Historie:Dunkle Kapitel

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Der Priester Giovanni Melchiorre Bosco, meist nur Don Bosco genannt, starb 1888 in Turin. (Foto: Carlo Felice Deasti/OH)

Die Geschichte der Salesianer in München beginnt mit guten Absichten in einer zugigen Baracke. Doch nicht immer geht es fürsorglich zu, es gibt auch Zeiten der Strenge und Gewalt

Von Manuel Kronenberg

Mehr als 7000 Menschen strömen am 1. April 1934 zur Jesuitenkirche St. Michael in der Altstadt. So viele, dass das Gotteshaus nicht alle fassen kann. Die Salesianer haben einen Festgottesdienst mit Kardinal Michael Faulhaber organisiert - zum Anlass der Heiligsprechung des Priesters und Ordensgründers Don Johannes Bosco. Der Andrang zeigt, wie sehr die Münchner die Ordensleute schätzen. Die Geschichte der Salesianer in München ist eine Geschichte von Glaube und Begegnung, es gibt aber auch dunkle Kapitel in der hundertjährigen Chronik des Ordens.

München im Frühjahr 1919, der Beginn der Zwischenkriegszeit: Die Spaltung der revolutionären Bewegung, die Ermordung des ersten bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner, die blutigen Auseinandersetzungen zwischen Linken und Rechten, die Ausrufung der Räterepublik und deren Zerschlagung - all das löst Unsicherheit und Elend aus. Viele Väter sind nicht aus dem Krieg zurückgekehrt. Und auch die Jugend trifft es hart, es gibt kaum Arbeit, etliche Menschen sind obdachlos. In dieser schweren Zeit kommen die ersten Salesianer nach München.

Bereits drei Jahre zuvor wurde in Würzburg die erste Niederlassung des Ordens in Deutschland gegründet. Von dort aus wird Pater Max Maier nach Giesing geschickt. Er übernimmt die Leitung einer Baracke, die die Stadt für junge Menschen errichtet hat. Das Leben in der zugigen Unterkunft ist miserabel, doch er lässt sich nicht entmutigen und arbeitet gemeinsam mit Pater Karl Rohr daran, die Lage zu verbessern. So erwirbt Maier ein Jahr später das Gebäude der ehemaligen Kreisirrenanstalt in Haidhausen. In den Folgejahren bauen die Salesianer die Unterkunft trotz aller Widrigkeiten zu einem Heim mit Ausbildungsstätte für bald 250 Lehrlinge aus.

Doch es dauert nicht lange, da beginnt mit der Zeit des Nationalsozialismus erneut ein dunkles Kapitel. Um das Lehrlingswohnheim nicht zu verlieren, fügen sich die Ordensmitglieder den neuen Machthabern. Sie lassen unangekündigte Kontrollen über sich ergehen. Im Salesianum wird sogar eine Untereinheit der Hitlerjugend gegründet. Das Grauen erreicht seinen Höhepunkt, als im April 1944 Bomben auf das Gelände fallen.

Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist die schwierige Zeit längst nicht vorbei. Die Kirche und das Salesianum liegen in Trümmern. Viele Ordensmitglieder und Angestellte sind gerade erst von der Front zurückgekehrt. Sie sind traumatisiert und müssen sich nun um die Jugendlichen kümmern. Strenge und Gewalt treten nun an die Stelle der Ideale Don Boscos. "Wir dürfen heute nicht zum Richter werden", sagt Pfarramtsleiter Alfons Friedrich über diese Zeit. "Aber wir müssen doch ganz deutlich sagen, dass diese Heimpädagogik oft eher zum Ziel hatte, das Kind zu brechen, als es zu einer Persönlichkeit zu erziehen." Die autoritäre, damals im ganzen Land verbreitete Methode der Heimerziehung wird später, ausgehend von der 68er-Bewegung, massiv kritisiert. Mit den gesellschaftlichen Umbrüchen dieser Zeit fallen die Salesianer in eine Identitätskrise, auf die sie eine Antwort finden müssen.

Die Baukräne, die in den Siebzigern auf dem Gelände Einzug halten, markieren einen Neubeginn. Die Lehrwerkstätten werden aufgelöst, Sportplätze und ein Schwimmbad gebaut, die großen Schlafsäle weichen Zwei- und Dreibettzimmern. Die bauliche Modernisierung geht einher mit einem Wandel in der Erziehung. Die Ordensmitglieder müssen von nun an eine pädagogische Ausbildung durchlaufen, außerdem kommen mehr Fachkräfte hinzu, die keine Ordensmitglieder sind. Die Erziehung entspricht immer mehr dem Pädagogiksystem, das Don Bosco einst ins Leben rief, und das er mit den heute so bekannten Worten beschrieb: "Fröhlich sein, Gutes tun und die Spatzen pfeifen lassen."

In den folgenden Jahrzehnten stellen sich die Salesianer wiederholt den Herausforderungen, die die Zeit ihnen zuträgt. Nach der Wende nehmen sie in großer Zahl Jugendliche aus Ostdeutschland auf und richten sich auf deren Bedürfnisse ein. Ähnlich ist es mit den vielen Geflüchteten, die seit 2009 im Salesianum Unterstützung bekommen. So entwickelt sich der Campus Don Bosco in Haidhausen immer mehr zu dem, was er heute ist: ein offenes Gelände, auf dem nicht nur die Ordensgemeinschaft, sondern auch viele andere Träger, einen Ort der Begegnung für Kinder und Jugendliche schaffen.

Am kommenden Freitag sowie am Sonntag findet das Münchner Don Bosco Fest 2019 statt. Es beginnt am Freitag um 17.30 Uhr mit einer Vesper in St. Wolfgang. Von 18.30 Uhr an gibt es einen Festabend im Veranstaltungssaal des Salesianums. Am Sonntag findet unter anderem um 15.30 Uhr ein Kindermusical statt.

© SZ vom 31.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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