Geschrei und Gepolter:Im Wahlkampfmodus

Lesezeit: 2 min

Auch die Beerencafés der Familie Hofreiter - hier das Erdbeerfeld an der Rambaldistraße in Johanneskirchen - geraten in Wahlkampfturbulenzen. (Foto: Florian Peljak)

Die Stimmung in den Bezirksausschüssen wird mit dem Ende der Sommerferien deutlich rauer: Beispiel Bogenhausen

Von Ulrike Steinbacher, Bogenhausen

"Is' Föhn oder was?", fragt der Sitznachbar nach einer guten Stunde irritiert. Da hat gerade ein Zuhörer gegen jede Gepflogenheit "Ruhe!" gebrüllt, und draußen im Gang ist endlich das minutenlange Geschrei und Gepolter verstummt, das alle im Saal von den scharfen gegenseitigen Attacken der Lokalpolitiker abgelenkt hatte. So eine Sitzung des Bezirksausschusses (BA) Bogenhausen ist ja gewöhnlich eine wohltemperierte Angelegenheit, an diesem Abend aber wurde es recht hitzig. Verantwortlich dafür dürfte allerdings mehr die nahende Kommunalwahl gewesen sein als irgendwelche Wetterkapriolen. Nimmt man den Abend zum Maßstab, wird der BA bis kommenden März nicht mehr allzu viel Sacharbeit erledigen.

Sogar die BA-Vorsitzende Angelika Pilz-Strasser (Grüne), die gewöhnlich mit eiserner Nüchternheit verhindert, dass Diskussionen ins Polemische eskalieren, ließ sich von der aggressiven Grundstimmung anstecken und teilte aus. Ihr hatte vermutlich das Kraut ausgeschüttet, dass CSU und SPD sie mit Verweis auf allerlei Formalia gleich mehrmals auflaufen ließen.

Am Umgang mit zwei Anträgen zeigte sich die allseitige neue Unsachlichkeit besonders deutlich. Nummer eins: Die Grünen forderten Tempo 30 auf der Richard-Strauss-Straße zwischen Prinzregentenstraße und Böhmerwaldplatz. Zur Begründung führte Initiator Andreas Baier an, dort hätten sich in den vergangenen drei Jahren "467 polizeilich bekannte Verkehrsunfälle" ereignet, darunter solche "mit Schwer- und Schwerstverletzten". Auf die Polizei berief sich aber auch Martin Tscheu (SPD), der sagte, es handle sich fast ausschließlich um "kleinste Auffahrunfälle". Nur bei zwei Kollisionen seien seit August 2016 in diesem Abschnitt Menschen verletzt worden. Im übrigen sei Tempo 30 ja in Ordnung, "da wo's hingehört oder gleich in der ganzen Stadt", aber einen "Flickerlteppich" aus Tempo-30-Zonen halte er für problematisch und eine Beschränkung an dieser Stelle für "leicht übertrieben".

Das rief wiederum Pilz-Strasser auf den Plan: "Die SPD sollte mal klären, warum sie im Stadtrat die große Verkehrswende machen will, aber bei jeder kleinen Straße" Veränderungen blockiere, empfahl die BA-Vorsitzende. Von Peter Reinhard (CSU) bekam sie daraufhin zu hören, dass er sich angesichts zahlreicher Tempo-30-Anträge die Frage stelle, ob die Grünen tatsächlich ernsthaft besorgt seien oder "durch die Hintertür die Stadt lahmlegen" wollten.

Das zweite Thema, das in Wahlkampfturbulenzen geriet, war das Beerencafé in Johanneskirchen, und da entpuppte sich die CSU als Buhmann. Im August hatte die Stadtverwaltung die Familie Hofreiter, die die drei Beerencafés in Johanneskirchen, Feldmoching und Lochhausen betreibt, aufgefordert das Freizeitangebot dort einzudampfen. Der Eventcharakter der Einrichtungen habe die Oberhand gewonnen, das aber sei auf landwirtschaftlichen Flächen so nicht zulässig. Der Bescheid löste eine Protestwelle im Internet aus, 15 000 Menschen unterschrieben für den Erhalt der Cafés, die Stadtpolitik griff die Forderung auf. In Bogenhausen entwarf die BA-Vorsitzende Pilz-Strasser einen fraktionsübergreifenden Antrag, der den Erhalt des Johanneskirchner Cafés forderte.

Was dann geschah, nannte Paula Sippl (Grüne) zumindest "sonderbar". Denn die CSU trat in der Sitzung mit einem eigenen Antrag zum selben Thema auf den Plan. Darin forderte sie nicht nur den Erhalt des Cafés, einer "wunderbaren Einrichtung", wie Robert Brannekämper schwärmte, sondern zeigte auch auf, "wie es genau geht", nämlich mit einem Bebauungsplan und einer zeitlich befristeten Nutzung. Den interfraktionellen Antrag erwähnte Brannekämper mit keinem Wort. Nicola Holtmann (ÖDP) fand diese Vorgehensweise wenig kollegial. Bei ihrem Besuch im Beerencafé habe sie einen CSU-Flyer vorgefunden, darin stand besagter Antrag, der dem BA noch gar nicht vorlag, im Flyer jedoch auf August datiert war. "Das ist keine Art und Weise, Herr Brannekämper, nur weil Wahlkampf ist", urteilte Holtmann. "Ich hätte gedacht, dass Sie sich dafür entschuldigen können", fügte sie hinzu.

Den gekaperten Beerencafé-Antrag der CSU versenkten die Lokalpolitiker einstimmig im Unterausschuss, der Betreiber soll noch Informationen liefern. Die Tempo-30-Forderung der Grünen schmetterte eine Mehrheit aus CSU, SPD und FDP ab.

© SZ vom 17.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: