Michel Pailhole war in der Nacht zuvor versunken, wie in einem tiefen Traum. Als er wieder auftaucht, weiß er nicht, wo er ist. Er lässt seinen Blick durch den Raum schweifen, bis er die zauberhafte Unbekannte neben sich im Bett entdeckt. Der Beginn eines Stückes, so rätselhaft wie sein Name: "Die Geschichte von den Pandabären". Das Stück von Matéi Visniec bringt die Neue Bühne Bruck als ihre erste Produktion des Jahres am Freitag zur Premiere. Man könnte meinen, es handle sich um ein Stück für Kinder, doch dem ist nicht so. Vielmehr ist es eine obsessive Liebesgeschichte. Dessen Beteiligte sich in den verschiedenen Ebenen des Stückes immer vertrauter werden, während sie für das Publikum zunehmend fremder und ungreifbarer werden.
Diese verschiedenen Plateaus haben den Theaterpädagogen und Regisseur Olaf Droege dazu bewegt, dieses Stück zu inszenieren. Er habe Ende November ein Angebot von Harald Molocher, Vorstand der Neuen Bühne Bruck, bekommen, Ende Januar ein Zweipersonenstück zu arrangieren. Nach längerer Recherche habe ihm eine Freundin das Theaterstück empfohlen, das ihn sofort begeistert hat. Unter anderem wegen der besonderen Stimmung, die das Stück transportiert. "Es ist sehr französisch. Mich hat es an die fabelhafte Welt der Amélie erinnert", erklärt er. Bei diesem Liebesfilm gebe es neben den realistischen und psychologischen Elementen Sequenzen, die sich nicht sofort erschließen. "Sie haben etwas Märchenhaftes, Surreales, etwas Poetisches", fügt er hinzu.
Die erste Ebene, das Kennenlernen, erscheint realistisch. Alles deutet darauf hin, dass Michel Pailhole eine durchzechte Nacht hinter sicht hat: Vereinzelt liegen Puligny-Montrachet-Flaschen aus dem Jahr 1945 auf den Perserteppichen, seine Zigarettenschachtel ist nahezu leer und neben ihm liegt die besagte, wundersame Frau. "Wo bin ich? Träum ich oder bin ich wach? Bin ich noch am Leben?", fragt er schlaftrunken. "Du träumst", antwortet die Fremde schmunzelnd. Die Frage nach dem Warum interessiert Michel zunehmend weniger. Zu verlockend und interessant erscheint die unbekannte Schönheit, die er in der vergangenen Nacht kennen gelernt haben soll. Mit seinen Saxofonkünsten und dem Rezitieren von Baudelaire habe er sie überzeugt, mit zu ihm nach Hause zu gehen. Ein Stück des besagten Dichters kenne er jedoch nicht, sagt er. Die Frau lässt das jedoch unkommentiert und begibt sich auf den Weg zur Tür.
"Das ist ungerecht wenn du einfach gehst!", schreit er ihr nach, als sie in der Türschwelle steht. Die Frau dreht sich daraufhin um und einigt sich mit ihm auf einen Pakt: Neun Nächte werde sie mit ihm verbringen. Jedoch müsse er für sie Saxofon spielen.
Jede Nacht führt dazu, dass sie immer mehr zueinander finden. Michel erzählt ihr beim Abendessen Geschichten von seinem Vater. Zur Geburt habe er einen Apfelbaum gepflanzt, welcher der Mutter noch heute den Sohn nahe sein lässt. Für jedes seiner Kinder habe der Vater einen Baum im Garten gepflanzt. Nicht zuletzt einen Ebenholzbaum, für seine Tochter Karin, die mittlerweile als Tänzerin arbeite. "Der Ebenholzbaum wächst so langsam, man könnte meinen, er bleibt für immer Kind", fügt er hinzu. Man könnte ebenfalls meinen, es seien Parallelen zu Baudelaire zu erkennen, der oft Bäume als Metaphern nutzt. Eine von vielen Facetten des Stücks, die dem Zuschauer erlauben, seine eigenen Schlussfolgerungen zu ziehen. Es ist so rätselhaft wie die zauberhafte Frau, die eines Morgens neben dem Saxofonspieler liegt.
"Die Geschichte der Pandabären", Premiere am Freitag, 25. Januar, 20 Uhr, Neue Bühne Bruck. Weitere Termine auf www.buehne-bruck.de.