Hörenswert:Erfreuliche Ausschussware

Lesezeit: 2 min

Filmmusik, die es nicht auf die Leinwand schaffte

Von Ralf Dombrowski

Beide sind Netzwerker. Für den Gitarristen Gerd Baumann ging es richtig los, als er sich mit dem Regisseur Marcus H. Rosenmüller zusammentat und ihm die Soundtracks für dessen Filme einschließlich des preisgekrönten "Wer früher stirbt, ist länger tot" schrieb. Seitdem gilt Baumann als Konstante nicht nur der deutschen Cineastik, sondern auch des anspruchsvollen Pop-Crossovers mit Bands wie Dreiviertelblut oder Parade. Münchner Studierende kennen ihn als Professor für Filmmusik, Clubgänger als Mitbetreiber der Milla und deren angegliederten Labels.

Gregor Hübner wiederum hat sich im Laufe der vergangenen zwei Jahrzehnte sowohl in New York als auch in München eingerichtet, als Jazz-Geiger und Komponist ebenso wie als Teil von zeitgenössischen Formationen wie etwa dem Sirius Quartet. Auch ihn kennen Studierende inzwischen als Professor der Münchner Hochschule, wo er neben der musikalischen Gestaltung im Allgemeinen vor allem die Jazz-Feinheiten seines Instruments unterrichtet. "Zum ersten Mal hat uns ein Projekt zusammengebracht, das Claus Reichstaller 2009 mit Dieter Dorn am Residenztheater verwirklicht hatte", erinnert sich Hübner an den Moment, als sich die musikalischen Lebenswege kreuzten. "Damals war eigentlich Gunnar Geisse der Gitarrist, aber Gerd Baumann ist für ihn eingesprungen. Wir haben uns prächtig verstanden, und kurz darauf hat er mich bereits eingeladen, bei einem Filmprojekt mitzuwirken, für 'Die Hebamme' beim ZDF. War ziemlich erfolgreich, hat sogar einen Grimme-Preis bekommen."

Die Kombination bewährte sich, denn Baumann brachte Erfahrungen aus Pop, Songwriting und Entertainment ins Spiel, Hübner sein Gespür für Improvisation und die Hintergründe des klassisch kompositorischen Handwerks. Sie vertonten zahlreiche Filme im Team, und der kreative Überschwang führte dazu, dass immer wieder auch Stücke entstanden, die dann gar nicht für die Leinwand gebraucht wurden. Dieser kompositorische Stehsatz erwies sich als eigenständig genug. Sie beschlossen, daraus ein Duo-Projekt zu machen, das sich ohne Hast, dafür mit Spaß der Fundstücke widmet: "Das Ganze ist schon eine echte Produktion, wir haben bis auf ein paar Details alles selbst eingespielt", sagt Hübner, dennoch sei das Album ein Studioprojekt, wie es dann live gemacht werden soll, sei noch nicht geklärt. Vielleicht mit einem DJ. Eine Möglichkeit der Konzert-Premiere ist Hübners "Progressive Chambers Music Festival", das im Herbst erst in New York, dann im November auch in der Münchner Milla stattfinden wird.

Bis dahin kann man das Debüt "Pelikula" auf Vinyl (mit CD) oder digital erleben. Es sind zwölf Instrumentalstücke, die sich wenig um Stilvorgaben kümmern. Die Musik reicht von dezentem Clubbing und atmosphärisch melodiösem Erzählen bis zu Liedern im akustischen Folkton und improvisierend laufenden Passagen, ohne den Bombast mancher Soundtrack-Kollegen, dafür mit viel Sorgfalt auf Dramaturgie und gestalterische Stimmigkeit. Baumann und Hübner haben keine Eile. Sie lassen fließen.

Gerd Baumann & Gregor Hübner: Pelikula (Millaphon Records / Broken Silence)

© SZ vom 01.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: