Gleichberechtigung:Gerechtigkeitslobby

Lesezeit: 2 min

Zum 30. Geburtstag kam FU-Bezirkschefin Ulrike Scharf (Zweite von rechts), um mit den Vorsitzenden Anja Walz, Tilde Putz, Susanne Linhart, Maria Ametsbichlerund Rita Rottenfußer (von links) anzustoßen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Vor 40 Jahren gründeten einige Grafingerinnen - trotz Protesten von Seiten der Männer - ihre eigene Frauen Union

Von Thorsten Rienth

GrafingErst als die Wirtin mit Hausverbot droht, halten die Männer den Mund. Davor zetern und schimpfen sie, als hätte da in der Grafinger Weinstube "Sirtl" gerade jemand eine Revolution ausrufen wollen. Dabei haben sich nur ein paar Grafingerinnen getroffen, um einen Ortsverband der Frauen Union zu gründen. Frauen, die sich für Frauenthemen stark machen - das wollte eben nicht so ganz passen ins Grafinger Männerweltbild vom Herbst 1977.

Für die junge "FU" war der Radau jedoch die beste Werbung. "Da hab' ich sofort gewusst: Bei denen musst du mitmachen", erzählt Tilde Putz heute. Unter ihrer Ägide wurde die weibliche Arbeitsgruppe in Grafing bald zum ernst zu nehmenden politischen Akteur. Doch irgendwie waren die Grafinger Männer auch an der Gründung der Frauen Union nicht unbeteiligt gewesen. "Ich habe mich beschwert, warum die CSU keine Frauen im Stadtrat hat", erinnert sich die spätere Gründungsvorsitzende Rita Rottenfußer. "Selber Schuld", habe die Antwort gelautet. "Also haben wir uns an einen Frauen-Unions-Ortsverband gemacht."

Putz musste an dessen Spitze, wo sie dann 24 Jahre lang blieb, aber erst einmal geschubst werden. "Ich wollte mit einer Freundin beim Italiener am Eisstadion Essen gehen", erzählt Putz. "Da kam die Rita Rottenfußer, die für die SZ gerade nebenan ein Spiel fotografiert hat, 'rüber und sagte: 'Sie werden unsere neue Vorsitzende!'" Was im Februar 1979 dann auch geschah. "Ich wusste am Anfang ja gar nicht, wie mir geschieht."

Es war eine Mischung aus freundlicher Unverblümtheit und strenger Herzlichkeit, die Putz schnell erfolgreich machte. "Irgendwann in den 80er Jahren stand eine junge Mutter bei mir, die hätte fast zu arbeiten aufhören müssen." Denn der Sohnemann aus der ersten Klasse hatte nichts, wo er den Nachmittag hätte verbringen können. "Dann gründen wir halt eine Aktionsgemeinschaft", sagte Putz. Die "Aktionsgemeinschaft Kleinstschülerbetreuung" entstand, und in der Münchner Straße machte der erste Hort auf, er hieß nur noch nicht so.

Große Würfe lagen Putz ganz offensichtlich mehr als ein bisschen Politkosmetik. Und erfolgreich war sie damit obendrein. Wenn überhaupt, hätte es den Kindergarten in Straußdorf zum Beispiel ohne sie erst viel später gegeben. "Das war doch ein Schmarrn, dass die Straußdorfer ihre Kinder immer nach Grafing gefahren haben." Im alten Ortsteil-Schulhaus habe ohnehin einiges leer gestanden. Kleine Toiletten für Grundschulkinder waren auch schon da. Also ging Putz zum damaligen Grafinger Bürgermeister Alois Kleinmaier. "Dann macht's halt", habe der geantwortet. Das Ende der Geschichte: Die Vereine aus dem Erdgeschoss gingen in den ersten Stock, unten zog der neue Kindergarten ein.

Mit der Gesellschaft wandele sich auch die Frauen Union, hat die Grafingerin Susanne Linhart beobachtet. Sie war einige Jahre Grafinger FU-Chefin, 14 Jahre Kreisvorsitzende und ist heute im Bezirksvorstand. Natürlich gebe es auch weiterhin Rufe nach mehr Kinderbetreuung, sagt sie. "Die sind auch wichtig, weil sie bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein zentraler Punkt ist. Aber im Großen und Ganzen steht da inzwischen eine passable Infrastruktur." Sprich: Wer heute politisch für die Interessen von Frauen eintritt, will keine Kindergärten mehr bauen - sondern mehr. "Ein Riesenthema ist zum Beispiel die unterschiedliche Bezahlung von Männern und Frauen. Das ist einfach eine Ungerechtigkeit, die beendet gehört." Mit klassischer lokalpolitischer Basisarbeit ist dagegen jedoch kein Kraut gewachsen. Wohl aber mit durchdachtem frauenpolitischen Agendasetting in Richtung der CSU-Mandatsträger in Berlin. "Da hat die Frauen Union inzwischen echt Gewicht", sagt Linhart.

© SZ vom 06.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: