juli 1920 avancierte er zum Chefredakteur der Münchner Neuesten Nachrichten, denen er eine "nationale und antimarxistische Haltung" verpassen wollte. Seinerzeit war Gerlich durchaus im völkisch-nationalen Milieu zu Hause, Hitlers Putschversuch im November 1923 missbilligte er dennoch: Es handele sich, schrieb er, um "eine der größten Verrätereien an der deutschen Geschichte".

Nachdem im August 1927 in den Münchner Neuesten Nachrichten eine Reportage über Therese Neumann, die "Resl von Konnersreuth", erschienen war, reiste Gerlich selbst zu der Frau, welche die Wundmale Christi trug, um "dem Schwindel auf die Spur zu kommen". Zurück kam er als Bekehrter: "Ich habe eine vollkommenere Erfüllung der christlichen Forderungen bisher noch nicht erlebt." Über die "stigmatisierte Therese Neumann von Konnersreuth" schrieb er ein zweibändiges Werk.

Gerlich verließ die Münchner Neuesten Nachrichten, trat in die katholische Kirche ein und verwandelte ein illustriertes Wochenblatt in die kämpferische Zeitschrift Der gerade Weg, deren geistige Basis er in der "Macht des Naturrechts und der Festigkeit der christlichen Grundsätze" sah.

Von dieser Warte aus führte er, mal satirisch, mal polemisch, mal messerscharf analysierend und in jedem Fall unerschrocken seinen Kampf gegen die immer stärker werdenden Nationalsozialisten. Anders als ein Großteil der bürgerlichen Elite machte sich Gerlich keine Illusionen über die tatsächlichen Absichten der Nazis. Vor der Reichstagswahl am 31. Juli 1932 schrieb er: "Nationalsozialismus aber bedeutet: Feindschaft mit den benachbarten Nationen, Gewaltherrschaft im Innern, Bürgerkrieg, Völkerkrieg. Nationalsozialismus heißt: Lüge, Hass, Brudermord und grenzenlose Not." Hitler hatte Gerlich schon im Visier, als dieser noch für die Münchner Neuesten Nachrichten schrieb. In einer Rede im Circus Krone drohte der NS-Führer: "Den Fehdehandschuh, den dieses Blatt uns hingeworfen hat, nehmen wir auf." Als Hitler an die Macht kam, war Fritz Gerlich verloren.

Papst Franziskus verehrt ihn - keinen Theologen zitiert er so oft wie Romano Guardini. Und auch, wenn die Doktorarbeit des Papstes über Guardini unvollendet blieb: Der Philosoph, Prediger und Schriftsteller, persönlich eher schüchtern und zurückhaltend, beeinflusst die Theologie von Papst Franziskus bis heute. "Katholische Weltanschauung" - das hieß für Guardini, sich auf die Welt einzulassen, mit einem Standpunkt, aber offen für Andersdenkende, offen für Neues, wenn auch skeptisch gegenüber jeder Fortschrittseuphorie. Guardini beschrieb die Globalisierung, als das Wort noch nicht erfunden war: "Der Erdraum wird überschaut. Es sind keine Möglichkeiten des Ausweichens mehr, keine Reserven." Das steht, moderner formuliert, auch in des Papstes Umwelt-Enzyklika "Laudato si".

Romano Guardini, geboren 1885 in Verona, kam, kaum ein Jahr alt, nach Mainz, der Vater wurde dort italienischer Konsul. Der Bruch mit den Eltern als junger Mann war hart: Guardini wurde Deutscher, während zwei seiner Brüder im Ersten Weltkrieg für Italien kämpften; Priester wurde er gegen den Wunsch seiner Mutter. Guardini bewegte sich zeitlebens in doppelten, auch zerrissenen Welten, in Gegensätzen, Spannungen, Uneindeutigkeiten. Das brachte ihm Probleme mit seiner Kirche, deshalb aber sind seine Bücher und Aufsätze bis heute eine spannende Lektüre.

Die Freiheit fand Guardini in der katholischen Jugend-Gemeinschaft Quickborn und ihrem Zentrum, der Burg Rothenfels hoch überm Main, wo er von 1927 an Burgleiter war. Junge Katholiken trafen sich dort und diskutierten über Religion, Politik, Philosophie. Vor allem aber feierten sie auf neue Weise Gottesdienst, auf deutsch, nicht mehr lateinisch, Priester und Gläubige bildeten eine Gemeinschaft. Die heute gefeierten katholischen Gottesdienste entstanden hier, Guardini war der Vordenker dieser liturgischen Bewegung.

Mühsamer war die akademische Laufbahn. Nach der Habilitation in Bonn sollte Guardini Professor in Berlin werden, doch an die stramm preußisch-protestantische Universität kam er nur durch einen Trick: Formal wurde er Professor im katholischen Breslau, von dort kam er als "ständiger Gast" nach Berlin. Es war keine glückliche Zeit, die Kollegen ließen ihn ihre Ablehnung spüren. 1939 entzogen ihm die Nazis die Professur und konfiszierten auch die Burg Rothenfels; Guardini zog sich zurück zu seinem Priester-Freund Josef Weiger ins schwäbische Mooshausen.

Nach einem Zwischenspiel in Tübingen kam er 1948 nach München, wo er bis zu seiner Emeritierung 1964 Christliche Weltanschauung und Religionsphilosophie lehrte und in der Universitätskirche St. Ludwig predigte. Ruhelos pendelte er zwischen seiner Wohnung, der Uni, der Kirche, dem Englischen Garten. In München erntete Guardini die Früchte seine Arbeit. Seine Vorlesungen waren so überfüllt wie seine Gottesdienste, die Bücher verkauften sich bestens. Er gehörte zu den Gründern der katholischen Akademie in München und der politischen Akademie in Tutzing; er zeigte, dass Katholizismus, Intellektualität und Weltoffenheit zusammenpassen konnten.

Seine Schwermut aber nahm zu, ein Gesichtsschmerz quälte ihn. Guardini zog sich zurück in den engsten Freundeskreis, lehnte die Mitarbeit beim Zweiten Vatikanischen Konzil ab. Am 1. Oktober 1968 starb Romano Guardini. 1997 wurden seine Gebeine in die Ludwigskirche überführt, in die Kirche, in der er so oft gepredigt hatte.

© SZ vom 15.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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