Jugendfreizeitstätte:Wünsche werden wahr

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Seit 25 Jahren behilft sich die Jugendfreizeitstätte "Awo's Fredl" an der Bodenseestraße mit einem Provisorium - nun endlich kommt der Neubau

Von Ellen Draxel, Westkreuz

Schon der Weg zu der von der Arbeiterwohlfahrt (Awo) getragenen Jugendfreizeitstätte "Awo's Fredl" ist ein Provisorium. Ein schmales Tor an der Straße, von dem eine hundert Meter lange Gasse aus Rasengitter-Steinen nach hinten führt. Dort zunächst offenbart sich eine von Bäumen und Sträuchern umsäumte, bunt bemalte Container-Landschaft. Stünde am Zaun vorn an der Bodenseestra- ße 186 nicht ein kleines Schild mit der Aufschrift "Freizeitstätte", kein Mensch würde hinter dieser Adresse zwischen zwei Autohändlern ein Kinder- und Jugendzentrum vermuten.

Verschönerung: Ein Graffiti vermittelt Urlaubsgefühle. (Foto: Catherina Hess)

Das Fredl ist neben dem Bolzplatz an der Mainaustraße der einzige Treffpunkt für Zehn- bis 21-Jährige in der Siedlung am Westkreuz. Die integrative Einrichtung läuft gut, internationales Publikum besucht jedes Jahr das Freizeitzentrum. Hier treffen sie Gleichaltrige, spielen, kicken und ratschen. Dabei ist das Fredl eigentlich ein Notbehelf, ein mittlerweile 25 Jahre währender Übergangszustand. Denn bereits 1992 hatte der damalige Stadtrat beschlossen, die Freizeitstätte in einem Festbau unterzubringen. Jetzt, ein Vierteljahrhundert später, soll der Neubau endlich kommen. Das Stadtjugendamt hat eine Vorlage erarbeitet; am Donnerstag, 22. Juni, ist Awo's Fredl Thema im Kinder- und Jugendhilfeausschuss.

Ein provisorisches Zuhause: Die Container, obwohl gemütlich eingerichtet und von allen gerne besucht, haben bald ausgedient. (Foto: Catherina Hess)

"2019 geht es vermutlich los, 2021 können wir dann voraussichtlich in das neue Gebäude einziehen, die Zustimmung der Politik vorausgesetzt", sagt Pädagoge Botho Reithmeier. Der frühere Berufsschullehrer gehört seit zwölf Jahren dem Fredl-Team an, er war bei einigen der Planungsworkshops in den vergangenen Monaten dabei. "Wir brauchen dieses neue Haus", betont er. Die Mädchen etwa wünschten sich einen eigenen Raum, momentan haben sie nur eine Terrasse für sich. "Die Container", ergänzt Kollegin Beate Erbar, "heizen sich im Sommer extrem auf, da wird die Arbeit sportlich". Erbar ist Sozialpädagogin, sie hat das Fredl mit aufgebaut. Sie erinnert sich noch, wie ungemütlich es im Winter 1992 war - ohne Heizung, ohne fließendes Wasser, ohne jegliches Mobiliar auf damals gerade mal 30 Quadratmetern in zwei Containern: "Echt spooky." Doch sie schaffte es, der Freizeitstätte Leben einzuhauchen - mit demselben Konzept wie heute: Offenheit, Vertrauen, Toleranz und Respekt den jungen Leuten gegenüber. "Die Kinder, die zu uns kommen, wohnen oft in beengten Verhältnissen, haben viele Geschwister und entstammen bildungsarmen Schichten", erklärt Erbar, "bei uns lernen sie Grundwerte - ,Bitte' und ,Danke' sagen, die Hand geben, in ganzen Sätzen sprechen." Jeder, der Awo's Fredl besucht, spaziert zunächst zu den Betreuern und begrüßt sie freundlich per Handschlag. Der zwölfjährige Pascal ebenso wie der 17-jährige Federico und seine mittlerweile erwachsenen Kumpels. "Dank der Beziehungsarbeit sind wir für die Kids so etwas wie eine zweite Familie", weiß Reithmeier. Ihm und seinem Team vertrauen die Jugendlichen Sorgen an, von denen manchmal selbst die Eltern nichts wissen. Emirhan beispielsweise ist 18 und gefühlt "seit locker zwölf Jahren" hier. Er kommt nach wie vor regelmäßig, obwohl er inzwischen in der Nähe des Goetheplatzes wohnt. "Das Fredl ist unser Mittelpunkt", sagt er und grinst seine Freunde Mirkan, Federico und Shoaib an. Die vier sitzen in der Wohnküche, der gebürtige Afghane Shoaib hat Würstchen heißgemacht und einen griechischen Salat zubereitet. Jetzt essen sie zusammen. Zuhause war niemand - und Shoaib hatte Hunger.

Für Unterhaltung ist gesorgt: Billiardtisch und Spielekonsolen. (Foto: Catherina Hess)

Vier große Räume auf 170 Quadratmetern stehen den Jugendlichen mittlerweile in den Containern von Awo's Fredl zur Verfügung, jeder in einer anderen, knallbunten Farbe gestrichen. In der Spiele-Oase mit Billardtisch und Spielkonsole ist auch Public-Viewing möglich. Der Mehrzweckraum dient zum Basteln, Hausaufgaben machen, Nachhilfe-Lernen. Oder zum Indoor-Tischtennis spielen, wenn man die Tische zusammenschiebt.

Das Herzstück aber ist die Wohnküche; dort wird gemeinsam gegessen und debattiert, dort finden in der Regel die sogenannten Fredl-Runden statt: basisdemokratische Gespräche, bei denen über Ausflugswünsche oder Anschaffungen gesprochen wird. Das Fredl verfügt zudem über eine 1200 Quadratmeter große Grünfläche mit Streetball-Anlage und Tischtennisplatte. Und auch den angrenzenden Sportplatz der Reichenau-Schule können die Jugendlichen mit benutzen.

Angebote zu festgelegten Zeiten gibt es im Fredl nicht, dennoch ist das Potpourri an Aktivitäten breit gefächert. Es reicht von Bastelnachmittagen, an denen Seife hergestellt wird oder Armbänder gebunden werden, bis hin zu Tages- und Wochenausflügen. "Wir gehen gemeinsam ins Kino, Kart fahren, schwimmen, bowlen, in den Airhop-Trampolinpark oder auch mal zehn Tage in den Pfingstferien nach Italien oder Kroatien", sagt Beate Erbar. Vielleicht klappt es dieses Jahr in den Sommerferien ja mit einer Rafting-Tour auf der Isar. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Unterstützung bei der Berufsfindung: Pädagoge Reithmeier hilft bei Bewerbungsschreiben, bei der Suche nach einem Praktikumsplatz und bei der Vorbereitung auf Vorstellungsgespräche.

Sollte der Neubau kommen, dürfte das Fredl künftig jedenfalls deutlich mehr Platz haben. In dem neuen Gebäude ist laut Bedarfsprogramm des Sozialreferates eine Nutzfläche von rund 345 Quadratmetern avisiert, Lagerräume nicht eingerechnet; dazu kämen etwa 1500 Quadratmeter Freifläche. Errichtet werden soll das neue Haus auf dem momentan noch von einem der Autohändler belegten, südlichen Nachbargrundstück direkt an der Bodenseestraße mit Mitteln aus dem "Integrierten Stadtteilentwicklungskonzept" (ISEK). Rund 1,4 Millionen Euro stehen dafür bereit. Bei der Planung von Haus und Freiflächen sollen die Jugendlichen einbezogen werden.

Da Neuaubing und das Westkreuz Sanierungsgebiete sind, ist außerdem die Aufwertung eines nördlich direkt an Awo's Fredl anschließenden Grünzuges vorgesehen. Dort will der Bund Naturschutz einen sogenannten Klimapark namens "Magdalenenpark" schaffen - Klimaphänomene wie Hitze und Kälte sollen dort sichtbar und auch erlebbar gemacht werden.

© SZ vom 20.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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