JVA Stadelheim:Häftling prügelt Wachmann krankenhausreif

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Ein im Rollstuhl sitzender Gefangener in der JVA Stadelheim springt plötzlich auf, entreißt einem Justizbeamten den Schlagstock - und schlägt damit auf ihn ein. Kein Einzelfall, die Brutalität im Gefängnis wächst.

Von Susi Wimmer

Der Angriff kam völlig überraschend: Der im Rollstuhl sitzende Häftling stand plötzlich auf, entriss dem Justizbeamten den Schlagstock und prügelte auf ihn ein. Zwei Wochen war der Beamte krankgeschrieben, seit Kurzem macht er wieder Dienst in Stadelheim. "Die Hemmschwelle der Gewalt in den Justizvollzugsanstalten sinkt", sagt Max Fürst, der Leiter der Sicherungsgruppe in der JVA Stadelheim. Etwa 500 Einsätze absolviert die Sicherungsgruppe im Jahr. Tendenz: steigend.

"Man denkt immer, es sind die Mörder, die ausrasten", so Fürst, "aber es kann genau so gut der Eierdieb sein, der in drei Tagen entlassen wird." Fürst kennt sich aus im Knast, er arbeitet seit 1975 hier und steht kurz vor der Pensionierung. Er war dabei, als Mitte der Neunzigerjahre die Idee aufkam, Justizvollzugsbeamte weiterzubilden und im Haus eine spezielle Einheit aufzubauen. Heute sind es zehn Leute, davon immer sechs im Dienst, die vom Aufschluss bis zum Einschluss - von 6.30 bis 18 Uhr - für besondere Einsätze zur Verfügung stehen.

Die Leute von Fürst werden gerufen, wenn der normale JVA-Beamte sich nicht mehr zu helfen weiß: Wenn ein Häftling ausrastet, droht, alle anderen abzustechen oder sich selbst zu verletzen, wenn ein Insasse seine Zelle zerlegt oder auf einen Mithäftling losgeht oder wenn ein Insasse offensichtlich unter Drogen steht. 1500 Häftlinge sind momentan in Stadelheim untergebracht, der Knast ist voll. "Im Winter sind es immer mehr. Die üblichen Kandidaten, Obdachlose, die sich aufpäppeln und versorgen lassen." Und natürlich ist die Sicherungsgruppe für die spezielle Kundschaft zuständig, etwa 170 Insassen an der Zahl: Untersuchungshäftlinge, die eine hohe Strafe zu erwarten haben. Wie etwa Beate Zschäpe, die in Stadelheim auf den NSU-Prozess wartet. "Die muss man speziell schützen. Vor sich. Und vor anderen." Die Häftlinge auf der Sicherheitsliste werden etwa mit Hand- und Fußfesseln versehen, wenn sie zu Gericht gebracht werden, ihre Zellen werden öfter kontrolliert.

Der Mann, der laut Polizei am 18. März einen von Fürsts Leuten attackierte, war in Haft, weil er eine Geldstrafe nicht bezahlen konnte. Nach SZ-Informationen saß er im Rollstuhl. Plötzlich konnte er gehen - und zuschlagen. Der Beamte erlitt Verletzungen am Arm und kam in eine Klinik, der Täter in die Psychiatrie. "Früher reichte es, wenn wir mit unseren grünen Overalls aufgetaucht sind. Dann war Ruhe", berichtet Fürst. Heute schwinde der Respekt.

"Im Endeffekt müssen wir immer auf alles gefasst sein", erzählt ein Mitarbeiter der Sicherungsgruppe. Wenn ein Gefangener randaliert und die Spezialisten gerufen werden, könne man sich darauf einstellen: Schutzkleidung, Kettenhemd und eine spezielle Pistole, aus der ein Pfefferspray-Gel schießt. Scharfe Waffen sind innerhalb der Gefängnismauern nicht erlaubt. Die Routinearbeit aber, wenn ein Gefangener von A nach B geführt wird, das Alltägliche, "das kann zum Verhängnis werden". Vor einem halben Jahr etwa ließ sich ein Gefangener bei der Vorführung fallen und biss einem Mann der Sicherungsgruppe ein Stück Fleisch aus dem Oberschenkel.

Reden, reden, reden - das ist das Credo von Max Fürst. Seine Leute müssen teamfähig sein, "Rambos können wir nicht gebrauchen". Sportlich, wendig, vielseitig und einfühlsam, das ist Fürst wichtig. "Ich gehe angstfrei in die Zelle, setz' mich hin und fang' zu reden an", erzählt er. Und fast alle Randalierer werden ruhig, setzen sich zu ihm und reden.

Mehr Personal, das ist der Wunsch von Fürst. Dann könnte seine Truppe präsenter sein. Dann bekäme man auch die Schmuggelszene im Knast besser unter Kontrolle: Handys, gefährliche Gegenstände wie Messer oder Schlagstöcke - und natürlich den florierenden Drogenhandel.

© SZ vom 06.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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