Hadern:"Hey, Boo!"

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Atticus Finch (Gregory Peck) verteidigt Tom Robinson (Brock Peters), dem vorgeworfen wird, eine Weiße vergewaltigt zu haben. (Foto: Reuters)

Film "Wer die Nachtigall stört" im Augustinum

Von Jutta Czeguhn, Hadern

Es gibt Filme, die wie in einem Frischhaltebeutel unbeschadet die Zeit überdauern. "Wer die Nachtigall stört" ist so ein Film. Sofort legt sich der Schalter um, man ist wieder das neunjährige Kind, für das dieser wunderbare Schwarz-Weiß-Film einst so verstörend wie welterweiternd war. Jetzt kann man das Werk aus dem Jahr 1962 wieder sehen: Am Donnerstag, 26. März, 18 Uhr, wird der Film im Theater des Haderner Augustinums in der Reihe "Black and White, Kulturelle Gegensätze im Film" gezeigt.

Damals, als Kind wollte man unbedingt so sein wie Scout, die barfuß und im Overall herumlaufen und richtig wütend sein durfte. Man sollte einen Bruder haben wie Jem, der ungeheuer mutig war und auch bitterlich weinen konnte, wenn ihm die Welt ungerecht erschien. Und man wünschte sich einen Vater wie Atticus Finch, stets ruhig, durch und durch nobel und bei all dem noch so gut aussehend wie Gregory Peck. Die Welt ist kein heiler Ort in Harper Lees Buch, auf dem dieser oscarprämierte Film basiert. Es gibt Rassismus, Missbrauch, Vergewaltigung, Lügen, Lynchmorde, Alkoholsucht und entsetzliche Armut.

All das sehen wir durch die Augen von Scout, die in den Depressionsjahren in einer Kleinstadt in Alabama aufwächst. Ihr Vater Atticus ist Pflichtverteidiger von Tom Robinson, einem Schwarzen, der eine weiße Frau vergewaltigt haben soll. Scout und ihr Bruder Jem erleben, was es heißt, einen aussichtslosen Kampf zu führen und Außenseiter zu sein. Außenseiter ist auch ihr geheimnisvoller Nachbar Boo Radley, eine Art Dorf-Phantom, der am Ende des Films zum Retter der Kinder wird. Scouts "Hey, Boo!", wenn sie ihn zum ersten Mal gegenübersteht, gehört zu den berührendsten Momenten der Filmgeschichte.

Harper Lees Buch erschienen 1960, ein Jahr später bekam sie dafür den Pulitzerpreis. Mit über 40 Millionen verkauften Exemplaren ist der Roman eines der meistgelesenen Büchern der Welt. Es blieb bislang Lees einziges Werk, was die heute 88-Jährige zu einer Legende machte. Doch nun das: In diesem Sommer wird eine Fortsetzung des Buches erscheinen, welches die scheue Autorin allerdings bereits vor ihrem Erstling geschrieben haben soll. Das Manuskript galt lange als verschollen. Das Buch mit dem Titel "To set a Watchman" ist schon vor der Veröffentlichung ein Bestseller. Die Fans von Scout und Atticus zittern nun ein wenig, denn sie wollen sich nicht die Magie ihres Lieblingsbuches durch ein Sequel zerstören lassen.

"Wer die Nachtigall stört, 26. März, 18 Uhr, Augustinum, Stiftsbogen 74, Karten unter 78071700

© SZ vom 24.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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