Theater:Kolonialismus als Bühnenspiel

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Anfangs noch Kolonialmächte, wechseln die Figuren nach und nach die Seite – als Strafe für Vergehen. (Foto: Veranstalter)

Inszenierung will die anhaltende Ausbedeutung Afrikas thematisieren

Von Fabiana Braunstorfer, Fürstenfeldbruck

"Schon wieder tot. Egal, noch eine Runde." Im Virtuellen ist vieles möglich, wovon man im Realen nur träumen kann. Neustarten zum Beispiel. Denn das Leben ist kein Computerspiel. Im Theater aber manchmal doch - zumindest morgen, wenn das Theaterensemble Berliner Compagnie mit "Die Weissen kommen" gastiert. Das Stück gibt es bereits seit 2010. Wie der Untertitel, "Ein Theaterstück über Afrika. Über uns", verlauten lässt, geht es in der Inszenierungs ums Thema Kolonialismus. Helma Fries von der Compagnie hat das Stück gemeinsam mit der Regisseurin Elke Schuster geschrieben. Fries möchte dem Publikum die "anhaltende Ausbeutung Afrikas" bewusst machen. Um die verschiedenen Stadien der Kolonialismus und des Neokolonialismus aufzugreifen, haben die Autorinnen das Stück als Game konzipiert. Denn laut Fries ist "das Schöne an einem Computerspiel, dass man in der Zeit reisen kann".

Die vier Protagonisten, die zugleich Spielteilnehmer sind, erleben Zeitreisen und Rollenwechsel mithilfe sogenannter "Dimensionstore, die durch geschichtliche Zäsuren angelegt sind". Doch anders als in vielen virtuellen Spielen haben die Spielteilnehmer keine Möglichkeit, neu anzufangen oder eine andere Rolle anzunehmen. Wie im wahren Leben der Unterjochten gibt es einen Master. "Der stellt Regeln auf, zum Beispiel: kein Mitleid", so Fries. Missachtet oder verletzt man diese Regeln des Gamemasters, führt das zu Machtverlust.

Anfangs sind die Spieler etwa noch mächtige Avatare oder europäische Kolonialmächte. Dann zwingt sie der Master im Verlaufe des Spiels immer mehr auf die "Verliererseite". Dort erleben sie aus der Perspektive der afrikanischen Bevölkerung Sklavenschiffe, Zwangsarbeit und Massaker.

Mit "Die Weissen kommen" kombinieren Fries und Schuster also die Freiheit von Computerspielen mit der Härte der realen Menschheitsgeschichte. Das soll dem Publikum nahegehen. "Wir kriegen auch mal zu hören: Ich bin völlig fertig." Deshalb eigne sich der Besuch eher für Erwachsene. Schüler bereitet das Ensemble zumeist mit Infomaterial auf das Theaterstück vor. "Wir entlassen das Publikum nicht in Depression," beruhigt Fries aber.

Insbesondere von positiver Resonanz seitens nicht-europäischer Zuschauer berichtet die Autorin gern. "Eine ägyptische Professorin, die lange Zeit in Nigeria gelebt hatte, sagte zu mir, sie hätte noch nie so eine treffende Beschreibung von Afrika gesehen. Das hat mich enorm gefreut."

Fries und Schuster haben bereits sieben Stücke zum Thema Kolonialismus in Afrika geschrieben. 1981 wurde das Ensemble gegründet, darauf folgte laut Fries "eine turbulente Zeit". Im Zuge der Friedensbewegung der Achtzigerjahre hätten die Ensemblemitglieder bis zu 120 Städte besucht, um ihre politisch geprägten Stücke aufzuführen. In Fürstenfeldbruck waren sie bereits 2015 mit "Stille Macht". Die Mitveranstalterin und GEW Vorsitzende Margot Simoneit erinnert sich an "tolle Rückmeldungen und Gespräche danach". Laut Fries finden jedoch nun die letzten Gastspiele statt. Das Ensemble verkleinere sich.

"Die Weissen kommen", Freitag, 11. Oktober, von 19 Uhr an in der Aula der Mittelschule West, Abt-Anselm-Straße 12 in Fürstenfeldbruck. Eintritt 16 Euro /10 Euro.

© SZ vom 10.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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