Georg Fahrenschon:Der nette Mann fürs Grobe

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Der Verzicht auf den Autobahn-Südring löst für Georg Fahrenschon gleich zwei Probleme: Eines betrifft ihn in seiner Eigenschaft als Finanzminister, das andere sein Privatleben.

A. Ramelsberger und A. Ostermeier

Es ist ausgesprochen selten, dass bei einem Minister Notwendigkeit und Neigung so wunderbar zusammenfinden wie im Fall von Georg Fahrenschon und dem Münchner Südring. Denn der Verzicht auf den Autobahnring löst für den bayerischen Finanzminister gleich zwei Probleme: ein politisches und ein privates.

Zu nett? Finanzminister Georg Fahrenschon. (Foto: bug.bildextern)

Der Minister Fahrenschon hat eine große Aufgabe: Er muss sparen. So sehr, dass er die Milliarden, die Bayern in Sachen Landesbank versenkt hat, wieder herausholt. Gleichzeitig so wenig, dass die Bürger nicht wütend werden - oder, was noch viel schlimmer wäre, sein Chef, Ministerpräsident Horst Seehofer.

Also sucht Fahrenschon derzeit nach Möglichkeiten dort zu sparen, wo es keinem wehtut - und das ist überall dort, wo noch nichts steht. Also bei Projekten, die nur geplant, aber noch nicht verwirklicht sind. Zum Beispiel beim Südring, der umstrittenen Autobahntrasse durch die Wälder im Süden Münchens.

Hier hat der Finanzminister auch die Rückendeckung Seehofers, der im kleinen Kreis schon vor Wochen murmelte, angesichts der Milliarden-Kosten könne man sich eine Verwirklichung des Südring-Plans kaum vorstellen. Und wenn Seehofer, der seinem Minister sonst ständig beim Sparen in den Arm fällt, endlich mal etwas für eine überflüssige Ausgabe hält, dann greift Fahrenschon sofort zu. "Ich halte das Projekt Südring auf absehbare Zeit nicht für finanzierbar", sagt er. So viel zum Minister Fahrenschon.

Der Privatmann Fahrenschon ist in diesem Fall aber nicht unglücklich von so viel Sparwillen an der richtigen Stelle. Selten wird der Finanzminister einen Sparvorschlag mit größerer Überzeugung mitgetragen haben. Denn Fahrenschon wohnt am Rand von Neuried, nur einen Kilometer entfernt von der Stelle im Forst Kasten, wo die geplante Autobahn wieder aus dem Tunnel auftauchen und durch den Forstenrieder Park verlaufen sollte. Der Autolärm hätte den Minister und seine Familie mit den beiden kleinen Töchtern dort täglich begleitet.

Schon als er sich im Jahr 2005 als Direktkandidat der CSU für den Bundestag beworben hatte, sprach Fahrenschon sich entschieden gegen einen Südring aus. Dem Mann, der ständig zwischen Berlin, München und Brüssel pendelt, ist durchaus an schnellen Verbindungen gelegen - allerdings auch an der guten Nachbarschaft mit den Leuten im Münchner Südwesten. Hier ist der Mann seit Jahren verwurzelt: In Planegg ist er aufs Gymnasiums gegangen, später war er sogar mal ein paar Monate zweiter Bürgermeister in Neuried und auch heute sitzt er immer noch im Kreisrat von München-Land - seit 14 Jahren.

Seine Nachbarn bekommen den Minister jedoch selten zu Gesicht. Er verlässt morgens früh das Haus, ein Fahrer holt ihn ab. Abends spät kommt er wieder. Da sind die Nachbarn längst im Bett, die Kinder auch, nur seine Frau Karin wartet auf ihn. Die ist, wie Fahrenschon selber sagt, "eine Nachteule" - zu seinem Glück, dann bekommt er seine Frau wenigstens in der Nacht zu sehen. Morgens fährt er dann rein nach München oder er fliegt nach Berlin zu Verhandlungen, eine Stadt, die er mag und wo er sich durchaus hätte vorstellen können, noch länger zu bleiben. Von 2002 bis 2007 arbeitete er dort als Bundestagsabgeordneter. Doch der damalige Finanzminister Erwin Huber holte den studierten Volks- und Betriebswirt 2007 nach München zurück und machte ihn zum Staatssekretär im Finanzministerium - quasi als Trainee für höhere Aufgaben. Es kam dann schneller als geplant: 2008, als die CSU die absolute Mehrheit verloren hatte, da wurde der gerade mal 40 Jahre alte Fahrenschon gebraucht.

Er wurde Finanzminister und hatte es sofort mit schweren Aufgaben zu tun. Die schwerste: die Lasten der Landesbank in Grenzen halten. Sein größter Coup: wie er in einer stundenlangen Nachtsitzung den Österreichern kurz vor Weihnachten die marode Kärntner Bank Hypo Alpe Adria zurückgab - die den Bayern wie ein Klotz am Bein hing. Der vermutlich wichtigste Schritt bei der Bewältigung der Landesbank-Krise - aber Fahrenschon machte nichts daraus.

Es ist bezeichnend für Fahrenschons Persönlichskeitsstruktur, dass er in Wien alles abwickelte, sich dann brav in den Flieger setzte - und in der Zwischenzeit Ministerpräsident Seehofer in München verkündete, wie er selbst quasi fernmündlich Bayern gerettet und Fahrenschon beim Verhandeln das Händchen gehalten hatte. Ein anderer hätte sich gewehrt, Fahrenschon nimmt das hin. Mit einer Mischung aus Fatalismus und Humor, die jenen "unbedingten Willen zur Macht" vermissen lässt, wie ihn auch schon der Niedersachse Christian Wulff vergeblich bei sich suchte.

Fahrenschon ist, was Politik und Macht betrifft, eine interessante Spezies. Der Mann ist nett. Zu nett, sagen viele, die Hoffnungen darauf setzen, dass er einst Ministerpräsident in Bayern wird. Einer, der es nicht mit der Ranküne und der Verdrängungskraft eines Markus Söder aufnehmen kann. Er selbst zuckt da die Achseln. "Sie wissen doch, ich bin halt nicht anders", sagt er dann und lächelt ein Bubenlächeln. Eines, das gut nach Neuried passt, aber fast befremdlich wirkt am Kabinettstisch.

Hier muss er Härte zeigen. Die Minister haben ihm Vorschläge für den Haushalt vorgelegt, die Millionen mehr von ihm verlangen als er geben kann. Natürlich kann der nette Herr Fahrenschon hart sein. Nur: Man merkt es ihm nicht an. Und er hat sich auch schon zweimal von seinem Chef Seehofer zurückpfeifen lassen.

Vergangene Woche hatte Fahrenschon zum offiziellen Sommerempfang seines Ministeriums geladen - es ging mit dem Schiff über den Starnberger See. Im Hintergrund zog ein Gewitter auf, am Ufer blinkten die Sturm-Warnlampen. Und auf dem Katamaran MS Starnberg stand Fahrenschon und verglich den bayerischen Haushalt mit der Fahrt über den See. Es werde sich schon zeigen, dass man nicht auf der Titanic fahre. Auf dem Starnberger See seien noch nie Eisberge gesichtet worden. Auf dem See ist nichts passiert. Das Gewitter zog vorüber. Beim Haushalt wird Fahrenschon nicht so glimpflich davonkommen.

© SZ vom 18.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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