Horst Seehofer:Erstaunliche Wende

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Milde Töne vom einstigen Scharfmacher in der Flüchtlingspolitik - fast schon irritierend

"So mild wie Merkel" vom 28./29. September:

Es ist schon bemerkenswert: Horst Seehofer ist in der Tat nicht wiederzuerkennen. Er schlägt einen Ton und - man staune, das kannten wir noch nicht - Inhalte an, auf die er noch vor einem Jahr mit tiefster Verachtung und höchst alarmiert reagiert hätte. Ob man ihm glauben kann, dass er eine solche 180-Grad-Wende tatsächlich innerlich vollzogen hat, muss er allerdings noch unter Beweis stellen. Ein sehr gutes Zeichen ist allerdings, dass viele CSU-Mitglieder sich mehr als schwer tun, ihm hier offiziell zuzustimmen.

Sowohl die völlig unüblich diffusen Äußerungen von Dobrindt, die genauso ungewohnt extrem knappe Reaktion von Söder und der Nicht-Kommentar von Joachim Herrmann zeigen deutlich, wie weit sie von einer Unterstützung entfernt und damit dem bisherigen Auftreten dieser Partei verhaftet sind - der Widerspruch oder deren offizielle Zurückhaltung könnte ein Indiz dafür sein, dass sich Seehofer völlig unerwartet auf richtigem Kurs befinden könnte. Ob nur als Imagepflege für ihn selbst, wie im Artikel geschrieben, steht wie gesagt noch in den Sternen.

"Alte" und vielleicht trotzdem noch aktuelle CSU sind allerdings die zitierten Äußerungen derjenigen CSU-Mitglieder, die "noch mehr Tempo, wolle man den Grünen die Themen entwinden", fordern. Das ist der seit langem wiedererkennbare Markenkern: Es geht diesen Parteigängern nicht um inhaltliche Positionen, politische Haltung und entsprechende Taten, es geht darum, Themen zu besetzen, und seien sie der CSU noch so wesensfremd, um Stimmen zu fangen und anderen abzujagen, eben "zu entwinden". So kannten wir bisher die CSU und ihre Führung - und die (Nicht-)Reaktionen von Dobrindt, Söder, Herrmann und Kreuzer zeigen, dass das offenbar im Grunde bei den meisten CSUlern immer noch so ist. Es wäre mehr als positiv zu vermerken, sollte der frühere Vorreiter dieser Wetterwendigkeit, Seehofer, plötzlich mutiert sein und um inhaltliche Positionen kämpfen. Friedrich-Karl Bruhns, München

© SZ vom 02.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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