Tierwohl:Umstrittene Ferkelkastration

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Ein Ferkel liegt zur Kastration in einer Narkoseanlage. (Foto: dpa/Picture Alliance)

Ebermast oder Immunspritze - welche Alternativen es gibt

Das Fleisch von etwa fünf Prozent der männlichen Schweine, der Eber, entwickelt bei Einsetzen der Geschlechtsreife einen Geruch, den viele Verbraucher als unangenehm wahrnehmen. Um das zu verhindern, werden männliche Ferkel in der konventionellen Aufzucht kastriert, bevor sie sieben Tage alt sind. Vom 1. Januar 2021 an müssen die Tiere dabei betäubt sein. Momentan bekommen Müllers Tiere vor der Kastration eine Spritze mit einem Schmerzmittel in den Hals. Sie werden in einem kleinen Metallgestell fixiert. Mit einem schnellen Schnitt schneidet der Bauer ihnen den Hodensack auf, die Hoden werden entfernt, und der kleine Eber kann zurück zu seiner Mutter.

Müller hat nicht den Eindruck, dass die Ferkel dabei unter Schmerzen leiden. "Sie laufen sofort zu ihrer Mutter und trinken", sagt er. Das laute Quieken der Tiere bei der Prozedur führt er darauf zurück, dass man sie einfangen müsse, das mache ihnen Angst. Die Betäubung habe er schon probiert, nach seinem Eindruck habe sie gravierendere Auswirkungen auf die kleinen Tiere als das derzeitige Verfahren. Die Ferkel seien häufig lange benommen, was dazu führen könne, dass sie wichtige Milchmahlzeiten versäumten. Dadurch könnten sie krank werden. Die Narkose müsste ein Tierarzt vornehmen, das würde die Kastration verteuern.

Deshalb wird untersucht, wie man den Ebergeruch anders vermeiden kann. Alternativen zur Operation mit oder ohne Betäubung könnten die Immunokastration und die Ebermast sein, heißt es beim Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (BZL). Den Tieren wird das Mittel Improvac injiziert, das die Produktion von Sexualhormonen und damit die Entwicklung des Geruchs unterdrückt. Diese Methode werde von vielen Tierärzten und Tierschützern favorisiert, es gebe aber die Befürchtung, dass die Verbraucher das Fleisch nicht akzeptieren, weil sie das Verfahren mit einer Hormonbehandlung gleichsetzten, so das BZL.

Bei der Ebermast werden die männlichen Tiere unverändert aufgezogen, die Landwirte müssen dazu die Haltungsbedingungen anpassen. Die Eber müssten beispielsweise getrennt von den Sauen gehalten werden. Eber brauchen anderes Futter als kastrierte Tiere, verwerten es aber besser. Eine Lösung wäre, die Tiere zu schlachten, bevor sie geschlechtsreif werden. Das passiert laut BZL beispielsweise in Großbritannien, wo 99 Prozent der Eber unverändert gemästet werden. In Deutschland würden EU-Auflagen meist am strengsten umgesetzt, klagt Müller. Andere Länder seien weniger streng und lieferten dann nach Deutschland: "Der Preisunterschied macht uns die Existenz kaputt."

© SZ vom 20.07.2019 / ihr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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