SZ-Adventskalender:600 Euro Rente nach einem harten Arbeitsleben

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SZ Adventskalender Germering Wolfgang Fricke (Foto: Carmen Voxbrunner)

Wolfgang F. hat Maurer gelernt und auf dem Bau gearbeitet. Jetzt ist er krank und auf die Germeringer Tafel angewiesen.

Von Andreas Ostermeier, Germering

Von seinem arbeitsreichen Leben sind Wolfgang F. viele Erinnerungen geblieben, aber nur eine kleine Rente. 600 Euro bekommt der 73 Jahre alte Mann im Monat, dabei hat er ein Leben lang regelrecht geschuftet, hat auf dem Bau gearbeitet, Zementsäcke geschleppt, Verschalungen angebracht, mit Eisen gearbeitet. "Bis die Fingerkuppen bluteten", erzählt er. Die gesundheitlichen Folgen seines Arbeitslebens sind ihm anzusehen, mit dem Gehen tut er sich schwer, er leidet unter Durchblutungsstörungen und an einer chronischen Erkrankung. Auf dem kleinen Tisch in seinem Ein-Zimmer-Apartment liegen etliche Packungen Tabletten.

Vorstellung im Kopfkino

Er lebe viel in seinen Erinnerungen, sagt F. und spricht von seinem "Kopfkino". Abends ist er selten weg, meist sitzt er zu Hause. Dann ist Vorstellung - im Kopfkino. Unterstützt wird dieses Kino von einer Menge Fotos, die sich der 73-Jährige gern anschaut. Es sind Bilder von Reisen - bevorzugt in asiatische Länder - und Naturaufnahmen. Viele Fotos hat er mit einer kleinen Digitalkamera gemacht. Die ist aber kaputtgegangen. Das trifft ihn, weil er doch so gern fotografiert. Die Fotografien sind ja Stützen seiner Erinnerungen. Sein größter Weihnachtswunsch ist deshalb eine neue Kamera. Im Frühjahr, wenn die Farben in die Natur zurückkehren, möchte er gern wieder Bilder machen.

F. stammt aus dem Ruhrgebiet. Er hat sich hochgearbeitet. Nach einer von Gewalt geprägten Kindheit hat er auf dem Bau angefangen und eine Maurerlehre gemacht. Später hat er den Meistertitel erworben - die Urkunde aus dem Jahr 1986 liegt zusammengefaltet in einem kleinen Schrank. Er zeigt sie stolz her. In ganz Deutschland hat er gearbeitet, und auch im Ausland. Im Irak hat er geholfen, eine Wasseraufbereitungsanlage für Tikrit zu errichten, damit die Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt mit Trinkwasser aus dem Fluss Tigris versorgt werden konnten. Die Stadt ist der Geburtsort von Saddam Hussein. F. lernte den irakischen Diktator während der Bauzeit kennen. Später hat er beim Bau einer weiteren Wasseraufbereitungsanlage in Kolumbien mitgearbeitet.

F. ist viel herumgekommen. Besonders wohlgefühlt hat er sich in Asien, vor allem in Vietnam. Schlangen und Skorpione habe er dort gegessen, erzählt er - und viele Fotos gemacht, die seine Erinnerungen beflügeln. In Vietnam hat er auch die Masken und Schnitzereien erworben, die an den Wänden seiner kleinen Wohnung hängen. "Das Leben ist doch schön", sagt er, wenn er von seinen Reisen berichtet.

Ein Schiff auf der Elbe

Doch nicht immer war das Leben für F. schön. Die Zusammenarbeit mit einem Bauträger hat ihn um sein Geld gebracht. Der Bauträger machte Konkurs. "Ich bin aufs Kreuz gelegt worden", sagt F. Einige Zeit hat er auch ein Lokal besessen, das er mit seiner Partnerin betrieb. Das Lokal hatte etwas Besonderes, es befand sich auf einem Schiff, das auf der Elbe lag. Doch getragen hat sich die Unternehmung auf Dauer nicht. Am Ende stand die Trennung von der Partnerin und dem Schiff.

Mitte der Siebzigerjahre kam F. nach München. Dort hat er die auf zahlreichen Baustellen gearbeitet und später die Meisterschule absolviert. Ein wenig fehle ihm die Gemütlichkeit, die er aus Unna kenne, seiner Geburtsstadt. Anschluss zu finden, das sei in München schwieriger als dort, wo er herkomme, sagt er. Doch allein ist er nicht. "Mein Nachbar ist mein bester Freund."

Gemüse aus eigener Zucht

Willkommen fühlt er sich bei der Germeringer Tafel. Die Leute dort seien "immer freundlich" und sagten niemals "Nein", erzählt er anerkennend. Die Tafel ist für ihn ein Ankerpunkt in der Woche. Dort bekomme er bessere Lebensmittel, als er sie sich leisten könne, wenn er mit seinem wenigen Geld einkaufen müsste, sagt er. Das gilt erst recht, seit alles wegen des Kriegs in der Ukraine teurer geworden ist. "Im Laden muss ich auf jeden Cent achten." Das, was er bei der Tafel bekommt, ergänzt er mit Gemüse aus eigener Zucht. Es ist ihm wichtig, mit frischen Sachen zu kochen. Auf dem Fensterbrett steht eine Tomatenpflanze. "Die Tomaten werden noch richtig rot", ist er sicher. Auch den Balkon nutzt er, um Gemüse zu züchten.

An München und Umgebung gefällt ihm besonders die Natur. "Die Berge sind das Schönste, was es gibt." Deshalb ist er so oft draußen, wie es sein Zustand und die Witterung zulassen, sammelt Eindrücke und Erlebnisse, und würde gern wieder Fotos machen - für die Abende, an denen das Kopfkino öffnet und einen Film aus den Erinnerungen spielt.

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