SZ-Adventskalender:Plattenwunsch

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Angelika Müller kann sich von ihrer Erwerbsminderungsrente wenig leisten

Von Kristina Kobl, Germering

Von der Wohnungstür geht es geradeaus in die kleine, gemütliche Küche - wo Angelika Müller (Name geändert) viel Zeit verbringt. Gemusterte Tapete, ein kleiner Tisch, ein Fenster zum Hof. Und eine grau melierte Arbeitsplatte, die nicht nur alt ist, sondern an den Rändern schon abblättert. "Greislig" schaue das aus, sagt die 61-Jährige. Der Adventskalender der Süddeutschen Zeitung möchte ihr die Anschaffung einer neuen Arbeitsplatte ermöglichen, die sie sich sonst nicht leisten kann.

In der Küche des Zenja kocht Angelika Müller lieber als daheim. Die Tätigkeit und der Aufenthalt dort geben ihr Halt. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Müller hat schon seit vielen Jahren Depressionen, außerdem körperliche Probleme. Verschlimmert hat sich ihr Zustand durch die Arbeit. Sie war 14 Jahre lang bei der Polizei - machte durchgehend Nachtschichten. Jede Nacht saß sie dort von 19 Uhr bis sieben Uhr morgens in der Telefonzentrale. Vor fünf Jahren war damit Schluss. "Es ging einfach nicht mehr." Gelernt hatte sie Friseurin. Die Überarbeitung bei der Polizei hatte psychische und physische Folgen, über die Müller nicht gerne spricht. Das habe sich so dahingeschlichen, mal sei es schlimmer gewesen, mal besser - ganz eigenartig. Ihr Alltag änderte sich schlagartig. Zwei Jahre kann sie gar nicht arbeiten, bis sie vor drei Jahren im Zenja eine Aufgabe findet. Sie ist eine der am längsten tätigen Mitarbeiterinnen, für ihre Chefin ist sie eine große Unterstützung. Diese hofft darauf, dass Müller bis zur Altersrente bleibt.

Bis dahin bekommt sie Erwerbsminderungsrente, nicht besonders viel, da sie nicht lange genug am Stück gearbeitet hat. Eine neue Arbeitsplatte ist schon lange notwendig, sie hat sich schon eine ausgesucht, in weinrot. Doch die Kosten dafür kann sie nicht allein aufbringen. Ihr Wochenbudget liegt bei etwa 65 Euro, Geld ansparen ist damit kaum möglich.

Im Café Zenja kann sich Müller etwas dazuverdienen, doch viel wichtiger als das Geld ist für sie die Tagesstruktur. Seit drei Jahren ist sie schon dabei und hilft täglich zwei Stunden in der Küche. Dort kocht es sich auch besser als zu Hause - am liebsten Semmelknödel mit Schwammerl und Sahnesauce.

Seit 15 Jahren wohnt Müller alleine in ihrer Wohnung. Das ganze Wohnzimmer ist mit selbstgetöpferten Dingen dekoriert: vom Töpferkurs, den sie jeden Montagabend besucht. Sie zeigt eine orangefarbene Schüssel und eine aufwendig gestaltete Blumenvase, lächelt bescheiden und zuckt mit den Schultern. Das Töpfern macht ihr Freude. Aber es ist keine leichte Kunst: "Wenn man nicht weiter weiß, hilft die Töpferlehrerin." Dienstagabends geht sie zu einem Kaffeetreff in die Kirche. Dort werden Gesellschaftsspiele gespielt - Mensch ärgere dich nicht zum Beispiel. Weihnachten feiert sie mit einem Bekannten. Einsam ist sie also nicht: "Ich hab' schon sehr nette Leute um mich herum." Früher ging sie morgens um sieben ins Bett. Jetzt ist ihre liebste Tageszeit der Nachmittag. Wenn sie von der Arbeit nach Hause kommt und sich ein wenig Ruhe gönnt. Sie macht den Eindruck, mit ihrem bescheidenen Leben zufrieden zu sein. Im Zenja-Projekt, da gehe es ihr "eigentlich ganz gut".

© SZ vom 21.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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