Hansi Hinterseer in München:Das Idol der reifen Mädchen

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"Leitln, ein bäriger Abend": In einer Arena ohne Stehplätze himmeln Frauen einen dauergrinsenden Mittfünfziger mit blonder Matte an. Die Ehemänner verstehen die Begleitung als Liebesbeweis.

Franz Kotteder

Der Mann mit der Strickjacke in Reihe 9 blickt belustigt um sich herum. "Ja", sagt er dann bedächtig und grinst ein wenig, "das ist mein Liebesbeweis: Einmal im Jahr geh' ich mit meiner Frau zum Hansi Hinterseer ins Konzert". Seine Frau, eine immer noch ganz gut aussehende Blondine, nickt energisch und hat offenbar beschlossen, den mild-ironischen Unterton des Herrn Gatten zu ignorieren.

"So und jetzt mach ma's wieder alle miteinander": Der frühere Riesenslalom-Weltcupsieger Hansi Hinterseer. (Foto: Foto: Haas)

Zu diesem Zeitpunkt weiß man als Außenstehender bereits, dass die Liebe eine Himmelsmacht ist und manche Menschen zu den erstaunlichsten Opfern befähigen kann. Hansi Hinterseer ist schon eineinviertel Stunden auf der Bühne gestanden, hat mit seinen Liedern die Macht ebendieser Liebe (und der Berge) beschworen.

Und er hat sich in breitem Tiroler Dialekt bereits ausgiebig darüber gefreut, dass wieder "alle miteinander" da sind und mitmachen, und "alle miteinander gut drauf san", und immer wieder folgt die Aufforderung: "So und jetzt mach ma's wieder alle miteinander!" Als Hansi dann noch vorschlägt, man solle doch jetzt den linken und den rechten Sitznachbarn "a Busserl geben", ist man doch sehr erleichtert darüber, dass das Hinterseer-Publikum keineswegs kritiklos alles ausführt, was das Idol auf der Bühne aus einer Laune heraus so anschafft.

Überhaupt: das Publikum. Man ist keineswegs besonders boshaft, wenn man behauptet, dass es zu geschätzten 75 Prozent auch zur Klientel der Deutschen Rheumaliga zählen dürfte, schon rein altersmäßig. Deshalb gibt es, ungewöhnlich für die Olympiahalle, auch keine Stehplätze in der Arena - und in der Mitte ist die Halle abgehängt, weil nur etwa 3500 Zuschauer gekommen sind. Und es trifft auch zu, was Hansi Hinterseers Trompeter in der Show einmal in einem Lied über seinen Chef singen darf: dass der nämlich "für viele reife Mädchen das Idol" ist.

Die Reife äußert sich unter anderem auch darin, dass der Begeisterung relativ sachlich Ausdruck verliehen wird: durch Mitklatschen und gelegentliches Schunkeln, Walzertanzen vor der Bühne, sofern man dazu aufgefordert wird, und - als Höhepunkt der Ekstase - durch das Schwenken eines Leuchtstäbchens in Herzform.

Ja, das Publikum geht schon mit, aber keineswegs so, dass man sich Sorgen machen müsste um die Einrichtung der Halle. Freilich, der Hansi kommt bestens an, wenn er singend durch die Halle läuft und Hände schüttelt. Er ist ein Routinier.

Und wenn man den immer noch alerten Mittfünfziger mit der blonden Matte, in die er inzwischen den berühmten Arschbackenscheitel à la Sascha Hehn einzuföhnen scheint, eine Weile auf der Bühne beobachtet, scheint klar zu sein: Diese Ökonomie der Bewegungen hat er aus seiner Zeit als Skifahrer.

Er macht genau die Gesten, die man von einem Schlagerstar erwarten darf, mehr nicht. Er verändert sein breites Grinsen nur sehr unmerklich während der vollen drei Stunden zwischen acht Uhr abends und 23 Uhr. Man fragt sich, ob ihm ein Mitmusikant nach der Show ein paar Ohrfeigen verpassen muss, damit im das Lächeln wieder vergeht. Oder ob damit erst nach Abschluss der gesamten Tournee ein Schönheitschirurg betraut wird.

Den herausragenden Slalomfahrer - schon mit 18 Jahren gewann Hansi Hinterseer den Gesamtweltcup im Riesenslalom - merkt man ihm auch gesangstechnisch an. Von der Melodie her stellen seine Lieder keine großen Herausforderungen dar; und Hansi hält es mit den Tönen ein bisschen wie mit den Slalomstangen: Möglichst nah dran vorbeischrammen ist besser als direkt treffen. Das genügt, und ein richtig falscher Ton kommt ihm jedenfalls nicht unter.

Ansonsten beruht das Konzept der Show auf gnadenloser Unterhaltung in allen denkbaren Formen. Erste Hälfte: volkstümlicher Schlagerkitsch mit Hansi im Country-Look. Zweite Hälfte: weltläufiger Schlagerkitsch mit Hansi im Anzug mit Krawatte. Dazu eine bunte, fast psychedelische Videoshow an den Bühnenwänden, wahlweise mit Bergpanoramen, fliegenden roten Herzen, Eiffelturm, Sonnenuntergängen und allem Drum und Dran. "Leitln, ein bäriger Abend!", sagt der Hansi, und ganz am Schluss folgt ihm fast die ganze Halle, wenn er das Lied anstimmt, das gleichzeitig Handlungsanweisung ist: "Hände zum Himmel, Hände zur Hölle!"

Hände zum Himmel, Hände zur Hölle: Klar, dass Hansi Hinterseer seinen Fans lieber den Himmel bieten will. Bei seinen Fanreisen nach Tunesien oder seinen Fanwanderungen in Kitzbühel, für die kleine Einspielfilme während des Konzerts werben. An die 3000 Fans steigen jedes Jahr mit ihm auf den Hahnenkamm. Oben versammeln sie sich rund um einen Bergsee. Im Video sieht das alles so idyllisch und dem Himmel so nahe aus, dass man fast befürchtet, der Hansi fange gleich mit einer Massentaufe an.

Der Mann aus Reihe 9 war bei der letzten Fanwanderung dabei: "Hinter mir ein Mädchen, das laut und furchtbar falsch gesungen hat, vor mir der Hansi Hinterseer, und die ganze Zeit hat es geschüttet wie aus Eimern." Klingt nicht, als ob er sich so den Himmel vorstellt.

© SZ vom 16.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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