Theater:Sinnsuche

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Gott (Ellen Kießling-Kretz) und der Erzähler (Alexander Schmiedel) schwadronieren und debattieren über das Leben. Das ist oft komisch, rührt stellenweise aber auch zu Tränen. (Foto: Günther Reger)

Philipp Jescheck erzählt Axel Hackes "Die Tage, die ich mit Gott verbrachte" an der Neuen Bühne als rührendes Memento mori

Von Valentina Finger, Fürstenfeldbruck

Mit dem Gedanken, dass Gott eine Frau sein könnte, haben schon die alten Griechen geliebäugelt. Als eine der ersten Gottheiten aus dem Chaos entstand Gaia, die in der griechischen Mythologie für die Erde steht. Die Kulte um eine mythische Muttergöttin kann man sogar bis in die Steinzeit zurückverfolgen. Da hatten die Kelten ihre Matronen, später die Hindus mitunter die mächtige Durga.Und so hat Philipp Jescheck eben Ellen Kießling-Kretz.

Für die Bühnenversion von Axel Hackes Erzählung "Die Tage, die ich mit Gott verbrachte" an der Neuen Bühne Bruck hat der Regisseur die Schauspielerin in den Götterstand erhoben. In der Vorlage berichtet der Protagonist von dem Zufallstreffen mit einem älteren Mann, mit dem er daraufhin regelmäßige Spaziergänge unternimmt und der sich schließlich als Gott zu erkennen gibt. In Jeschecks Variante trifft der Erzähler, gespielt von Alexander Schmiedel, auf eine ältere Frau (Kießling-Kretz), die ihn wie ihr literarisches Vorbild von der Parkbank schubst, um ihn vor einem herabfallenden Globus zu retten.

Eine Meta-Ebene erhält die Geschichte bei Jescheck, indem er den Erzähler gleichsam zum Autor macht, der seine Erlebnisse rückblickend niederschreibt. Das tut er an seinem Schreibtisch sitzend, den Stift in der Hand. Die Requisiten in dieser Inszenierung sind spärlich, sie kommen nur dann zum Einsatz, wenn sie auch etwas zu sagen haben, wenn Gott seinen Ideenordner auspackt, zum Beispiel, und sich damit als Konzeptkünstler und Weltendesigner präsentiert, der auf vieles stolz ist, aber auch wünscht, einiges anders gemacht zu haben.

Vielsagend ist eben auch die Zirkulation von Schreibtisch und Stift. Wo zuerst der Mensch sitzt, sitzt bald darauf Gott, um dann wieder Platz für ersteren zu machen und ebenso wandern die Schreibgeräte im Laufe des Geschehens von Menschen- zu Götterhand und zurück. Dieser ganz beiläufig stattfindende Kreislauf wirkt wie eine stumme Verhandlung der Autorenrolle im Leben, ein Hin und Her von menschlichem Willen und überirdischem Schicksal, das am Ende mit Alexander Schmiedel als stolzem Verfasser seiner fertigen Memoiren in der schönen Feststellung mündet, dass das Dasein keinen Sinn hat, wenn der Mensch ihm durch das Schreiben seiner eigenen Geschichte nicht einen gibt.

Ein anderes Mal steht Gott mit Standuhr und Taschenlampe, Sinnbildern für die unkontrollierbaren Mächte Zeit und Licht, neben dem Menschen, der sich in seinem Leben verloren fühlt. Natürlich will jener wissen, was wohl jeder fragen würde, wenn er vor dem Schöpfer stünde: Wieso sind wir hier? Und: Wenn es einen Gott gibt, wieso geschehen dann all diese Grausamkeiten auf der Welt? Die Antwort scheint allerdings unbefriedigend: Es gibt keinen zentralen Sinn für die menschliche Existenz und das Böse gehört zum Leben dazu wie das Gute, weil das Schöne erst dann geschätzt werden kann, wenn es bedroht ist.

Wut, Reue und Unverständnis gehören zu den Emotionen, die die Schauspieler im Zuge der Handlung vermitteln. An vielen Stellen kann man aber auch durchaus lachen, etwa wenn Gott seine leeren Champagnerflaschen entsorgt oder den Menschen, der sich selbst als Krone der Schöpfung sieht, zum Nebenprodukt aus Langeweile degradiert. Manchmal ist es jedoch eher schwer, nicht zu weinen, sei es aus Erkenntnis oder Rührung, wenn einem das Leben als vergänglicher Moment in einem großen Ganzen vorgeführt oder ein verwittertes Familiengrab zur Manifestation von einstigem Glück wird.

Jeschecks Adaption von Hackes philosophisch-liebenswertem Text ist ein Stück weniger aus dem als über das Leben, das nachdenklich und irgendwie doch zufrieden stimmt. Die Besetzung der göttlichen Hauptrolle mit einer Frau dabei als so etwas wie einen feministischen Akt zu bezeichnen, ginge weit über das hinaus, was er mit seiner Inszenierung wohl veranschaulichen wollte. Es spielt letztendlich nämlich, unter anderem das nimmt man aus der Vorstellung mit, keine Rolle, wer oder was die Erde geschaffen hat. Wichtig ist letztlich nur, was die Erdenbewohner aus seiner, oder ihrer, Schöpfung entstehen lassen.

"Die Tage, die ich mit Gott verbrachte", Neue Bühne Bruck, nächste Termine: Freitag und Samstag, 9. und 10. November, 20 Uhr. Karten unter 08141/18589 oder www.buehne-bruck.de

© SZ vom 06.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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