Großhaderns Judoka Matjaz Trbovc lag geschlagen auf dem Boden, die Gäste aus Leipzig nahmen seinen Gegner Florian Pachel auf die Schultern und warfen ihn euphorisch durch die Luft. Mancher Zuschauer verließ die Halle fluchtartig, Trainer Gerhard Dempf fluchte: "Ein Scheißkampf!" Gleichzeitig Großhaderns letzter in diesem Jahr.
Durch eine 6:8-Niederlage gegen den JC Leipzig im letzten Kampf der Hauptrunde verpasst der TSV Großhadern die Finalrunde in der Judo-Bundesliga. Zum ersten Mal seit sechs Jahren. Das Drehbuch dieses Judo-Tages hatten sich die Münchner eigentlich ganz anders vorgestellt. Und bis 20 Sekunden vor Schluss sah es sogar so aus, als würde eine hollywoodreife Dramaturgie dem TSV wieder mal ein Happy End bescheren. Doch dann leistete sich der slowenische Topkämpfer Trbovc eine Unaufmerksamkeit und ließ sich vom deutschen Talent Pachel überraschend per Schenkelwurf auf den Rücken befördern. "Ich möchte das nicht am letzten Kampf festmachen", nahm Dempf seinen Schützling Trbovc, sonst ein zuverlässiger Punktesammler, in Schutz. Ein Zähler fehlte, denn ein Remis hätte Großhadern zum Playoff-Einzug gereicht. Ein Punkt, den Trbovc hätte holen müssen, ja, meinte Dempf, um einzuschränken: "Wir haben vorher zu viele Punkte liegen lassen."
Wieder einmal wirkte der TSV in der ersten Runde zu emotionslos, beinahe schläfrig. "Wir hatten in dieser Saison öfters Startschwierigkeiten", erklärte Dempf. In drei von vier Wettkämpfen lief Großhadern einem Rückstand hinterher, wie zuletzt in Abensberg, wo es immerhin noch zum Remis reichte. Diesmal eben nicht. Manches Vereinsmitglied sprach später sogar von mangelndem Einsatz. Die ersten zwei Kämpfe von Marcel Bizon (-66 kg) und Julian Kolein (-73 kg) gingen mit überraschend wenig Gegenwehr verloren. Top-Judoka Marcus Nyman und Trbovc hielten den TSV überhaupt im Rennen. Als sich Großhadern dann in der zweiten Runde engagiert zurückkämpfte und auch emotional endlich überzeugte, unterlief ausgerechnet Trbovc der entscheidende Fehler.
"Vieles lief in diesem Jahr anders als gedacht", resümierte Dempf. Großhaderns junge Athleten wie Maximilian Heyder (-60 kg), Timo Cavelius (-81 kg) oder Tim Güther (-90 kg) taten sich gerade in der Favoritenrolle oft schwer und verloren die Nerven. Auch die Zugänge brauchten zu viel Anlaufzeit: Bizon gewann nur einen von fünf Kämpfen für sein neues Team, Johannes Frey steckte anfangs noch im Abi-Stress, zeigte aber später, was von ihm künftig zu erwarten ist. Gegen Leipzig gehörte er mit zwei Siegen zu den Lichtblicken. Und auch die Trainersituation war in diesem Jahr verworren: Ralf Matusche, sonst vorderster Mann in Großhadern, wollte sich aufgrund seines Posten als Stützpunkttrainer mehr zurücknehmen, Dempf und Ex-Kämpfer Tobias Englmaier sprangen wahlweise ein. Mal fehlte der eine, mal der andere. So stand am Samstagabend Dempf alleine neben seinen Kämpfern und spendete, so gut es ging, Trost.
Überhaupt hatte man in dieser Saison manchmal den Eindruck, als wäre das Unterfangen Bundesliga für den Klub eine unliebsame Zusatzbelastung, wo es in den Vorjahren doch immer ums Prestige ging. Die Rivalität mit dem zurückgekehrten Dauermeister TSV Abensberg wurde heruntergespielt, für die Duelle in der Hauptrunde investierte man gerade genug, um im Rennen um die Playoffs zu bleiben. Vergessen sind die Jahre, in denen Großhadern nach dem Meistertitel lechzte und wöchentlich neue Kampfansagen machte.
Matusche, der die Liga schon länger ambivalent sieht, kritisierte die für das kommende Jahr beschlossene Aufstockung der Liga von zwölf auf 18 Teams sehr offen. "Wir muten den Athleten zu viel zu", sagte Matusche immer wieder - und wurde bestätigt: Der Olympia-Fünfte Karl-Richard Frey verletzte sich vor einer Woche beim Kampf in Abensberg am Innenband und muss deshalb nun die Weltmeisterschaft im August absagen. Nur ein Beispiel. In Großhadern haben sie nun jedenfalls viel Zeit, darüber nachzudenken, welche Rolle sie künftig in der Liga spielen wollen.