Geläut vollzählig:Tiefe Töne aus der Höhe

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St. Peter hat seine Jubiläumsglocke wieder, die repariert werden musste

Von Birte Mensing

Die kleine und die große Kirchenglocke wirken fehl am Platz, wie sie da auf dem LKW-Anhänger festgezurrt sind. Aus der Zeit gefallen scheinen sie im Gewusel auf dem Marienplatz. Eine junge Familie bleibt stehen: "Alte Sachen müssen irgendwann repariert werden", erklärt die Mutter ihrer kleinen Tochter. Die beiden Glocken waren tatsächlich in der Reparatur. Vor vier Jahren entdeckte die Pfarrei St. Peter einen Riss an ihrer großen "Jubiläumsglocke". Diese hatte die Prinzregent-Luitpold-Stiftung der Kirche 1958 gestiftet zur 800 Jahr-Feier der Stadt. Nun wird sie bald wieder sonntags um 18 Uhr zum Gedenken an Münchens Verstorbene und Kriegsopfer läuten.

Die kleine "Zwölferin", seit 1382 im Alten Peter zuständig für das Zwöf-Uhr-Läuten, hatte Dellen vom vielen Anschlagen. Die Kur im Glockenschweißwerk in Nördlingen sieht man den beiden Glocken an. Wo geschweißt wurde, glänzen sie jetzt hell.

Gegen 22 Uhr biegt der Glocken-Transporter auf den Rindermarkt ein und parkt vor Münchens ältester Pfarrkirche. Dort wartet schon ein leuchtend gelber Kranwagen. Mit Stützen zu jeder Seite wird er stabilisiert und reckt sich langsam in die Höhe. Derweil lösen die Mitarbeiter der Transportfirma schon einmal die Gurte, mit denen die Glocken festgebunden sind.

"Im Turm wurde bis zum letzten Tag gearbeitet", sagt Andreas Hlawaczek, der das Projekt leitet. Schon im Februar begannen die Umbauarbeiten, damit die Glocken im April überhaupt ausgebaut werden konnten. Die Treppen im oberen Teil können jetzt zur Seite geklappt werden, um die Glocken senkrecht im Turm zu transportieren. Anpassungen und Reparatur kosten knapp eine halbe Million Euro.

Der Architekt Hlawaczek trägt Anzug, die Regenjacke hat er vorsorglich unterm Arm. "Der Petrus wird's schon richten", scherzt sein Kirchturmtechniker aus Österreich, Roland Maurer. Aber: "Wenn's Gewitter kommt, müssen wir Gas geben."

Mit dem Anheben der kleineren Glocke fallen die ersten Regentropfen. Fast anmutig schwebt die "Zwölferin" an den Metallketten nach oben. Schon jetzt müssen die Seile einiges aushalten. Als die 650 Kilogramm schwere Glocke vor der Öffnung im Dachstuhl schwebt, blitzt es am Nachthimmel. "Der Kran hat einen Blitzableiter. Wenn, dann haben wir gleich ein Problem", sagt Maurer und arbeitet schnell weiter. Das Gewitter kommt näher, der Regen wird stärker, aber dann werden die Abstände zwischen Blitz und Donner wieder länger. Jetzt kommt die Jubiläumsglocke - so groß wie ein Kleinwagen, aber siebenmal so schwer - sieben Tonnen. Auch sie ist mit unscheinbar aussehenden Nylonseilen an den drei Metallketten befestigt, als der Kran sie senkrecht nach oben zieht.

Der Glockensachverständige der Erzdiözese hat den Klang in der Werkstatt schon getestet. "Die Fachleute sind zufrieden", berichtet Hlawaczek. Die zweite Probe erfolgt schwebend vor dem Loch im Dach, in 38 Metern Höhe. Dreimal tönt das "F Null" von Münchens tontiefster Glocke. Jubel schallt von den wenigen verbliebenen Schaulustigen auf der Straße hoch zu Hlawaczek und Maurer. Jetzt kommt die Feinarbeit. Die Öffnung im Dachstuhl ist gerade groß genug für die Glocke, Maurer lenkt den Kranführer über ein Funkgerät und hilft per Hand nach. "Stop!", ruft er immer wieder. Dann ruft er dem Kranfahrer durch das Gerät zu: "Auf! Du bist frei." Die große Glocke ist sicher über der kleinen im Turmschaft abgestellt. Im mittlerweile strömenden Regen klettert Maurer aus der Öffnung und schließt die Abdeckung um kurz vor Mitternacht.

"Ob alles passt, wissen wir erst, wenn die Glocken richtig hängen", sagt Hlawaczek. Davor müssen er und sein Team in den nächsten Tagen die Glocken im Turm hochziehen, ins Joch einhängen, justieren, das Läutwerk einstellen. Erst zum Patrozinium, dem Fest zu Ehren der Heiligen Peter und Paul am 29. Juni, werden die acht Glocken im Geläut von St. Peter wieder gemeinsam läuten. Auch wenn der Peter seinem Ruf als Wetterheiliger an diesen Dienstag nicht gerade Ehre gemacht hat.

© SZ vom 01.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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