SZ-Serie: Im Märzen der Bauer, Folge 9:Dieter und seine Damen

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Auf dem Puchheimer Kreuthof leben seit Donnerstag ein Rothirsch und 20 Hirschkühe. Daraus soll eine Herde zur Erzeugung von Wildfleisch werden. Allein der Zaun hat 30 000 Euro gekostet

Von Ingrid Hügenell, Puchheim

Mit drei gewaltigen Sätzen ist der Hirsch in der Dunkelheit verschwunden. Nach knapp zehn Stunden Fahrt ist das Tier am Donnerstag gegen 18.30 Uhr in Puchheim auf dem Kreuthof der Familie Huber angekommen. Der Tiertransporter wird am Gehege geöffnet, die Laderampe herunter geklappt. Im Weg stehen sollte jetzt niemand, ein ausgewachsener Rothirsch mit seinem beeindruckenden Geweih kann gefährlich sein. Nach dem großen männlichen Tier dürfen die kleineren, weiblichen hinaus, die Hirschkühe. Auch sie suchen rasch das Weite. Der vierjährige Hirsch trägt den schönen Namen Dieter. Den hat er von Georg Hubers Kindern bekommen, nach dem Schwiegervater, der wie die Hirsche aus Brandenburg stammt.

Dieter und die 20 namenlosen Hirschkühe sind nun auf Hubers 9,5 Hektar großer Fläche an der Bundesstraße 2 zu Hause. Am Freitagvormittag kann man sie dort friedlich äsen sehen. Die Weibchen wurden allesamt gedeckt, aber nicht von Dieter. Aus ihnen soll in wenigen Jahren eine Herde mit 45 weiblichen Tieren werden. Huber, 45, der Bio-Landwirt, den die Süddeutsche Zeitung ein Jahr lang bei der Arbeit begleitet, hat die Tiere nicht nur angeschafft, weil er sie so schön findet. Er will hochwertiges Wildfleisch erzeugen. Bezahlt hat er Tiere und Zaun von dem Geld, das er als konventioneller Landwirt für Dünger und Pflanzenschutzmittel ausgegeben hätte.

Die Tiere kommen vom Gut Hirschaue in der Nähe des Scharmützelsees. Huber hat sie dort gekauft, weil das Gut ökologisch wirtschaftet und weil es sonst kaum Züchter gibt, die 20 Hirschkühe auf einmal verkaufen können, wie er erklärt. Dieter hat Huber dort selbst ausgesucht. Der Hirsch habe ihm gleich gefallen, weil er ihn so herausfordernd angeschaut habe. "Da hab' ich gewusst, der ist es." Außerdem habe Hartmut Star, der Besitzer des Guts, ihm gesagt, mit Dieter sei nicht gut Kirschen essen. Das hat dem Puchheimer Landwirt sofort gefallen. Überzeugt hat ihn auch, dass Dieter 40 Prozent Karpatenblut hat, weshalb er und hoffentlich auch seine Nachkommen besonders viel Fleisch ansetzen. 3500 Euro netto hat der Hirsch gekostet, 13 000 die Kühe. Dazu kamen 2000 Euro für den Transport.

Von Mitte Mai bis Mitte Juni werden die Hirschkälbchen geboren. Dieter kommt im Herbst wieder in die Brunft, dann kann er die Kühe decken, und im Jahr darauf auch den Nachwuchs.

Wenn Dieters Töchter in gut zwei Jahren geschlechtsreif werden, wird der Hirsch ausgewechselt, um Inzucht zu vermeiden. Geschossen wird das schöne wie wertvolle Tier nicht. Die Züchter und Wildgehebetreiber tauschen die Hirsche vielmehr untereinander aus.

In etwa zwei Jahren kann Huber auch die ersten Tiere im Gatter schießen. Sie werden bei der Germeringer Metzgerei Kiermair zerlegt, wo Hubers 18-jähriger Sohn Xaver gerade eine Lehre macht. Das Wildfleisch wird verkauft. Huber hat vor, die Tiere mit einem Schuss in den Kopf zu töten. So sind sie schneller tot, und es geht weniger wertvolles Fleisch kaputt. Die Tiere versetze das nicht in Stress, wenn man mit einem Schalldämpfer arbeite, sagt Huber. Das getroffene Tier bekomme gar nichts mit, und die nicht getroffenen Tiere blieben sogar liegen.

Gerade rechtzeitig vor der Ankunft der Tiere ist der zwei Kilometer lange Zaun fertig geworden. Eigentlich wollte Huber sie erst im Januar haben, aber in Brandenburg ist nach dem zweiten trockenen Sommer das Futter knapp. Züchter Star bestand auf der frühen Lieferung. Der polnische Zaunbauer Bartek Dmuchowski und einer seiner Mitarbeiter haben den Zaun errichtet. Zwei Wochen lang arbeiteten sie jeden Tag vom ersten Licht an, auch sonn- und feiertags, berichtet Huber. Abends machten sie noch eine Stunde lang bei Flutlicht weiter. Die Büsche und Baumgruppen auf dem Gelände mussten ausgezäunt werden. Die Hirsche würden sie sonst auffressen. Nur die große Baumgruppe am Hang ist noch zugänglich, dort können die Tiere Schutz suchen. Denn der Unterstand mit Futterplatz für die Tiere ist noch nicht fertig. Im Winter bekommen sie zusätzlich Heu und Grassilage. Im späten Winter wird Dieter sein Geweih verlieren. Wenn die Jungtiere geboren werden, kann der Hirsch sie so nicht verletzen. Im Frühling beginnt es wieder zu wachsen. Der Bast, eine gut durchblutete Haut, versorgt das wachsende Geweih. Er wird abgestreift, wenn das Geweih fertig ist. Dafür bekommt Dieter einen Baumstamm.

Georg Huber freut sich, dass die Tiere gut angekommen sind (Foto: Voxbrunner Carmen)

Am Pfennigbach wird Huber demnächst eine Furt einrichten, damit die Tiere besser trinken können. Am Bach laufen können sie nicht, denn auch entlang der Ufer steht der Zaun. Von außen können Wildtiere nicht in den Schlauch hinein, der den Bach umgibt. Die könnten dort drinnen in Panik geraten und sich verletzen, sagt Huber.

30 000 Euro hat der Zaun Huber gekostet, aber: "Wie die den Zaun gebaut haben, dazu wäre ich gar nicht in der Lage gewesen." Die Zaunbauer brachten ihre eigenen Maschinen mit, eine drei Tonnen schwere Pfahlramme und eine Maschine, um den Spezial-Maschendraht abzurollen und zu spannen. Das Gelände ist stellenweise sehr steil. Als Huber die Pfahlramme mit dem Schlepper den Hang hinabbringen wollte, sei ihm das ganze Gespann "runtergesegelt". Gerade noch rechtzeitig habe er um einen großen Baum herumlenken können. "Das wär bald in die Hose gegangen", sagt er. Der Zaun ist 2,10 Meter hoch, damit weder die Hirsche noch irgendwelche anderen Tiere wie etwa Wölfe ihn überspringen können. Nachdem Dieter mit solcher Macht aus dem Transporter gestürmt ist, hat Hirschzüchter Star die Sorge, der Hirsch könnte ihn doch überwunden haben. Huber unternimmt eine kurze Inspektionsfahrt - und findet Dieter bei den Hirschkühen im Gehege.

Außen am Zaun ist ein Untergrabschutz angebracht, er ist einen Meter breit und wird überwachsen werden. Das reiche, um auch Wölfe abzuhalten, sollte sich irgendwann einer in den Landkreis verirren, sagt Huber. Zur Bundesstraße 2 hin und am Pfennigbach werden heimische Sträucher gepflanzt, wegen des Schattens, und um die Hirsche ein wenig abzuschirmen. An den Straßenlärm werden sie sich laut Huber schnell gewöhnen.

Tiere, die gegen den Zaun rennen - von innen wie von außen -, können sich nicht verletzen, denn es gibt keine scharfen Kanten. Der verzinkte Stahldraht hat in der Mitte der Maschen einen Knick, das macht das Geflecht elastisch und sehr stabil. Das Material kann extrem stark gespannt werden. Als Pflöcke dienen Akazienstämme. An den Ecken wurden sie 1,50 Meter tief in den Boden gerammt, dazwischen stehen etwas dünnerer Stämme, die nur einen Meter in den Boden reichen. "Die halten 30 Jahre", sagt Huber. Ein Schild am Gatter informiert die Spaziergänger. Sie werden aufgefordert, die Hirsche nicht zu füttern und auf den Wegen zu bleiben. Alle Folgen unter www.sz.de/landwirtschaft

© SZ vom 16.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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