SZ-Adventskalender:Von der Dozentin zur Hartz-IV-Empfängerin

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Mit einem Fahrradunfall begann der Abstieg einer heute 64-Jährigen in die Armut

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Mit einem Fahrradunfall vor acht Jahren, bei dem sie sich den Hals eines Oberschenkels brach, hat für Monika S. (Namen von der Redaktion geändert) die Misere und der Abstieg in die Armut angefangen. Als die Fürstenfeldbruckerin, die nach dem schweren Unfall drei Monaten an Krücken gehen musste, wieder zu arbeiten beginnen konnte, ahnte sie zunächst nicht, wie sehr sie später einmal unter den Folgen zu leiden haben würde. Zuerst stellten sich, wie sie berichtet, nach und nach Haltungsprobleme und Haltungsfehler ein. Im Laufe der Zeit kamen Schäden am Knorpel hinzu. Dann ging es auch noch "mit der Arthrose los", wie die früher im Bereich der Erwachsenenbildung tätige Dozentin berichtet. Diese Folgen des Fahrradunfalls in Kombination mit Arthrose führten dazu, dass die Frau irgendwann überhaupt nicht mehr arbeiten konnte. Seit einem halben Jahr geht die 64-Jährige nun an Krücken. Den Weg von ihrer Wohnung zur Bushaltestelle schafft sie fast nicht mehr zu Fuß. Inzwischen gilt sie als arbeitsunfähig und ist Hartz-IV-Empfängerin.

"Nur nicht Hartz IV", so lautete für längere Zeit die Devise von Monika S.. Um nicht auf Geld vom Jobcenter angewiesen zu sein, schlug sich die Fürstenfeldbruckerin noch einige Zeit mit schlecht bezahlten Jobs durch. Auch als Putzhilfe versuchte sie, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Aber irgendwann ging auch das nicht mehr. Zudem verschuldete sie sich noch bei Freuden, um die Wartezeit zu überbrücken, bis das Jobcenter zahlte. Ihre Schulden stottert sie nun in kleinen Raten ab, die sie sich vom Mund abspart. Jede Ausgabe überlegt sie sich zweimal. So hat sie Freunde in München, die sie gerne besuchen würde, aber die MVV-Fahrkarte ist ihr einfach zu teuer. Um über die Runden zu kommen, deckt sich die 64-Jährige regelmäßig mit Lebensmitteln bei der Brucker Tafel der Bürgerstiftung ein. Das reiche jeweils für eine halbe Woche, sagt sie. Geld, um ihre in die Jahre gekommene, reparaturbedürftige Waschmaschine zu ersetzen, hat sie nicht. Auch einen neuen, energiesparenden Kühlschrank bräuchte sie dringend. Zu diesen Anschaffungen will der Adventskalender einen Beitrag leisten.

Im nächsten Jahr wird Monika S. eine Rente beziehen. An ihrer finanziellen Situation ändert sich damit jedoch überhaupt nichts. Da die Rente nicht ausreicht, ist sie weiterhin auf Sozialleistungen angewiesen. Nur dass das Geld dann nicht mehr vom Jobcenter, sondern vom Sozialamt kommt. Deshalb hofft die Bruckerin sehnsüchtig, dass eine anstehende Operation gelingt. Dann, so hofft sie, könnte sie nämlich wieder ohne Krücken gehen und sich etwas dazuverdienen. Entweder als Zeitungsausträgerin, was sie schon gemacht hat, oder mit einem anderen Nebenjob. "Man nimmt, was kommt", sagt die Frau. Die ehemalige Dozentin kann es sich nicht mehr erlauben, wählerisch zu sein. Schließlich mache es auch keinen Spaß, jeden Cent umzudrehen.

Als Manko empfindet es die Noch-Hartz-IV-Empfängerin, dass es keine Sozialkarten für den öffentlichen Nahverkehr gibt. "Man muss raus, man muss unter die Leute kommen", sagt sie. Stattdessen verbringt sie fast ihre ganze Zeit in ihrer Wohnung. Zum Glück liest Monika S. gerne und viel. Auch verreisen würde sie gerne, wenn überhaupt, dann reicht das Geld höchstens noch für einen Familienbesuch. Resignieren will die Fürstenfeldbruckerin trotz allem nicht. "Vielleicht geschieht ein Wunder", meint sie.

© SZ vom 05.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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