Geburtshaus vor dem Aus:Hilferuf der Hebammen

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  • Der Mietvertrag für das Geburtshaus in Neuhausen läuft zum Sommer aus.
  • Geschäftsführerin Susanne Braun hat nun eine Online-Petition gestartet, um den Stadtrat dazu zu drängen, bei der Standortsuche zu helfen.
  • Fast 2000 Münchner haben die Petiton bislang schon im Internet unterzeichnet.

Von Andreas Glas, München

Noch sechseinhalb Monate. Wenn bis dahin nichts passiere, sagt Susanne Braun, "dann machen wir halt einfach zu". Die Zeit läuft gegen das Geburtshaus in der Nymphenburger Straße, das einzige, das es in München gibt. Seit einigen Wochen liegt die Kündigung des Mietvertrags auf Brauns Schreibtisch. "Aber es ist auf dem Markt einfach schwierig, etwas anderes zu finden", sagt die Geschäftsführerin, die selbst Hebamme ist. Nun hat Braun eine Online-Petition gestartet, die den Stadtrat drängen soll, bei der Suche nach einem neuen Standort zu helfen: "Wir finden, dass sich die Stadt einsetzen muss, sie hat ja genug Immobilien."

Es geht um etwa 200 Kinder, die jedes Jahr im Münchner Geburtshaus zur Welt kommen. Nur 200 Kinder, könnte man sagen, gab es doch im vergangenen Jahr fast 16 000 Neugeborene in der Stadt. Doch für Susanne Braun geht es um einen höheren Wert, um mehr als nur neue Räume für das Geburtshaus. Es geht ihr darum, das Recht auf eine selbstbestimmte Entbindung in München zu erhalten. Schließlich ist die freie Wahl des Geburtsorts im fünften Sozialgesetzbuch garantiert. Mit ihrer Online-Petition fordert das Geburtshaus dieses Recht nun ein - und zwar direkt bei der Stadt.

Manche Mütter fühlen sich im Kreißsaal sicherer

Konkret geht es um das Recht, dass Mütter in München auch in Zukunft frei wählen können, ob sie zu Hause, in einer Klinik oder eben in einem Geburtshaus entbinden wollen. Manche fühlen sich im Kreißsaal sicherer, wo die medizinische Versorgung in unmittelbarer Nähe ist. Andere fühlen sich durch die Klinikatmosphäre verunsichert und bevorzugen den Altbau des Münchner Geburtshauses, wo die Räume hell und die Wände bunt sind.

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Am Donnerstagabend ging die Petition online, am späten Montagnachmittag hatten schon fast 2000 Münchner im Internet unterschrieben. "Das hätte ich selber nicht gedacht, dass das so flott geht", sagt Geburtshaus-Chefin Braun. Die Petition hat keine rechtliche Wirkung, soll aber den Druck auf den Stadtrat erhöhen, sich mit der Standortfrage zu befassen. Zwar, sagt Braun, habe ihr der Zweite Bürgermeister Josef Schmid (CSU) bereits während der 20-Jahr-Feier des Geburtshauses im Oktober versprochen, "dass die Stadt sich da was überlegt". Weil sie danach aber nichts mehr von ihm gehört habe, "haben wir uns für die Petition entschieden".

Bürgermeister Schmid versichert dagegen, dass er sein Versprechen nicht vergessen habe: "Mir ist es ein Anliegen, dass das Geburtshaus München eine Zukunft hat", sagt er und beteuert, die Suche nach neuen Räumen "im Rahmen meiner Möglichkeiten" zu unterstützen. Dass diese Möglichkeiten begrenzt sind, dürfte auch daran liegen, dass die Immobilie eine ganze Menge Anforderungen erfüllen muss. Um den "medizinisch-geburtshilflichen und hygienischen Standards gerecht zu werden", heißt es in der Petition, brauche man 250 bis 350 Quadratmeter mit mindestens zwölf Räumen, "über ein oder zwei Etagen, gerne auch ein Haus mit Garten", außerdem frei zugängliche Rettungswege, eine gute MVV-Anbindung, ein großes Badezimmer, mindestens drei Toiletten, Wasseranschlüsse in allen Räumen und einen Warte- und Empfangsbereich.

"Ein existenzielles Problem"

"Wir suchen schon zwei, drei Jahre und haben schon viel angeschaut", sagt Geschäftsführerin Susanne Braun. Weil es in der Nymphenburger Straße allmählich zu eng werde, plane man den Auszug seit längerer Zeit. Durch die Kündigung des Mietvertrags sei der Druck, schnell etwas Neues zu finden, aber sehr viel größer geworden. Auch deshalb, weil Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen. Vor allem die 13 Hebammen, die freiberuflich im Geburtshaus tätig sind, träfe eine Schließung hart. Handelt es sich doch um eine Berufsgruppe, die sowieso schon "ein existenzielles Problem hat", wie Braun sagt.

Denn schon jetzt ächzen die freiberuflichen Hebammen unter den extrem gestiegenen Beiträgen, die sie für ihre Haftpflichtversicherung zahlen müssen. Waren es Anfang der Achtzigerjahre noch gut 30 Euro, sind es inzwischen mehr als 5000 Euro pro Jahr. Zwar hat Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) angekündigt, die steigenden Haftpflichtprämien der Hebammen per Gesetz bremsen zu wollen, doch ist dies noch nicht endgültig beschlossen. Weil unterm Strich also immer weniger Geld übrig bleibt, hören viele freie Hebammen auf, andere suchen sich von vorneherein einen anderen Job. In der Landeshauptstadt kamen im vergangenen Jahr auf knapp 16 000 Geburten gerade einmal noch 450 Hebammen.

Sollte Braun keine geeignete Immobile für ihr Geburtshaus finden, hat die Stadt möglicherweise von 1. Juli 2015 an weitere 13 Hebammen weniger. Brauns einzige Hoffnung wäre dann, dass der Vermieter die Kündigungsfrist doch noch verlängert. Das Verhältnis zum Vermieter sei gut, sagt Braun, "aber wenn wir nicht umziehen können, dann gibt es nächstes Jahr kein Geburtshaus mehr. Dann würde eine Münchner Institution verschwinden, das wäre schrecklich".

© SZ vom 16.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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