Gegendemonstration:Friedensbotschaften aus München

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Die Demonstration gegen die Sicherheitskonferenz gerät auch zu einer Solidaritätskundgebung für die Kurden im Nahen Osten. Obwohl viele Fahnen eigentlich nicht gezeigt werden dürfen, weil sie der PKK zuzurechnen sind, bleiben Polizei und Teilnehmer besonnen

Von Isabel Bernstein und Martin Bernstein

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(Foto: Florian Peljak)

Im Schneeregen von München haben am Samstagnachmittag rund 2200 Menschen gegen die Sicherheitskonferenz demonstriert. Sie zogen dafür symbolisch einen Ring um das Tagungshotel Bayerischer Hof.

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(Foto: Florian Peljak)

Zu Beginn der Kundgebung auf dem Stachus zeigten einige Kurden verbotene YPG-Fahnen. Die Polizei schritt nicht ein, diese Teilnehmer müssen aber damit rechnen, dass gegen sie noch ermittelt wird.

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(Foto: Florian Peljak)

Die Veranstalter hatten schon unter der Woche angekündigt, den türkischen Einmarsch in die kurdische Region Afrin in den Mittelpunkt der Proteste stellen zu wollen. Zahlreiche Teilnehmer forderten Freiheit für den inhaftierten Kurdenführer Abdullah Öcalan und ein Ende des PKK-Verbots.

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(Foto: Florian Peljak)

Nicht nur für die Sache der Kurden wurde demonstriert, sondern auch dafür, Rüstungsexporte zu stoppen, Geld für Schulen und Soziales auszugeben anstatt für Waffen, und auch zu Solidarität mit Flüchtlingen riefen die Demonstranten auf: "Wer Waffen sät, erntet Flucht."

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(Foto: Florian Peljak)

Angeführt wurde der Demonstrationszug wie jedes Jahr vom Motorradclub Kuhle Wampe, dessen Mitglieder sich sicherlich nicht über besseres Wetter beschwert hätten.

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(Foto: Florian Peljak)

Während das Gros der Demonstranten über den Odeonsplatz zum Marienplatz zog, bildeten etwa 150 Menschen eine Friedenskette durch die Fußgängerzone. Ihre Botschaft: "Wir weigern uns, Feinde zu sein."

Unter den etwa 2200 Teilnehmern waren auch 200 Personen, die von der Polizei dem autonomen Spektrum zugeordnet wurden. Die Kundgebung verlief friedlich, allerdings kam es zu zwei vorübergehenden Festnahmen: einmal wegen Zeigens einer Öcalan-Fahne, einmal soll ein Teilnehmer einen "messerähnlichen Gegenstand" in der Hand getragen haben.

Die Botschaft trägt Claus Schreer offen vor sich her, für jedermann gut zu sehen, auch für die rund 500 Polizisten. Als der Organisator der Anti-Siko-Kundgebung am Samstag gegen 13.40 Uhr die Bühne am Münchner Stachus betritt, trägt er ein großes Plakat um den Hals mit der Aufschrift "Freiheit für Öcalan". Und er sagt: "Terroristisch ist nicht die PKK, terroristisch ist der türkische Staat." Schreers Mitstreiter Walter Listl sagt: "Wir protestieren gegen die Verbote von Fahnen und Transparenten der Kurdinnen und Kurden, die sich mit ihrer Befreiungsbewegung solidarisieren." Die Sätze werden bejubelt, vor allem von den vielen Kurden unter den Demonstranten. Sie skandieren "Deutsche Panzer raus aus Kurdistan" und "Erdoğan Terrorist".

Und plötzlich sind sie massenhaft da, die Fahnen, die eigentlich nicht zu sehen sein dürften, weil sie nach Meinung deutscher Sicherheitsbehörden der verbotenen PKK zuzurechnen sind. Aus Plastiksäcken werden sie ausgepackt, gleichzeitig steigen Luftballons mit den Symbolen kurdischer Organisationen auf. Dass eine Konfrontation ausbleibt, liegt an der Besonnenheit der Polizei ebenso wie an kurdischen Demonstranten, die ihre Wut nicht gegen die Beamten richten, sondern - auf zahllosen Transparenten variiert - gegen die türkische Regierung. Man habe die meisten in Gesprächen dazu bewegen können, auf verbotene Fahnen zu verzichten, sagt Polizeisprecher Marcus Da Gloria Martins später.

Hässliche Bilder liefert allein das miese Wetter. Manche freilich sind auch hübsch anzuschauen - etwa die traditionell die Demo anführenden Motorradfahrer vom MC Kuhle Wampe aus Nürnberg, deren Maschinen, Kutten und Helme beim Warten darauf, dass es endlich losgeht, unter einer dicken weißen Schicht verschwinden.

In Rekordzeit und ohne Störungen oder Unterbrechungen absolviert der Protestzug die vorgesehene Strecke. Die Demonstranten - unter ihnen laut Polizei etwa 200 Teilnehmer aus dem linksautonomen Spektrum - fordern nicht nur "Freiheit für Kurdistan", sondern auch ein Ende von Waffenexporten und mehr Geld für Schulen, Bildung und Soziales. Viele rufen zu Solidarität mit Flüchtlingen auf: "Wer Waffen sät, erntet Flucht." Eine Gruppe von Menschen aus dem Kongo protestiert gegen den Machthaber in ihrem Heimatland. Weitere 250 Demonstranten bilden zur gleichen Zeit eine Menschenkette durch die Fußgängerzone.

Dass es den Gegnern der Sicherheitskonferenz nicht allein um den türkisch-kurdischen Konflikt geht, dass - wie Nela Porobic Isacovic aus Bosnien-Herzegowina sagt - Frieden mehr ist als die Abwesenheit bewaffneter Gewalt, wird auch bei der Münchner Friedenskonferenz deutlich, die seit 16 Jahren als pazifistische Gegenveranstaltung zur "Siko" veranstaltet wird. Im voll besetzten Saal des Alten Rathauses hat dabei der Publizist Franz Alt am Freitagabend gefordert: "Kommt endlich zur Vernunft!" Alt vertritt in München die Friedensbotschaft von Michail Gorbatschow, der eine Rückkehr zur Entspannungspolitik anmahnt. Bei derselben Veranstaltung sagt Clemens Ronnefeldt, Referent für Friedensfragen beim deutschen Zweig des Internationalen Versöhnungsbundes: "Wir brauchen Lehrerinnen und Lehrer und Pflegekräfte in diesem Land und nicht noch mehr Aufrüstung."

Bei der Schlusskundgebung der Siko-Gegner auf dem Marienplatz fehlt am Samstag einer der Moderatoren. Kerem Schamberger, Kommunist und Aktivist für die Sache der Kurden, ist mit der grünen Fahne der syrisch-kurdischen YPJ unterwegs. Bis zum Marienplatz kommt er damit nicht, die Polizei nimmt ihn vorher vorübergehend fest. Für die linke Bundestagsabgeordnete Christine Buchholz ist diese Festnahme "absolut inakzeptabel". Die Kriminalisierung des kurdischen Widerstands sei "ein besonderer Skandal, weil die Kriegstreiber dort bei der Münchner Sicherheitskonferenz sind".

"Wir sehen das Verbot als Geschenk von Deutschland an den Despoten Erdoğan, um weiter möglichst viele Waffen an die Türkei zu exportieren", macht Azad Binöl vom Bündnis "Hände weg von Afrin" die Haltung der Kurden deutlich. Die Kurden-Miliz YPG sei bei der Befreiung von Nordsyrien "die schlagfertigste Kraft gegen den IS gewesen, wir finden nicht gut, dass sie kriminalisiert wird".

Kerem Schamberger stößt erst wieder zur Abschlusskundgebung, als fast schon alles vorbei ist. Damit verpasst er - wie das Gros der inzwischen abgewanderten Demonstranten - die Rede des Publizisten Jürgen Grässlin. Der Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft sagt, dass "nirgendwo sonst in der Bundesrepublik so viele Waffen produziert" würden wie in München. Von Bayern aus würden "Kampfpanzer, Kampfhubschrauber, gepanzerte Fahrzeuge und Startanlagen für gelenkte Raketen auf die Schlachtfelder der Welt exportiert". Grässlins Forderung: "Die deutsch-türkische Waffenbrüderschaft muss sofort beendet, gelieferte deutsche Kriegswaffen müssen zurückgeholt und hierzulande verschrottet werden!"

© SZ vom 19.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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