Markt, Gaukelei und Turnier:Zeitreise in voller Rüstung

Lesezeit: 3 min

Höhepunkt der Ritterspiele: der Tjost, der Zweikampf zu Pferde. (Foto: Christoph Gawron)

Die Ritter sind zurück: Auf Schloss Kaltenberg wird drei Juli-Wochenenden lang gekämpft, gefeiert und gearbeitet wie im Mittelalter.

Von Ralf Tögel

Prächtig sieht er aus, der tapfere Ritter Egmund. Hoch zu Ross auf seinem edlen Schimmel, in güldenem Kettenhemd und mit ebensolchem Helm, den Löwen als Wappentier auf der stolzen Brust, der Reitrock von feinstem rot-blauem Samt. Wie er daherreitet im Garten des Bayerischen Nationalmuseums in München, möchte man sich schon fragen, ob einem der Verstand einen Streich spielt, angesichts dieser Abordnung an Edelmännern aus dem Mittelalter.

Zwei Jahre lang musste das geneigte Volk darben, zwei Mal waren die Ritterspiele zu Kaltenberg wegen der Pandemie abgeblasen. Da kann man schon mal eine Delegation in die Landeshauptstadt schicken, um in einer Pressekonferenz zu verkünden: Die Ritter sind zurück. Nun wird am Schlosshof nahe Geltendorf wieder gekämpft, gelacht, getrunken und gefeiert. Die weltgrößte neuzeitliche Veranstaltung ihrer Art wird von Freitag an mit der Gauklernacht (ohne Turnier) in die 41. Auflage gehen und an den kommenden drei Wochenenden im Juli mit diesem Spektakel wieder Tausende Besucher in ihren Bann ziehen. "Wir haben ein treues Stammpublikum", sagt Ritterspiele-Pressesprecher Markus Wiegand, an einigen Tagen seien lediglich Restkarten für die 10 000 Zuschauer fassende und auf einer Seite überdachte Arena verfügbar.

10 000 Besucher haben Platz in der Arena des Ritterturniers. (Foto: KWiucha/Kaltenberger Ritterturnier)

Der Ort für die offizielle Ankündigung passte jedenfalls wie ein Ritter in seine Rüstung: das Bayerische Nationalmuseum in München. Dort nämlich können sich Interessierte in der Ausstellung "Turnier - Wettkampf und Spiel", die noch bis November läuft, einstimmen und vieles über den gesellschaftlichen Stellenwert solcher Ritterspiele erfahren. Noch 1568 etwa wurde auf dem heutigen Marienplatz anlässlich der Vermählung von Herzog Wilhelm V. und Renata von Lothringen auf dieselbe Weise wie nun in Kaltenberg gefeiert. Wobei derlei Ritterspiele weitaus mehr waren als das aufsehenerregende Lanzenstechen, vielmehr handelte es sich um Feierlichkeiten für das gesamte Volk, mit Ständen und Verköstigung, die sich über mehrere Tage hinzogen. Der sportliche Wettkampf blieb dem Adel vorbehalten, erklärt Raphael Beuing, der Kurator des Nationalmuseums. Es war im Übrigen stets ein Ziel, dass bei diesem Wetteifern niemand zu Schaden kam.

Nicht nur deshalb kommt die Kaltenberger Hommage an diese Zeiten dem Original schon sehr nahe, zumal auf dem weitläufigen Gelände des Schlosses das Mittelalter recht detailgetreu zum Leben erwacht. Etwa auf dem Gehöft, wo der karge und arbeitsreiche Alltag um das Jahr 1250 sehr authentisch nachgelebt wird. Auf dem ganzen Gelände erwarten die Besucher Begegnungen mit Rittern, Landsknechten oder Bürgersleuten; Feuerspucker und Akrobaten zeigen ihre Kunst, an den zahlreichen Markt- und Handwerksständen wird gearbeitet, Schänken laden zum Verweilen ein.

Handwerksleute lassen sich auf dem Markt bei ihrer traditionsreichen Arbeit über die Schulter schauen. (Foto: KWiucha/Kaltenberger Ritterturnier)

Höhepunkt des Events bleibt seit der Premiere 1979 die zweistündige Liveshow in der Arena. Jedes Jahr inszeniert das Kreativteam eine neue Geschichte. Zwar habe man in der Geschäftsführung um Heinrich Prinz von Bayern durchaus überlegt, nach zwei Jahren Pandemie die Veranstaltung abzuspecken. Der Gedanke, so Wiegand, sei schnell verworfen worden, schließlich habe man "ein Qualitätsversprechen" einzuhalten.

Was erneut gelungen sei, zumal es der Ritterturnier Kaltenberg Veranstaltungs-GmbH dank staatlicher Hilfen wie Kurzarbeit, Versicherungen und umsichtigem Wirtschaften gelungen sei, "den gesamten Staff zu halten", wie Wiegand erklärt. Das Ritterturnier ist das Pfund, mit dem der Eventstandort Kaltenberg wuchern kann, um weitere hochkarätige Veranstaltungen zu etablieren, etwa den Weihnachtsmarkt.

Es wird nicht nur gekämpft, Reiterinnen zeigen auch atemberaubende Stunts zu Pferde. (Foto: Bernd Reinthaler/Kaltenberger Ritterturnier)

Das Grundprinzip ist so einfach wie erfolgreich: Der Besucher kann sich eine Auszeit in der Vergangenheit gönnen, der besondere Reiz ist die Interaktion mit den Mitwirkenden: Wo sonst kann man mit Marktleuten feilschen, Hexen, Gaukler und Musikanten auf zahlreichen Bühnen oder mitten im Gelände treffen, einen Rundgang durch ein Barbarenlager wagen oder hautnah miterleben, wie ein Königreich den steten Kampf Gut gegen Böse gewinnt. In Szene gesetzt wird das Stück - diesmal eine Geschichte um die Belagerung Kaltenbergs und den "Feldherrn des Königs" - wieder von Theaterregisseur Alexander May mit mehr als 250 Mitwirkenden. Und natürlich den atemberaubenden Stunts und Spezialeffekten der weltberühmten Kaskadeure der französischen Gruppe Cavalcade und ihren Pferden, erprobt in zahlreichen Hollywood-Produktionen.

Ritterturnier auf Schloss Kaltenberg, Geltendorf, Gauklernacht (ohne Turnier), Fr., 15. Juli, 17-2 Uhr; Abendturniere, Sa., 16., 23. & 30. Juli, 16-0.30 Uhr; Tagesturniere, So., 17., 24. & 31. Juli, 12-20.30 Uhr; Nachtturniere, Fr., 22. & 29. Juli, 17-1.30 Uhr; Telefon 0180/6113311, www.ritterturnier.de

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: