Statistik:Weniger Verkehrstote, mehr Anzeigen

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In der Pandemie bleiben viele Menschen zu Hause. In der Folge kommt es zu weniger Unfällen. Die Polizei hat dennoch viel zu tun, um Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz zu ahnden

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Die Pandemie wirkt sich auch auf die Unfallstatistik der Polizei aus: 2020 könnte als Rekordjahr in die Geschichte eingehen, gab es doch fast 20 Prozent weniger Verkehrsunfälle - weil weniger Menschen auf den Straßen unterwegs waren. Das bestätigen die Sprecher der drei Polizeiinspektionen in Fürstenfeldbruck, Germering und Olching.

"Wir haben weniger Verkehrsunfälle, weil die Leute weniger unterwegs sind", unterstreicht der stellvertretende Leiter in Germering, Andreas Ruch. Untermauert wird der Eindruck von den offiziellen Zahlen, die das für den Landkreis zuständige Polizeipräsidium Oberbayern Nord veröffentlicht hat. Es meldet einen Rückgang bei den Verkehrsunfällen um 19,1 Prozent. Es schreibt, dass "das Jahr 2020 Anwärter für das Jahr mit den wenigsten Verkehrstoten seit Einführung der bundesdeutschen Unfallstatistik 1953 ist". Wegen Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen, Lockdown, Homeschooling und Homeoffice waren 2020 viel weniger Menschen unterwegs. Im Landkreis Fürstenfeldbruck ist die Gesamtzahl der Unfälle von 5459 im Jahr 2019 auf 4672 im Folgejahr gesunken. Die Zahl der Verletzten sank im gleichen Zeitraum von 921 auf 811, die der Unfalltoten von fünf auf drei. Praktisch in allen Bereichen, von Unfallfluchten bis zu überhöhter Geschwindigkeit, war die Entwicklung rückläufig. Bis auf eine Ausnahme: Bei den alkoholbedingten Crashs verzeichnet das Präsidium einen Anstieg von 48 auf 76; das sind 58,3 Prozent mehr. Ruch hat dafür eine Erklärung: "Die Leute trinken zu Hause mehr Alkohol." Und eine weitere Besonderheit hat er in Germering ausgemacht. Die Zahl der Fahrradunfälle ist um 38 Prozent gestiegen, von 52 auf 72. Kurios dabei: In 48 Fällen verursachte ihn der Fahrradfahrer selbst. In 32 Fällen folgte ein Sturz - ohne Fremdbeteiligung. Ruchs Erklärung: "Das deutet darauf hin, dass die Leute wenig geübt sind."

Die Polizei war zwar 2020 weniger mit Verkehrsdelikten beschäftigt, dafür kamen durch die vielen neue Regelungen des Infektionsschutzgesetzes andere Aufgaben hinzu. So müssen die Beamten die Einhaltung der Maskenpflicht und des Mindestabstands überwachen sowie - so lange sie galt - die nächtliche Ausgangssperre. "Da sind ganz neue Aufgaben auf uns zugekommen", betont Ruch. Dem Landratsamt liegen bislang (Stand Anfang März) 1905 Anzeigen wegen Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz vor. Davon hat die Behörde bislang in 706 Fällen Bescheide ausgestellt, die restlichen etwa 1200 Anzeigen werden noch bearbeitet. 59 Personen haben den bislang ausgestellten Bescheiden widersprochen. Wie das Landratsamt mitteilt, prüft die Behörde in diesen Fällen noch einmal, ob tatsächlich ein Verstoß vorliegt. Kommt sie zu diesem Ergebnis, wird die Anzeige der Staatsanwaltschaft übermittelt.

Oder die Anzeigen enden, so wie die 165 Fälle, in denen das Landratsamt keinen Verstoß erkennen konnte. Bemerkenswert ist die Summe der Bußgelder, die das Landratsamt bislang erhoben hat. Knapp 150 000 Euro wurden seit März 2020 in Rechnung gestellt. Das Verlassen der Wohnung ohne triftigen Grund macht mit 130 700 Euro den weitaus größten Posten aus. In 20 Fällen wurde das Bußgeld in Sozialstunden umgewandelt, weil Heranwachsende mit geringen finanziellen Mitteln betroffen waren. Die Zahl der Unter-21-Jährigen macht mit 776 insgesamt etwas mehr als ein Drittel aus. Die Höhe des Bußgelds liegt für die meisten Verstöße bei 250 Euro, lediglich das Ignorieren der Ausgangssperre (die derzeit nicht mehr gilt) wird mit 500 Euro geahndet.

Regelmäßig wurde die Polizei verständigt, um vermeintliche oder echte Verstöße zu melden. In Germering gab es offenbar besonders viele solcher Anrufe - vor allem wegen spielender Kinder und Jugendlicher habe die Toleranz spürbar abgenommen, heißt es dort. Würden Leute einen vermeintlichen Verstoß beobachten, "wird uns das gleich mitgeteilt, das ist schon so eine Mentalität, die während der Corona-Zeit vermehrt auftaucht." Manche Verstöße wären sonst wohl auch unentdeckt geblieben, wie das Treffen einer Handvoll Über-50-Jähriger in einem Hinterhof an einem Februarwochenende.

© SZ vom 12.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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