Ein Klackern, dann Grölen - beim Tischkickerspiel ist ein Tor gefallen in der Jugendfreizeitstätte "Kiste". Lautstark und mit Handschlag begrüßen zwei Mädchen, die gerade zur Tür hereinkommen, die anderen. Unbeirrt von dem Trubel beugt sich ein Jugendlicher mit schwarzer Lederjacke, Bart und Kopfhörern am Tresen der Bar über einen Tablet-Computer. Kheder, 17, beantwortet Fragen zu aktuellen politischen Themen.
Die Website wahlswiper.de schlägt ihm Parteien vor, die gut zu seinen Ansichten passen. So findet Kheder heraus, bei welcher Partei er sein Kreuz wohl machen wird, wenn er seinen Stimmzettel für die U-18-Wahl ausfüllt. "Es kann ja nicht schaden", sagt er auf die Frage, warum er mitmacht. In die Hasenbergler Freizeitstätte an der Gundermannstraße kommt er ohnehin. Und dort steht derzeit diese Wahlurne - und die Mitarbeiter fragen jeden, ob er schon gewählt hat.
Die U-18-Wahl ist ein Urnengang zum Ausprobieren: Jugendliche können mal vorfühlen, wie das so ist, wenn sie dereinst als Erwachsene ihr Wahlrecht ausüben sollen. Die Aktion findet parallel zu den Landtags- und Bundestagswahlen statt. In Bayern koordiniert sie der Bayerische Jugendring.
"Bei mir kam halt echt CSU", kommentiert ein Kumpel seine Erfahrungen mit der Website, als er sieht, dass Kheder politische Fragen beantwortet. "Echt?" - "Ja Mann." Während neben ihm die anderen Billard spielen, Bänke nach draußen tragen, lautstark den Kicker bedienen, schaut sich Kheder auf dem Fernseher die Werbespots der Parteien an. "Das ist doch voll langweilig", kommentiert er den Spot der Bayernpartei. Schließlich macht er sich mit einem Din-A4-Blatt, dessen Aufdruck echten Wahlscheinen sehr ähnlich sieht, auf den Weg in die Wahlkabine, eine Stellwand mit Bürostuhl an der Garderobe. "Ich würde, wenn ich 18 wäre, bei Wahlen mitmachen, weil ich's schon wichtig finde", sagt er, nachdem sein Stimmzettel in dem Wahlurnen-Karton verschwunden ist. "Es kommt halt auf jede Stimme an." Dass er bei der anstehenden bayerischen Landtagswahl gerade einen Monat zu jung ist, ärgert ihn ein bisschen.
Ein Mädchen in der Sofaecke sieht das anders. "Mir ist das egal", sagt die 14-Jährige, die lieber nicht mit Namen genannt werden will. "Die Politiker machen halt, was sie möchten, was sie für richtig halten." Ihre Gleichgültigkeit wird zur Wut, je länger sie darüber redet, was sie von Politik mitbekommt. Zum Beispiel Abschiebungen. "Die schicken einfach Menschen wie Pakete weg. Das finde ich unter aller Sau." In der "Kiste" hat sie trotzdem abgestimmt, "halt einfach so", sagt sie.
Für die Freizeitstätte ist politische Bildung laut Leiter Erich Mehlsteibl ohnehin eine ständige Aufgabe, nicht nur bei Aktionen wie der U-18-Wahl, sondern auch im Alltag. "Es gibt ja immer gesellschaftliche Themen, die bei den Jugendlichen auftauchen, da müssen wir natürlich Stellung beziehen." Aktuell ist das für ihn zum Beispiel der Antisemitismus. "Da geht's darum, nicht wegzuhören, dass man's nicht einfach laufen lässt." Stattdessen verwickle er die Jugendlichen in Gespräche.
Inzwischen ist ein anderer Junge, der 16-jährige Oguzhan, in die Fragen auf dem Tablet vertieft. "Binnengrenzkontrollen, was ist das?", fragt er die Mitarbeiterin, die neben ihm am Tresen sitzt. "Also Binnen- ist ja immer innen drinnen", fängt die zu erklären an. Oguzhan informiert sich sonst nicht über Politik, wie er zugibt. "Ich hör' manchmal von ein paar Sachen in der Schule." Warum er sich jetzt damit auseinandersetzt? "Einfach so, weil's da grad rumlag."