Großhadern:Auf Herz und Niere

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Im neu eröffneten Sigrid-Siegmund-Haus untersuchen Ärzte und Wissenschaftler der LMU unter anderem, ob Organe transplantiert werden können

Von Jakob Wetzel

Die Entscheidung fällt am Ende wie bei einem Ampelsignal: Die Probe färbt sich grün oder rot. Grün bedeutet Leben, die Transplantation kann gelingen, die Zellen des Spenderorgans wurden von den Antikörpern des Empfängers nicht angegriffen. Rot bedeute dagegen das Aus, erklärt Teresa Kauke. Antikörper im Serum haben die Oberfläche der Zellen zerstört, sodass rote Farbe eindringen konnte. Eine Transplantation würde scheitern, der Körper des Empfängers würde das Organ sofort abstoßen. Manchmal, wenn eine Lunge oder ein Herz sehr schnell verwendet werden müsse, bestelle man Patienten auf der Warteliste bereits ein, bevor die Entscheidung gefallen ist, sagt Kauke. Sie warten dann in der Klinik darauf, wie sich die Probe färbt. Mit Glück erhalten sie wenig später ein neues Organ. Wenn sie Pech haben, fahren sie unverrichteter Dinge wieder nach Hause.

Teresa Kauke ist stellvertretende Leiterin des Labors für Immungenetik und molekulare Diagnostik am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU). Es ist das Labor, in dem sich für Patienten aus ganz Südbayern, die etwa an Blutkrebs oder an schweren Organschäden leiden, entscheidet, ob und wann ihnen geholfen werden kann. Das Labor untersucht das System der Antigene und Antikörper, das nur bei eineiigen Zwillingen identisch und sonst individuell verschieden ist. Vor wenigen Monaten haben die etwa 20 Mitarbeiter ein neues Haus auf dem Campus Großhadern bezogen - und an diesem Mittwoch wird dieses Zentrum offiziell eröffnet: das Sigrid-Siegmund-Haus, benannt nach der Stifterin, einer Geschäftsfrau. Vier Millionen Euro hat der gesamte, von Architekt Thomas von Ginkel entworfene Komplex gekostet; im März 2015 war Baubeginn, im September 2016 wurde die Anlage an die Klinik übergeben, jetzt legen die Handwerker letzte Hand an, insgesamt 40 Mediziner und Wissenschaftler sollen einziehen. Und auf den vier Stockwerken mit 1500 Quadratmetern Nutzfläche sollen am Ende nicht nur Kauke, Laborleiterin Andrea Dick und ihre Mitarbeiter untersuchen, ob Spender und Empfänger von Organen oder Stammzellen zueinander passen. Sie werden auch mit zwei weiteren Einrichtungen zusammenarbeiten, die sich ebenfalls mit den Bestandteilen des Blutes beschäftigen und die deshalb ebenfalls in das neue Zentrum ziehen.

Gibt es ein Spenderorgan, prüft das Labor für Immungenetik, welcher Empfänger infrage käme. Am Ende folgt die Kreuzprobe: Spenderzellen werden mit Empfänger-Serum vermischt - und es zeigt sich, ob beide kompatibel sind. (Foto: Florian Peljak)

"Viele zentrale Dienstleistungen laufen jetzt hier zusammen", sagt Bernhard Zwißler. Der Anästhesist leitet derzeit kommissarisch die Abteilung für Transfusionsmedizin am LMU-Klinikum, zu der das neue Haus gehört. Neue Behandlungsmöglichkeiten für Krebspatienten erhofft sich das Klinikum von dem Neubau. Das neue Haus sei auf die Bedürfnisse der Ärzte und Forscher zugeschnitten, sagt Zwißler. Und auch von der Vernetzung würden hoffentlich alle profitieren.

Zum Beispiel Beate Wagner und ihre Anlage zur Herstellung von Zelltherapeutika. Sie kann mit ihren Geräten im Erdgeschoss nicht nur Patienten bestimmte Blutbestandteile entziehen, wenn das nötig ist. Sie kann auch Blutstammzellen oder Immunzellen aus Blut gewinnen, die dann transplantiert werden. Vorher aber prüfen die Kollegen im Labor für Immungenetik, ob der Empfänger die Zellen auch verträgt.

Profitieren soll von der leichteren Zusammenarbeit auch Raymund Buhmann; er hat mit seiner Spende-Einheit für Thrombozyten auch Räume im Erdgeschoss bezogen. Thrombozyten sind Blutplättchen; sie werden im Knochenmark gebildet und sind ein wichtiger Bestandteil bei der Blutgerinnung. Wenn sie fehlen, sei es wegen einer Chemotherapie oder wegen einer Stammzelltransplantation, können selbst kleine Wunden gefährlich werden; Buhmann und seine Mitarbeiter sorgen dann dafür, dass der Körper neue Blutplättchen erhält. Sie bitten Freiwillige zur Blutspende; eine Maschine sortiert sofort die Blutplättchen aus und sammelt sie als gelbe Flüssigkeit in einem Beutel. Und auch die Plättchen werden, bevor sie zum Beispiel einem Leukämiekranken gegeben werden, im Labor überprüft.

Maschinen wie diese analysieren das Erbgut aus einer Blutprobe. (Foto: Florian Peljak)

Buhmann verbindet eine weitere Hoffnung mit dem neuen Haus. Alleine das Klinikum der LMU brauche bis zu 13 000 Blutplättchen-Präparate im Jahr, sagt er. Bislang stellen er und seine Mitarbeiter aber nur 6000 bis 7000 her, den Rest kaufe man zu. "Wir suchen dringend Spender", sagt Buhmann. Spender, die nicht wegen des Geldes spenden wollen, sondern weil sie helfen wollen. Vielleicht helfe bei der Suche ja auch das neue Haus.

© SZ vom 09.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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