Fußball-Bayernliga:Kultur der Extreme

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Hannes Sigurdsson. (Foto: Claus Schunk)

Unter dem ehemaligen isländischen Nationalspieler Hannes Sigurdsson liegt der FC Deisenhofen auf Regionalliga-Kurs. Die Pause? Ist eben so.

Von Stefan Galler, Oberhaching

Zu gerne hätte Hannes Sigurdsson wenigstens diese eine Partie noch gespielt, bevor die Fußballer des FC Deisenhofen ihre Aktivitäten wieder für längere Zeit ruhen lassen müssen. Doch das für diesen Samstag angesetzte Bayernligaspiel gegen Schwaben Augsburg fällt aus, einige Spieler des Gegners sind in Quarantäne. "Schade, wir wollten noch mal drei Punkte mitnehmen und ein gutes Ende setzen hinter diese schwierige Periode", sagt der 37 Jahre alte Isländer. Aber das müsse man akzeptieren, der Schutz der Bevölkerung stehe im Vordergrund.

Sigurdsson hätte genug Grund, sich über das Virus und dessen Folgen zu beschweren. Sein Vertrag als Leiter eines Fitnessstudios wurde nicht verlängert, weil die Schließung im Frühjahr seinen Arbeitgeber hart getroffen hat. Deshalb ist er gerade auf der Suche nach einem Job, der sich mit seiner Trainertätigkeit in Deisenhofen vereinbaren lässt. Aber jammern kommt für den 13-maligen Nationalspieler Islands nicht infrage; auch nicht darüber, dass er in diesem Jahr erst zweimal auf seine geliebte Insel fliegen konnte, einmal wegen einer Beerdigung und einmal, weil er in Reykjavík seine A-Lizenz gemacht hat. "Meine Familie konnte leider auch nicht nach Deutschland kommen. Wir mussten uns auf Facetime und andere technische Möglichkeiten beschränken."

Mit dem Trainerschein hätte er nun auch die Option, sich für die Ausbildung zum Fußballlehrer zu bewerben - die Grundvoraussetzung dazu, auch im Profibereich als Cheftrainer zu arbeiten. "Das werde ich hundertprozentig machen", sagt Sigurdsson. Sein Motto ist, sich nie auf dem Erreichten auszuruhen: "Es ist immer gesund, zu versuchen, so gut wie möglich zu sein." Er hege sehr wohl Ambitionen, irgendwann in den obersten Ligen zu arbeiten. "Aber da mache ich mir keinen Stress, ich bin wirklich sehr zufrieden beim FC Deisenhofen und habe hier auch noch viel Arbeit."

Als Sigurdsson vor gut zwei Jahren nach Deisenhofen kam, war der FC noch Landesligist. Gleich im ersten Anlauf gelang über die Relegation der Sprung in die Bayernliga Süd. Und nun, nach 26 von 34 Saisonspielen in dieser wegen der Pandemie zerrupften und auf zwei Jahre gestreckten Saison hat der Klub aus der Gemeinde Oberhaching tatsächlich Kurs auf die Regionalliga genommen: Platz eins dürfte zwar an den FC Pipinsried (69 Punkte) vergeben sein, doch hinter dem Tabellenzweiten Deisenhofen (50) haben die Verfolger Wasserburg (3./46) und Ingolstadt II (4./45) schon Probleme, den Anschluss zu halten. "Wir sind auf Kurs dorthin zu kommen, wo wir hinwollen", sagt Sigurdsson. "Meine Mannschaft ist extrem diszipliniert und loyal gegenüber den Teamkameraden und dem Klub. Wir haben Werte. Es macht große Freude, mit den Jungs zu arbeiten."

Seine Aussage von vor zwei Jahren, wonach die Deisenhofener Amateure schon aus beruflichen Gründen nicht den Fußball über alles stellen würden, zieht der ehemalige Profi, der in den ersten Ligen Islands, Norwegens, Schwedens, Dänemarks, Russlands, Kasachstans und Österreichs sowie in der zweiten englischen Liga gespielt hat, zurück. "Durch unsere Erfolge ist die Kultur in der Kabine mittlerweile extrem gut. Wir wollen schönen Fußball spielen, legen den Fokus aber auch auf Erfolg."

Bleibt die Frage, ob ein kleiner Klub wie der FC Deisenhofen wirklich in der vierthöchsten Spielklasse bestehen könnte. "Klar, wir haben nicht so viel Geld wie andere. Und es kostet alle im Verein viel Energie, die Vorgaben zu erfüllen", sagt Sigurdsson. "Aber wir haben in Testspielen gegen Heimstetten, Rosenheim oder Buchbach auch schon gesehen, dass es gegen höherklassige Gegner viel auf das Mentale ankommt."

© SZ vom 31.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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