SZ-Adventskalender:Unheilbar krank

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Der Sohn von Ajdina B. wird nie ganz gesund sein

Von Florian J. Haamann

Es war im Jahr 2014 als Ajdina B. eine Entscheidung treffen musste. Ihre Heimat, der Irak, war für jesidische Christen wie sie nicht mehr sicher. Es ist das Jahr, in dem die Terrormiliz IS das Gebiet der Jesiden überfällt, Tausende tötet, verschleppt und Hunderttausende zur Flucht treibt. Zudem litt ihr Sohn an einer seltenen Krankheit: Cystinose. Seine Überlebenschancen sind auch ohne den Terror minimal. Also macht sich B. mit dem Sohn und einer ihrer Töchter auf den Weg. 27 Tage sind die zu Fuß unterwegs, harren länger als eine Woche in einem ungarischen Camp aus. Dann erreichen sie Deutschland. Seitdem leben sie in Sicherheit, dem Kind geht es gesundheitlich besser. Dennoch reicht finanziell oft nicht für das Nötigste, obwohl der mittlerweile nachgezogene Vater eine Arbeit gefunden hat. Deshalb möchte der Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung die Familie bei der Anschaffung dringend nötiger Kleidung für die vier Kinder des Paares unterstützen.

Der Vater, der vor der Flucht als Mathematiklehrer gearbeitet hat, hat bisher nur einen Aushilfsjob gefunden, natürlich in einem anderen Bereich. Viel Geld verdient er dort nicht. Auch Ajdina B. hat vor der Flucht gearbeitet, als Schneiderin. Stolz zeigt sie auf die blauen Vorhänge im Wohnzimmer. Auch Kleidung für die Kinder schneidert sie oft selbst. Auch sie würde gerne bald wieder anfangen zu arbeiten, hat gerade die erste Sprachprüfung abgelegt, plant bereits den nächsten Sprachkurs. "Ich will nicht nur zu Hause sitzen. Ich brauche den Kontakt und ich möchte nicht, dass meine Sprache einrostet", erzählt die 38-Jährige. Einen Job, den sie sich gut vorstellen könnte, ist der der Erzieherin.

Eines der monatlichen Highlights der Familie ist ein gemeinsamer Schwimmbadbesuch am Wochenende. "Wir bleiben dann mehrere Stunden, und alle sind sehr glücklich." Natürlich würde sie ihren Kindern dieses Erlebnis gerne öfter ermöglichen - aber dafür sind die Finanzen zu knapp. Um mit den Kindern schwimmen gehen zu können, hat sie extra zwei Kurse besucht. "Am Anfang hatte ich große Angst vor dem Wasser, aber mittlerweile macht es mir viel Spaß."

Eine Belastung ist die Situation des kranken Sohnes. Mehr als zwei Dutzend Tabletten muss er täglich nehmen, zweimal gespritzt werden. Dennoch ist die Mutter glücklich, dass er in Deutschland die nötige medizinische Versorgung bekommt. Ganz gesund wird er jedoch nie werden, die Krankheit ist unheilbar. Aktuell geht es darum, seinen Fuß zu retten, weil die Krankheit auf ihn übergeschlagen hat. Trotz aller Rückschläge teilt der Junge die Leidenschaft seiner Schwestern fürs Fahrradfahren. Bei jeder Gelegenheit seien die Kinder im Freien unterwegs, so die Mutter. Eine Freiheit, die erst in der neuen Heimat möglich geworden ist.

© SZ vom 30.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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