Haus seit 30 Jahren ohne Bewohner:Nur die Geyerwally hält durch

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Seit mehr als 30 Jahren steht ein Haus im Glockenbachviertel fast leer. Die Besitzergemeinschaft will bauen, nicht verkaufen, aber nicht so, wie es die Stadt will. Der schlechte Zustand des Gebäudes schützt die Eigentümer indirekt vor Zwangsmaßnahmen.

Sebastian Krass

Manchmal ist es vielleicht ganz gut, dass dieses Haus nur noch im Erdgeschoss lebt. Denn dort, in der Kneipe Geyerwally, geht es mitunter recht launig zu. Und wenn es launig wird, dann wird es auch mal spät in der Geyerwally, so spät, dass es eigentlich schon wieder früh ist. Da könnte es durchaus mal Ärger geben, wenn im ersten Stock noch jemand wohnen würde oder im zweiten oder irgendwo im Haus. Aber da ist ja nichts.

Bis auf die Kneipe 'Geyerwally' steht das Haus in der Geyerstr. 17 seit Jahren leer. (Foto: Alessandra Schellnegger)

In der Geyerstraße 17 lebt seit 30 Jahren niemand mehr, vielleicht sind es auch 31 oder 32 Jahre. So genau weiß das keiner mehr. Es ist ein rechter Jammer, was aus diesem Haus geworden ist. Der Putz ist grau, die Fenster blind vor Dreck, die Farbe an den Rahmen blättert vor sich hin. Nur, wie kann das sein? Hier, in den Ausläufern des Glockenbachviertels, wo Wohnraum so knapp und begehrt ist wie an wenigen anderen Stellen in München und wohl auch in Deutschland.

So richtig erklären kann sich das niemand von den Menschen, die hier leben, die teils schon seit Jahrzehnten dem Haus beim Verfallen zuschauen. Irgendwas sei komisch mit den Besitzern, ist immer wieder zu hören. Die wollten das Haus nicht sanieren oder neu bauen, aber verkaufen wollten sie auch nicht. Dabei kämen ständig Immobilienmenschen vorbei und fragten, wem Haus und Grundstück gehören. Millionensummen sollen dafür schon geboten worden sein. Der Besitzer sei sauer auf die Stadt, weil ihm irgendwann vor Jahren einmal ein Tiefgaragenbau verweigert worden sei, deshalb lasse er das aus Trotz verfallen.

Also das mit der Tiefgarage, sagt ein älterer Herr, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, das sei nun wirklich Quatsch. Aber sauer auf die Stadt, das sei er schon. Der Herr, pensionierter Richter und wohnhaft im Münchner Süden, ist Teil "einer Besitzergemeinschaft", wie er sagt. Wie groß die Gemeinschaft ist, will er nicht sagen. Eine Schwester von ihm gehört auf jeden Fall dazu.

Sie erzählt auch einiges, will dann aber nichts gesagt haben, ihr Bruder müsse sich dazu äußern. Immerhin so viel bleibt hängen vom Gespräch mit ihr: Sauer auf die Stadt ist sie auch. Denn es gab neben einer bis heute bestehenden Abrissgenehmigung auch schon eine Baugenehmigung für das 850 Quadratmeter große Grundstück, für ein Vorder- und ein Hinterhaus, knapp 20 Wohnungen insgesamt, wie der Eigentümer erzählt. Die Baugenehmigung war befristet auf zwei Jahre, sie wurde mehrmals verlängert, und schließlich nicht mehr, das war im Jahr 2008.

"Plötzlich durfte das Hinterhaus nur noch drei statt vier Stockwerke haben", berichtet der Eigentümer. "Und wenn man schon baut, dann schaut man ja auch, dass man so viel Wohnraum wie möglich erzielt." Nur, warum haben sie dann in den Jahren davor nie gebaut? "Weil die finanziellen Mittel nicht vorhanden waren, die Baufinanzierung hätte unsere Verhältnisse überstiegen", sagt der Herr. Denn, anders als sonst üblich, wolle man das Haus nicht in Eigentumswohnungen umwandeln, sondern die Wohnungen vermieten. Das sei eben schwieriger zu finanzieren.

Ungünstig für die Umgebung

Und warum haben sie das Haus dann überhaupt gekauft, damals im Jahr 1978? "Wir wollten es sanieren, aber dann hat sich rausgestellt, dass die Bausubstanz zu schlecht war." Zudem haben die Wohnungen keine Bäder, die Bewohner mussten Etagentoiletten benutzen. Deshalb seien die Mieter nach und nach ausgezogen. Im Jahr 1985 erteilte die Stadt ein so genanntes Negativattest, sozusagen die Erlaubnis, Wohnraum leerstehen zu lassen, ohne sich der Zweckentfremdung schuldig zu machen, wie ein Sprecher des dafür zuständigen Sozialreferats erklärt. Laut Expertenurteil war es schon damals wirtschaftlich nicht mehr zuzumuten, den Wohnraum instandzusetzen. Und so zogen die Jahre ins Land.

Dass der Status quo von vielen als Missstand betrachtet wird, dafür hat der Eigentümer Verständnis. "So ein verlassenes Haus ist schon ungünstig für die Umgebung", räumt er ein. "Den Eigentümer trifft dafür natürlich auch eine Mitverantwortung, weil man ja die Möglichkeit hätte zu verkaufen." Aber das komme nach wie vor nicht in Frage - auch wenn ihm die Angelegenheit immer wieder ein unangenehmes Gefühl bereite.

"Wir sind keine Grundstücksspekulanten." Eher verhinderte Hausbauer, behindert von der Stadt und den Finanzmärkten, so soll man ihn wohl verstehen. Er werde demnächst mal wieder einen Architekten bei der Stadt vorsprechen lassen, ob man das Hinterhaus nicht doch in der ursprünglich geplanten Höhe bauen dürfe, kündigt der Herr an. Schließlich rede alle Welt wegen des Wohnraummangels von Nachverdichtung. "Wir warten mal ab, ob sich die Verhältnisse bei der Stadt nicht ändern."

Theoretisch könnten die Besitzer auch verpflichtet werden zu bauen. Im Baugesetzbuch gibt es den Passus des Baugebots. "Aber", erklärt eine Sprecherin des Planungsreferats, "laut den juristischen Kommentaren ist Wohnungsmangel allein kein Grund dafür. Es braucht auch einen städtebaulichen Grund." Sprich: Der Anblick eines verfallenden Hauses darf für das Stadtbild nicht mehr tragbar sein. Momentan stehe die Geyerstraße 17 in diesem Zusammenhang nicht unter Beobachtung. Es sei aber nicht auszuschließen, dass die Prüfer sich das Stadtbild an dieser Stelle noch einmal genauer anschauten.

Und so werden wohl noch ein paar Jahre ins Land ziehen. Denn, so das Urteil der Lokalbaukommission: Einsturzgefahr besteht nicht.

© SZ vom 09.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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