SZ-Adventskalender:Versteckte Armut

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1067 Menschen im Landkreis beziehen Grundsicherung im Alter. Viele versuchen aus Scham, ihre Not zu kaschieren

Von Julia Bergmann, Fürstenfeldbruck

Bei vielen derer, die von Altersarmut betroffen sind, sitzt die Scham tief. "Oft wird es nach außen kaschiert, zum Beispiel mit gepflegter Kleidung", sagt Felix Hechtel, Kreisgeschäftsführer des Sozialverbandes VdK. Hauptsache, nach außen hin fällt die Not nicht auf. Die ältere Dame im Pelzmantel etwa, die an der Supermarktkasse Konserven auf das Band legt. Ihr Haar ist aufwendig onduliert, sie trägt Schmuck, ihre Kleidung wirkt gepflegt. Wie viel Rente sie bekommt, ob sie Konserven kauft, weil das wenige Geld nicht viel anderes zulässt, ist von außen schwer einzuschätzen. "Altersarmut ist oft nicht sichtbar", sagt Hechtel. Und genau das mache die Situation für Betroffene oft noch schlimmer.

Denn Armut führt oft dazu, dass sich die Menschen zurückziehen. "Betroffene können sich die soziale Teilhabe oft nicht leisten und das führt im Zweifel in die Isolation", erklärt Hechtel. Aus dieser herauszukommen ist schwierig, wenn das Problem nicht offen angesprochen wird. Dass die Scham darüber, auf Sozialleistungen angewiesen zu sein, so tief sitzt, sei eine Generationenfrage, erklärt Kreissozialamtsleiter Dieter Müller. "Die Menschen, die jetzt älter als 60 sind, wurden anders erzogen", sagt er. Und bei den über 80-Jährigen wecke die Vorstellung, "aufs Amt" gehen zu müssen, Erinnerungen an Hunger und Not der Kriegsjahre. Außerdem, so Hechtel, sei Besitz und der damit verknüpfte soziale Status für Ältere viel wichtiger, als es das für junge Erwachsene heute ist.

Felix Hechtel ist Kreisgeschäftsführer des Sozialverbandes VdK. (Foto: Günther Reger)

Momentan beziehen im Landkreis 1067 Menschen Grundsicherung im Alter. Aber nicht jeder, dem die Grundsicherung zusteht, beantragt sie auch. Die Zahl der tatsächlich von Altersarmut Betroffenen dürfte also höher sein. Grundsätzlich liegt die Armutsgefährdung für die über 65-Jährigen in Bayern mit 17 Prozent bundesweit an dritthöchster Stelle, nach dem Saarland (19,2 Prozent) und Rheinland-Pfalz (23,3 Prozent). In diesen Bundesländern sind zugleich besonders viele Frauen betroffen. Grund dafür ist die niedrige Beschäftigungsquote für Frauen in der Vergangenheit.

"Viele Frauen haben sich in der Vergangenheit um die Erziehung der Kinder und den Haushalt gekümmert und dadurch nicht in die Rentenversicherung eingezahlt", sagt Hechtel. Waren Frauen berufstätig, dann oft nur wenige Stunden pro Woche, so dass auch hier später die Rente geringer ausfällt, erklärt Müller. Und auch Scheidungen im Alter kommen heute öfter vor als noch vor 30 Jahren. Die Frauen stehen dann meist mit relativ wenig Unterhalt alleine da. Problematisch ist das etwa, wenn die frühere Wohnung aus Kostengründen nicht mehr gehalten werden kann. Wohnungen auf dem freien Markt sind gerade im Ballungsraum München oft zu teuer, liegen hier die Lebenshaltungskosten doch um etwa 25 Prozent höher als im Rest Bayerns, wie Hechtel erklärt. Oft die einzige Alternative für Rentner ist dann die Suche nach einer günstigen Sozialwohnung. "Im Schnitt dauert es aber zwei Jahre, bis sie eine Sozialwohnung bekommen", sagt Hechtl. Und diese Zeitangabe gelte auch nur dann, wenn der eigene Fall hohe Priorität habe. Dazu kämen noch andere Sorgen. Etwa die Frage danach, was passiere, wenn man pflegebedürftig wird oder ob die Kinder unterhaltspflichtig werden, wenn man Grundsicherung beantragt.

Grundsätzlich können sich Senioren, die sich darüber Gedanken machen oder die das Gefühl haben, mit ihrem Geld nicht zurecht zu kommen, an verschiedene Beratungsstellen im Landkreis wenden. Die Seniorenfachberatung, die beim Landratsamt angesiedelt ist, gibt etwa einen unverbindlichen und kostenlosen Überblick darüber, wer welche Leistungen in Anspruch nehmen kann. Die Grundsicherung im Alter etwa wird nach individuellen Faktoren berechnet. Zum einen gilt der Regelsatz von 404 Euro, dazu kommen Unterkunftskosten im angemessenen Rahmen. Einer allein stehenden Person stehen etwa 50 Quadratmeter zu und je nach Wohnort eine Kaltmiete von 440 bis 500 Euro zu. "Wobei es einen Ermessensspielraum für ältere Personen gibt", sagt Müller. Gezahlt werden auch die Krankenversicherung und je nach persönlicher Situation ein Mehrbedarf, etwa im Fall einer schweren Behinderung. Auch den Kontakt zu anderen Beratungsstellen im Kreis kann die Fachstelle wenn nötig vermitteln.

Eine andere Anlaufstelle speziell für Senioren ist die Seniorenhilfe Sonnenstrahl der Bürgerstiftung für den Landkreis Fürstenfeldbruck. Sie bietet finanzielle Hilfe an, etwa bei Arztkosten, die nicht von der Kasse übernommen werden, Transportkosten zum Arzt, anfallenden Reparaturen, dringend benötigten Anschaffungen oder der Teilnahme an kostenpflichtigen Veranstaltungen für Senioren. Einen Antrag auf Fördermittel können Menschen von 60 Jahren an stellen. Dass das Stellen des Antrags auf Grundsicherung nicht immer unkompliziert ist, weiß Hechtel aus vielen Beratungen. Doch davon abschrecken lassen sollten sich Rentner nicht. Falls es dennoch zu Problemen kommen sollte, bietet der VdK auch für Senioren sozialrechtliche Beratung an.

© SZ vom 03.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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