Jubiläumsparty des TSV 1860:Perfekte Feierstrategie

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Der TSV 1860 München wird 150 Jahre alt, der Verein feiert. Aber warum ausgerechnet in einer Shopping-Mall?

Bernd Kastner

Es sind Zeiten der Krise, in denen sich große Fragen aufdrängen. Wie passt das alles zusammen? - das ist so eine Frage, und draußen, am Ostrand der Stadt, gibt es viele Antworten an diesem Wochenende. Am Ende ist klar, dass die Welt, ja, das Leben ein großes Puzzle ist, in dem sich alles fügt.

Löwen-Profi Torben Hoffmann, der gerade seine Laufbahn beendet hat, kam mit seinen Töchtern zur Autogrammstunde aufs Fanfest. (Foto: Foto: Haas)

In den Messehallen ist Kirchentag, und nebenan, in den Riem-Arcaden, sind die Sechzger, auch so eine Glaubensrichtung. Hier wie dort wärmen sich die Menschen mit Schals. Dort verkaufen sie im ÖKT-Shop dreieckige Brotzeitbretter namens "Dreifaltigkeit", hier im Fan-Shop Biergläser mit Goldrand. Drüben ist die Hoffnung eingezogen, die Löwen bieten blau-weiße Trikots mit der Nummer 9 und der Nummer 1 an. Auf ihnen steht Radi und Völler

Gerade erklärt der Fan-Beauftragte der Löwen, dass er sich um die zu kümmern hat, die nicht nur frohe Lieder singen, da begrüßt ihn plötzlich ein kleinerer Herr, bekannt aus Funk und Fernsehen. Claus Fussek lacht. Er hat im Beruf mit Alten und Kranken zu tun und auch in der Freizeit, was seine Sechzger-Kappe und der Kapuzenpulli verraten.

Der Pflegeexperte und Dauerkartenbesitzer sagt: "Der Verein ist pflegebedürftig." Nebenan singen Musikanten auf der Showbühne, es ist nass und zugig, im Durchgang werben die Freunde des Grünwalder Stadions für die Rückkehr. Später werden die Profis Autogramme schreiben, und noch später die roten Nachbarn in Berlin den Pokal gewinnen.

Der TSV 1860 feiert. Es ist sein Geburtstagswochenende, 150 Jahre, so alt ist kein FC Bayern. Aber warum, bitte, steigt das Fanfest mit Funpark und Freibier Lichtjahre von Giesings Höhen entfernt, in einem Haus des Konsums? Ist der TSV etwa schon an den Rand der Stadt gedrängt? "Man muss sehr genau differenzieren", sagt Manfred Stoffers, der Vereinsmanager. Er verzieht sich in die Wärme der Mall, betont, dass der TSV kein Fußballclub sei, sondern ein Turn- und Sportverein mit 22000 Mitgliedern, und erzählt, im Strom der Samstagskunden stehend, dass die Riem Arcaden dem Verein dieses Fest geschenkt hätten.

"Fußball und Glaube lassen sich gut verbinden"

"Wir sind sehr glücklich, dass wir diese Situation hier haben", spricht Stoffers. "Sehr dankbar" sei man ob des Geschenks, weil man ja zu den Armen zähle. Ideal sei der Fest-Ort, verkehrstechnisch und familienstrategisch perfekt: Die Frauen, die sonst immer nur mitgeschleift würden zum Fußball, könnten hier ihre Männer bei den Löwen abliefern und selbst dann shoppen gehen. Wieder fügt sich ein Teil ins andere.

Im Keller der Arcaden stehen Vitrinen, in Nummer 5, platziert zwischen Bettwäsche und Brillenladen, wird der Meisterschaft von 1966 gedacht. Hier bleiben sie stehen, die Männer, machen Fotos mit dem Handy vom Radi in schwarz-weiß. Präsentiert wird auch ein Sammelheft, heute besser bekannt als Panini-Klebe-Album, Saison 1965/66. Da spricht ein Vater zum Sohn: Schau, ab Saison sechsundsechzig/siebenundsechzig haben wir's auch. Bis ins Jahr 2000 haben es die beiden fortgeführt, der Papa hat dem Bub seine Löwen-Liebe vererbt.

Karl-Heinz Exner, 48, und Christian, 20, kommen aus dem Odenwald. Dort, sagt er, existiere der größte Löwen-Fanclub außerhalb Bayerns, der Papa ist aktiv, steht zu dem Verein "auch in schweren Zeiten". Dabei ist er gar nicht wegen des Löwen-Geburtstages hier, sondern wegen des Ökumenischen Kirchentags. Daheim ist er ja auch bei Kolping aktiv, jetzt trägt er keinen weiß-blauen, sondern einen orangefarbenen Schal und findet: "Fußball und Glaube lassen sich gut verbinden."

© SZ vom 17.5.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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