Symposium in Kochel:Die Rolle der Frauen

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August Mackes Gemälde "Spaziergänger (Großer heller Spaziergang)", das er 1913 gemalt hatte, wurde 1921 für die Nationalgalerie in Berlin angekauft und 1937 als Entartete Kunst beschlagnahmt. Seit 1958 hängt es im LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster. (Foto: LWL-Museum für Kunst und Kultur / Hanna Neander)

Eine Tagung spürt den Persönlichkeiten nach, deren Einsatz Museen ihre großen Kunstsammlungen verdanken.

Von Sabine Reithmaier, Kochel am See

Die Entstehung großer Kunstsammlungen ist oft eng verbunden mit privaten Lebensgeschichten. Nicht selten spielen darin Frauen eine große Rolle. Was wäre die Sammlung des Lenbachhauses ohne das Wirken von Gabriele Münter, die das Frühwerk ihres ehemaligen Lebensgefährten Wassily Kandinsky, aber auch Gemälde anderer Blauer Reiter vor dem Zugriff der Nationalsozialisten bewahrte und durch die Wirren des Kriegs rettete? Wie stünde es um August Mackes Werk, hätte sich nicht seine Witwe Elisabeth Erdmann-Macke zeitlebens dafür engagiert. Und welche Bilder würden dem Folkwang-Museum fehlen, hätte sein Gründer Karl Ernst Osthaus (1874-1921) nicht auch auf die Empfehlungen seiner Ehefrau Gertrud gehört?

Diesen Fragen spürte ein anregendes Symposium im Kochler Franz Marc-Museum nach. Was Osthaus betrifft, vertrat Nadine Engel, Sammlungsleiterin am Museum Folkwang in Essen, eher eine Netzwerk-Theorie: "Es gab viele Personen, die Einfluss auf seine Sammlertätigkeit nahmen", sagte sie. Neben seinem großen Ratgeber, dem belgischen Architekten Henry van de Velde, der Osthaus unter anderem van Gogh näherbrachte, beeinflussten ihn sowohl die fließend französisch parlierende Ehefrau, die lang vor Osthaus Kontakt zu Renoir aufnahm, als auch die Malerin Ida Gerhardi, die ihn mit Rodin und Aristide Maillol bekanntmachte.

Auch Elisabeth Macke-Erdmann beschränkte sich nicht darauf, nur Muse zu sein - August Macke hat sie in mehr als 200 Gemälden und Zeichnungen festgehalten. Schon von 1908 an führte sie ein "Cassabuch", das auflistete, welche Werke zu welchem Preis an wen verkauft und welche verschenkt wurden. Ein Jahr nach dem frühen Kriegstod ihres Mannes 1914 begann sie, dessen Arbeiten systematisch zu registrieren und Korrespondenzen zu archivieren. Die Gemälde und Aquarelle seien fast alle von ihr erfasst worden, berichtete Tanja Pirsig-Marshall vom LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster, das ein großes Macke-Konvolut mit mehr als 400 Gemälden, Zeichnungen und Aquarellen in seiner Sammlung hat und über ein umfangreiches Macke-Archiv verfügt.

Eine Fundgrube für die Forscher

Weitsicht bewies Elisabeth Erdmann-Macke, als sie noch vor Kriegsbeginn 1939 begann, die Kunstwerke auszulagern. Ein großes Konvolut schickte sie nach Ried zu Maria Marc, ein anderes nach Straßburg, wo Sohn Wolfgang lebte. Dadurch überstanden viele Werke den Krieg.

Versteckt zwischen Bücherkisten überstand Mackes Gemälde "Zwei Mädchen vor dem Springbrunnen" (1913) den Krieg. (Foto: LWL-Museum für Kunst und Kultur / Hanna Neander)

Elisabeth Mackes Listen und Karteikarten mit den Bildbeschreibungen sind eine Fundgrube für die Forscher. So entdeckte man, dass das Gemälde "Mädchen vor dem Springbrunnen" (1914), das das Museum 1954 gekauft hatte, schon im Jahr 1930 an den jüdischen Sammler Franz Silberstein für 3000 Mark verkauft worden war. Dass dieser 1933 emigrierte und zuvor das Werk an die Familie Macke zurückgab, hat Elisabeth auf einer Karteikarte festgehalten. Den Krieg überstand es eingelagert im Haus eines Jugendfreundes in Dahlem. Nach Kriegsende holte es Dietrich Erdmann, Elisabeth Mackes Sohn aus der zweiten Ehe mit Lothar Erdmann, in einer riskanten Aktion in die Familie zurück. Mit Erlaubnis der inzwischen in der Villa stationierten amerikanischen Offiziere erhielt er die dort ebenfalls versteckten Bücher seines im KZ Sachsenhausen verstorbenen Vaters Lothar Erdmann zurück. Inmitten der Büchersammlung entdeckte er, versteckt zwischen Kisten, das Gemälde "Mädchen vor dem Springbrunnen", lud es heimlich auf und brachte es aus dem Haus. 1954 verkaufte Wolfgang Macke das Bild über eine Kölner Galerie an das Museum in Münster und einigte sich auch finanziell mit der nach Deutschland zurückgekehrten Witwe Silbersteins.

Der "Millionenkeller" Gabriele Münters

Aus anderen Motiven als Elisabeth Erdmann-Macke, aber genauso entschieden agierte Gabriele Münter, wie Isabelle Jansen, Geschäftsführerin der Gabriele Münter- und Johannes Eichner-Stiftung, berichtete. Kurz nach Kriegsausbruch gingen die Malerin und Kandinsky getrennte Wege, abgesehen von einem kurzen Treffen in Stockholm 1916, wo sie für ihn eine Ausstellung organisiert hatte. Münter oblag es, die gemeinsame Münchner Wohnung an der Ainmillerstraße aufzulösen. Sie lagerte Sammlungen und Kunstwerke ein, hoffte bis 1921 auf die Rückkehr ihres Verlobten. Von seiner Rückkehr nach Deutschland ans Bauhaus sowie seiner Heirat erfuhr sie durch einen gemeinsamen Freund. Als ihr Ex-Partner seine Bilder zurückforderte, lehnte sie das ab. Erst 1926 einigten sich die beiden, Kandinskys Frühwerk blieb bei ihr, ebenso seine Hinterglasbilder, sein schriftlicher Nachlass aus der Münchner Zeit sowie die gemeinsamen Sammlungen.

Auch Münter reagierte frühzeitig auf die braune Gefahr und versteckte alles im "Millionenkeller" ihres Murnauer Hauses. Trotz aller finanzieller Probleme dachte sie nie an einen Verkauf. Im Übrigen wirkte sich ihre großzügige Schenkung ans Lenbachhaus erst einmal negativ auf ihre Wahrnehmung als Künstlerin aus, die Kunstwelt sah sie vor allem als Retterin des Frühwerks Kandinskys.

Dass dessen Blauer-Reiter-Kollege Franz Marc während der ersten nationalsozialistischen Jahre noch eine feste kulturelle Größe in Deutschland war, verdeutlichte Provenienzforscherin Isgard Kracht. Als "wahrhaft deutsch" hingen seine Bilder bis 1937 in vielen Museen. Zum 20. Todestag des Künstlers 1936 gelang der Kestnergesellschaft in Hannover eine Ausstellung mit 165 Werken, die anschließend nach Berlin in die Galerie Nierendorf wanderte. Nach den Olympischen Spielen änderte sich der scheinbar weltoffene Kurs. Bei der Aktion Entartete Kunst wurden 150 Werke Marcs beschlagnahmt, die meisten wurden 1939 in der Schweiz versteigert. Der berühmte "Turm der Blauen Pferde" war nicht dabei, den hatte Hermann Göring schon vorher für seine Sammlung kassiert. Seither ist das Werk verschollen.

Immerhin durften Marcs "Briefe aus dem Feld" 1941 in Berlin wieder aufgelegt werden, ironischerweise illustriert mit den Bildern, die längst beschlagnahmt worden waren.

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