Interview:Mitfühlen, nicht mitleiden

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Seit sechs Jahren ist Angela Zacher bei der Stiftung Ambulantes Kinderhospiz München als Ehrenamtliche tätig. (Foto: privat)

Angela Zacher arbeitet als Ehrenamtliche bei der Stiftung Ambulantes Kinderhospiz München

Interview von Günther Knoll, München

Angela Zacher ist bei der Stiftung Ambulantes Kinderhospiz München tätig. Diese begleitet seit zehn Jahren Familien mit schwerst- oder unheilbar kranken Kindern.

SZ: Was war der Auslöser für Ihr Engagement in der Hospizbewegung?

Angela Zacher: Das war vor sechs Jahren. Ich befand mich damals gerade in einer Phase der beruflichen Umorientierung und bin dann eigentlich per Zufall auf das Thema Kinderhospiz gestoßen. Ein Bild in einer Tageszeitung mit den Abdrücken von Kinderhänden hat mich darauf gebracht. In dem Bericht stand, dass das Münchner Kinderhospiz Helfer sucht.

Welche Aufgaben haben Hospizhelfer?

Bei uns können Ehrenamtliche in der Krisenintervention, der Familienbegleitung und der Trauerbegleitung tätig werden. Die Krisenintervention ist da, wenn ein schwerer Unfall passiert oder die betreffende Diagnose gestellt wird, da ist die Stiftung mit den Münchner Krankenhäusern gut vernetzt. Bei "Ruf 24" arbeiten neben Hauptamtlichen auch erfahrene Ehrenamtliche. Wenn man eine Familie begleitet, sollte man einmal wöchentlich etwa fünf Stunden Zeit haben. Es geht darum, die Eltern zu entlasten, entweder indem man mit dem kranken Kind etwas unternimmt oder auch mit den Geschwistern. Und schließlich bieten wir noch die Trauerbegleitung an, die vor allem im ersten Jahr wichtig ist: das erste Osterfest ohne das geliebte Kind, dessen Geburtstag.

Welche Voraussetzungen sollte man als Hospizhelfer mitbringen?

Das wichtigste ist, dass man mit dem Thema Tod umzugehen lernt und sich seiner eigenen Sterblichkeit bewusst wird. Das ist ein wichtiger Aspekt der Ausbildung. Man muss auch gut zwischen Mitleiden und Mitfühlen unterscheiden können.

Wie sieht die Ausbildung aus?

Die Ausbildung zum Familienhelfer dauert bei uns mindestens ein Jahr, dazu kommt dann noch einmal eine eigene Ausbildung für den Einsatz als Trauerbegleiter. Ganz zu Beginn steht ein ausführliches Vorstellungsgespräch, in dem es darum geht, die Eignung festzustellen, denn die Ausbildung ist teuer und wird zum großen Teil von der Stiftung bezahlt.

In der Kinderhospizarbeit gibt es sicher besonders schmerzvolle Momente. Wie gehen Sie damit um und welche Unterstützung erhalten Sie?

Die Liebe zu einem Menschen, der stirbt, ist ja eigentlich nicht von dessen Alter abhängig. Aber der Tod eines Kindes stellt die natürliche Ordnung gewissermaßen auf den Kopf. Da ist es wichtig, sich bewusst zu machen, dass wir nicht die Kontrolle über das Leben haben. Wir müssen die Situation so annehmen, wie sie ist. Zu sagen: "Das ist ungerecht oder falsch", führt nur zur Suche nach der Schuld oder dem Warum. Aber man muss natürlich auch Gefühle zulassen - Trauer und auch Wut. Für die Aufarbeitung ist die Supervision, die mindestens einmal im Monat stattfindet, sehr wichtig; dazu gehört auch der Austausch unter Familienbegleitern.

Wie kann man sich das Verhältnis zwischen Hospizhelfer und Patient beziehungsweise dessen Familie vorstellen?

Das ist individuell unterschiedlich und hat viel mit dem Alter der Helfer zu tun. Für Ältere ist es typischer, dass sie mal in die Rolle von Oma oder Opa schlüpfen. Und es ist ganz natürlich, dass Bindungen wachsen. Oft wenden sich Freunde und Bekannte von der Familie ab, weil sie mit dem Thema Krankheit und Tod nicht umgehen können. Die Familie ist dankbar, dass jemand freiwillig kommt, der für sie da ist.

Gibt es bei Ihrer Arbeit auch schöne Momente?

Schön ist ja schon, dass ich dabei immer wieder neue Menschen kennenlernen darf. Besonders eindrucksvoll war für mich zuletzt eine Heißluftballonfahrt mit einem Paar, das ich lange bei seiner Trauer begleitet habe. Da lernt man alles aus einer anderen Perspektive kennen.

Denken Sie mit den Hospiz-Erfahrungen jetzt anders über den eigenen Tod?

Ich denke, dass Erlebnisse und auch der eigene Glaube dabei helfen können, dem Thema Tod offen zu begegnen. Aber 30 Prozent unserer Familien haben einen Migrationshintergrund. Da muss man feinfühlig sein und nicht seine eigenen Vorstellungen weiterzugeben versuchen.

© SZ vom 23.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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