NS-belastete Straßennahmen:Trauerspiel mit Fortsetzung

Lesezeit: 1 min

Fünf Jahre Debatte im Stadtrat und eine Entscheidung später: Die Namen sollen bleiben. (Foto: Stefan Salger)

Warum es falsch ist, dass der Fürstenfeldbrucker Stadtrat weiterhin Straßen nach NS-Tätern benannt haben will.

Kommentar von Peter Bierl

Die Mehrheit des Brucker Stadtrates lehnt es ab, NS-belastete Straßennamen zu ändern. Man dürfe die Vergangenheit nicht unter den Teppich kehren. Deshalb müssten die Schilder bleiben, um Informationstafeln ergänzt. Was auf den ersten Blick ehrenwert scheint, ist in Wahrheit perfide. Ginge es der Mehrheit um Aufklärung, müsste sie alle problematischen Straßenpatrone einbeziehen: Jene, die im Lauf des jahrelangen Eiertanzes weißgewaschen wurden, etwa Wehrwirtschaftsführer Willy Messerschmitt, der die Zwangsarbeit von KZ-Opfern befürwortete, und andere, die gar nicht erst zur Debatte standen, wie Richard Wagner, den wirkmächtigsten Antisemiten des 19. Jahrhunderts. Davon war aber keine Rede.

Außerdem könnte man Straßenschilder austauschen und trotzdem Tafeln aufstellen, die auf die Schandtaten früherer Namensgeber hinweisen. Denn die Benennung einer Straße nach einer Person ist und bleibt eine Ehrung, so sehr manche diesen Umstand verdrehen. Jeder kann selber einen kleinen Test machen: Wer möchte eine Beate-Zschäpe-Straße ausweisen, damit die Mordserie des NSU nicht vertuscht wird?

Das Trauerspiel wird fortgesetzt. Denn über den Inhalt der Informationstafeln lässt sich lange streiten, wenn manche Stadträte eine "Ambivalenz" der Täter behaupten und gute und schlechte Seiten aufgeführt haben wollen. Ohne Geschichtsklitterung ließe sich über einen Julius Langbehn nur schreiben: Verkrachte Existenz und schwülstiger Dichter, der zum Judenmord aufrief.

Es geht nicht um Aufklärung, sondern diese Stadträte verstecken sich hinter den Informationstafeln. Einige wollen Messerschmitt wegen der Kabinenroller und Wernher von Braun wegen der Mondlandung ehren, die anderen sind eingeknickt vor den Unbelehrbaren. Vor jenen, die Hasspredigten und Verbrechen verdrängen, nicht als solche begreifen oder gar rechtfertigen, wie jener Mann auf der Anwohnerversammlung in Puch, der an Langbehns Rassenlehre nichts falsch finden konnte.

© SZ vom 27.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: