SZ-Adventskalender:Zu schwach für den Schulranzen

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Hoshyar H.s Tochter ist gesundheitlich schwer angeschlagen

Von Florian J. Haamann

Mit einem Ruck schiebt Hoshyar H. seine Kaffeetasse neben die Küchenrolle, die auf dem Wohnzimmertisch steht. "Wenn das die Große ist", er zeigt auf die Küchenrolle, "dann ist das ihre Zwillingsschwester", sagt er, nun auf die Kaffeetasse deutend. Ein Bild, mit dem der 32-Jährige deutlich machen will, wie schlecht es um die Gesundheit und den Körper einer seiner drei Töchter steht. Weil er viel Zeit für die Betreuung der Tochter aufbringen muss, hat er nur einen Teilzeitjob. Wie viel Geld er verdient, hängt davon ab, wie viel Arbeit der Chef für ihn hat. Genug für die Familie ist es allerdings nie. Dabei fehlt es an allen Enden. Gerade jetzt, zwei Wochen vor der geplanten Geburt des vierten Kindes. Die Familie benötigt Babykleidung, Ausstattung, dazu ist eines der Betten kaputt. An die großen Wünsche seiner Töchter, vielleicht mal einen Schwimmkurs machen oder Englischunterricht, will er da gar nicht denken. Der Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung möchte die Familie deshalb bei den wichtigsten Anschaffungen unterstützen.

Für H., der selbst nie eine Schule besucht hat, nicht lesen und schreiben kann, ist es wichtig, dass seine drei Töchter eine gute Ausbildung bekommen. Deshalb freut es ihn, dass die Zwillinge, die in diesem Jahr eingeschult worden sind, Spaß am Unterricht haben. Die kranke Tochter braucht allerdings viel Unterstützung. "Sie ist so schwach, dass sie ihren Schulranzen nicht alleine tragen kann. Deswegen muss ich sie jeden Tag zur Schule bringen und sie wieder abholen."

Dass die Tochter überhaupt noch lebt, verdankt sie der guten medizinischen Versorgung in Deutschland. "Wenn sie in meiner Heimat, dem Irak, geboren wäre, hätte sie wahrscheinlich kein halbes Jahr gelebt", sagt H. Als Beispiel führt er einen seiner Brüder an, der an einer Nierenerkrankung gestorben ist. "Er hätte ein neues Organ gebraucht, aber das konnte sich meine Familie nicht leisten." Seine Tochter hat bereits unzählige Operationen hinter sich, für die Familie eine große Belastung. "Aber es geht ihr immer besser, wir haben die Hoffnung, dass sie bald gesund wird."

H. ist 2008 aus dem Irak geflohen, lebt seitdem mit seiner Frau in Deutschland. Eine Ausbildung hat der dort nicht gemacht, schon als Jugendlicher musste er arbeiten und die Familie unterstützen. Allerdings weiß er genau, welchen Job er gerne machen würde: Koch. "Ich koche zu Hause gerne mit meinen Kindern, gehe mit ihnen einkaufen, mache das Essen für sie. Wenn das Baby etwas größer ist und es meiner Tochter besser geht, würde ich gerne mehr arbeiten, vielleicht klappt es ja", erzählt der 32-Jährige.

Auch die Zwillinge haben schon Zukunftspläne. Das gesunde Mädchen würde gerne Polizistin werden, ihre Schwester will etwas mit Tieren machen. "In der Pflegestelle gab es auch viele Tiere, das hat ihr gut gefallen. Aber wir versuchen ihr das auszureden. Ich glaube nicht, dass sie so eine schwere Arbeit machen kann", sagt der Vater. Seine kleinste Tochter beschreibt er als immer gut gelaunten Wirbelwind, der keine Probleme hat, im Kindergarten neue Freunde zu finden. "Egal wen sie trifft, sie sagt immer, das ist mein Freund." Und auch sie hat schon einen Berufswunsch: Sie möchte unbedingt Sängerin werden.

© SZ vom 30.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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