SZ-Kulturpreis Tassilo:Emotional und unkonventionell

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Im Januar hat Tassilo Probst, als jüngster Gewinner jemals, einen International Classical Music Award für seine erste CD als Solist gewonnen. (Foto: Jana Islinger)

Schritt für Schritt nähert sich Tassilo Probst seinem Traum, ein international erfolgreicher Geiger zu werden. Mit seinen Auftritten will der 20-Jährige auch junge Menschen für Klassik begeistern.

Von Florian J. Haamann, Emmering

Es läuft bei Tassilo Probst. Besser kann man die Entwicklung des jungen Ausnahmetalents an der Geige wohl nicht ausdrücken. Gerade einmal 20 Jahre alt ist der Emmeringer, der im August 2022 seine erste CD als Solist veröffentlicht hat, begleitet vom gleichaltrigen New Yorker Pianisten Maxim Lando und produziert vom Bayerischen Rundfunk. Die Kritiken der Fachmagazine waren beeindruckend.

Und als ob all das nicht schon Ehre genug wäre für so einen jungen Musiker, hat das Album mit dem Titel "Into Madness" nun auch noch den renommierten "International Classical Music Award" in der Kategorie Kammermusik gewonnen. Ein Preis, der sonst eher an seit Jahren - oder Jahrzehnten - etablierte Musiker geht. Probst und Lando sind die Jüngsten, die diese Auszeichnung gewonnen haben. Für sein musikalisches Wirken ist Tassilo Probst nun für den Tassilo-Preis der Süddeutschen Zeitung nominiert.

Der 20-Jährige spricht lieber über Leidenschaft als über Erfolge

Es sind nicht die zahlreichen Preise und Spitzenplatzierungen, die den 20-Jährigen zu einem besonderen Musiker machen. Wenn man, wie er, das Ziel hat, im hart umkämpften Markt der klassischen Musik ein bekannter Solist zu werden, gehören sie zwingend dazu. Was Probst aus der Konkurrenz herausstechen lässt, ist, dass er trotz allem Lob, den hohen Tönen, in denen viele von ihm sprechen und seinem zweifelsohne einmaligen Talent, im positivsten Sinne bodenständig bleibt und ein grundsympatischer Typ ist.

Im Gespräch erzählt er höchstens beiläufig oder erst auf Nachfrage von seinen neusten Erfolgen oder anstehenden Konzerten. Viel lieber spricht er über seine Leidenschaft für die Musik, davon, für wie wichtig er es hält, nicht unbedingt technisch zu hundert Prozent perfekt zu spielen, dafür aber den Noten Gefühle zu entlocken, die man hoffentlich auf das Publikum übertragen kann. "Man muss sich nur alte Aufnahmen von den großen Meistergeigern des beginnenden 20. Jahrhunderts anhören. Da sind ganz viele Noten daneben, aber es ist eine Emotion dabei, die bis heute berührt", sagt er.

Tassilo Probst, hier bei einem Konzert in Dachau zu Gunsten der Ukraine, will mit seiner unkonventionellen Art auch jüngere Zuhörer gewinnen. (Foto: Toni Heigl)

Deshalb habe er für sich beschlossen, erst einmal nicht mehr an Wettbewerben teilzunehmen. Denn dort komme es genau auf das an, was er nicht möchte: Die Emotionen herunterzufahren, nur um technisch zu 150 Prozent perfekt zu spielen, damit man eine Jury aus zehn Professoren überzeugt. "Dafür geht viel Zeit drauf, die dann fehlt, um am eigenen Stil zu arbeiten und das Repertoire zu erweitern".

Dass er die technische Seite beherrscht, hat er mit den vielen Top-Platzierungen bei Wettbewerben in den vergangenen Jahren bewiesen, sich dieses Prädikat quasi endgültig erarbeitet. Deshalb will er sich nun auf die Entwicklung seiner eigenen musikalischen Identität konzentrieren, mit der er nicht nur zehn Juroren, sondern das große Publikum überzeugen will.

Noch ist Probst in einem Stadium, in dem vieles "zum ersten Mal" passiert. Nach der ersten CD 2022 steht nun die erste Deutschlandtour an, mit zwölf Konzerten in zehn Tagen, von München bis Hamburg wird er unterwegs sein. Davor aber wartet noch ein anderes erstes Mal. Die MS-Europa hat ihn für eine Kreuzfahrt von Australien nach Manila engagiert. Geplant sind außerdem Konzerte unter anderem in New York, Bukarest, Sydney, Budapest und bereits das zweite Album, dieses Mal mit einem der großen Symphonieorchester. Welches das sein wird, könne er natürlich noch nicht sagen.

Langsam kommt Probst in die entscheidende Phase zwischen Talent und Profi

Angesichts dieser Planungen für das Jahr 2023 ist es fast ein wenig lustig, wenn er erzählt, dass es sein großer Traum sei, irgendwann einmal so gefragt zu sein, dass er permanent in der Welt herum kommt, an immer anderen Orten spielen möchte. Und doch versteht man, was er meint.

Denn es ist schwer einzuordnen, wie man den Stand seiner Karriere einordnen soll. Denn "nur" hoffnungsvolles Talent ist er nicht mehr, etabliert oder gar ein Star freilich auch noch nicht. Vielmehr ist er aktuell genau in der Phase dazwischen, vielleicht der entscheidenden. Entwickelt sich alles so rasant weiter wie in den vergangenen Jahren, stehen die Chancen gut für eine internationale Karriere. Kommt es zu einem Rückschlag, einer Verletzung etwa, kann der Traum immer noch von jetzt auf gleich platzen.

Tassilo Probst im Jahr 2014 nach einem seiner unzähligen Erfolge bei Nachwuchswettbewerb "Jugend musiziert" (Foto: Johannes Simon)

Zur Sicherheit hat Probst gerade mit seinem Masterstudium in Augsburg angefangen, den Bachelor hat er an der Musikhochschule München mit 19 Jahren absolviert, wo er seit seinem 13. Lebensjahr als Jungstudent eingeschrieben war. Konzerte, Universität und Proben unter einen Hut zu bringen ist dabei nur eine der Herausforderungen, vor die ein junger Musiker wie Probst steht.

Auch im Privatleben muss er Zugeständnisse machen. Eine Freundin beispielsweise hat er nicht. "Ich habe es probiert, aber es hat so nicht funktioniert. Vielleicht auch, weil ich da ein bisschen altmodisch bin. Ich finde, wenn ich jemandem nicht die Zeit geben kann, die er verdient hat, dann ist es besser, es zu lassen" sagt der 20-Jährige. Nicht nur an dieser Aussage merkt man, dass er weit mehr ist, als eine "Musikmaschine".

Über Politik kann man mit ihm genauso reflektiert sprechen wie über seinen Lieblingsfußballverein, den FC Bayern, seine während der Pandemie entdeckte Leidenschaft fürs Fitnesstraining oder die Psychologie, die mit dem richtigen Proben verbunden ist. Auch der Musikbetrieb und dessen Mechanismen sind Dinge, mit denen er sich beschäftigt und die er hinterfragt.

Seit 2017 spielt Tassilo Probst auf einer Meistervioline von Giovanni Grancino aus dem Jahr 1690, einer Leihgabe der Deutschen Stiftung Musikleben. Als Ergänzung hat er sich im Januar den Nachbau der berühmten "Abergavenny" von Antonio Stradivari aus der bekannten Werkstatt von Florian Leonhard angeschafft. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Deshalb möchte er mit seinen Auftritten der Klassik ein wenig ihren elitären Ruf nehmen. Dazu gehört, dass er nicht einfach sein Programm runterspielt, lieber mit T-Shirt als mit Hemd unter dem Sakko, sondern den Abend auch selbst moderiert, die Werke einordnet und die Menschen so mitnimmt. Auch die traditionellen Abläufe klassischer Konzerte dürfen bei ihm durchbrochen werden.

"Warum sollte es mich ärgern, wenn jemand da klatscht, wo es 'nicht vorgesehen' ist? Für mich als Künstler gibt es doch nichts Schöneres, als wenn ich jemanden gerade so berühre, dass er genau jetzt klatschen muss." Auch klingelnde Smartphones nehme er mit Humor. "Ich unterbreche dann gerne und sage, er oder sie kann ruhig rangehen, wir klatschen dann auch alle für den Anrufer."

Mit dieser unkonventionellen Art will der 20-Jährige auch ein neues Publikum für klassische Musik begeistern. Vor allem an mehr junge Menschen würde er seine Leidenschaft gerne weitergeben. "Schließlich hätte ich gerne auch in 20 Jahren noch ein Publikum", sagt er und lacht.

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