German Speed Masters:"Bei den Zuschauerzahlen können wir nicht mehr mithalten"

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Kampf um jeden Zentimeter (von links): Erik Bachhuber, Rene Deddens, Szymon Szlauderbach und Julian Bielmeier (Foto: Tom Schueler/oh)

3000 Besucher wollen an Fronleichnam das Speedwayrennen in Olching sehen. Das sind lange nicht so viele wie früher. Rekonvaleszent Martin Smolinski, der sich als Interviewer die Zeit vertreibt, findet das Interesse ganz passabel.

Von Karl-Wilhelm Goette, Olching

Das Dröhnen der Motoren überzieht ganz Olching. Nach drei Jahren Pause findet an Fronleichnam endlich wieder Profi-Speedway in der Amperstadt statt. Olching und die inzwischen 72-jährige Speedway-Tradition sind seit Jahrzehnten ein Synonym. Etwa 3000 Zuschauer sorgen beim Motorsport-Club Olching (MSCO) für gute Laune. Das Rennen ist jetzt Teil einer neuen dreiteiligen Veranstaltungsserie und heißt nun German Speed Masters (GSM). Die Speedwayfans genießen die stundenlange Jagd im 390-Meter-Speedway-Oval, auch wenn oder gerade weil ihnen endlich wieder der Sand um die Ohren fliegt. Gleich nebenan vergnügen sich bei Sonnenwetter auch noch gut tausend Volksfestbesucher.

"Vollen Nervenkitzel" verspricht MSCO-Vorsitzender Stefan Ehrnböck den Zuschauern. So kommt es dann auch. Die 16 Matadoren, darunter mit der 20-jährigen Celina Liebmann aus Kalteneck in der Nähe von Wasserburg auch eine Frau, stürzen sich schon in den Vorläufen genauso mutig wie waghalsig Motorrad an Motorrad in die erste Linkskurve und in die vier jeweils zu absolvierenden Runden. "Let's get ready to rumble", begleitet der Stadionsprecher Philipp Schmuttermayr dann auch den Start passend. Die Motoren der jeweils vier Starter heulen zehn Sekunden vor dem Start auf, die vier "Start-Girls" in ihren Ganzkörper-Overalls bringen sich in Sicherheit und dann schnellt das Startband hoch. "Er muss beim Start weiter vorne sein", sagt Robert Barth nach dem zweiten Rennen des Olchingers Erik Bachhuber. "Sonst kommt er nicht mehr nach vorne."

Das schafft der 18-jährige Lokalmatador auch im dritten und vierten Vorlauf nicht und sitzt danach mit verzweifeltem Gesicht in seiner Box im Fahrerlager. Barth, ein ehemaliger Olchinger Speedway-Champion, baut die Motoren für Bachhuber. Das "Team Bachhuber" ist quasi ein Familienbetrieb in Sachen Speedway für ihren Sohn. Papa Stefan Bachhuber, ebenfalls ein ehemaliger Rennfahrer, ist der Mechaniker, Mutter Diana wuselt ebenfalls herum, füllt Benzin nach und kümmert sich um alles andere. Zwei Motorräder stehen für Erik bereit, beide haben noch nicht zum gewünschten Erfolg beigetragen. Der erfolgreiche Junior Bachhuber landet bei den Profis schließlich auf Platz zwölf. "Seine Zeit wird kommen, ihm fehlt noch die Erfahrung", sagt Olchings langjähriges Speedway-Aushängeschild Martin Smolinski zum Trost.

Alle ganz oben (v.l.): der Zweitplatzierte Norick Blödorn, Sieger Andzejs Lebedevs und der Drittplatzierte Mads Hansen (Foto: Niklas Breu/oh)

Wer hinten fährt, bekommt immer wieder die volle Ladung Sand und Dreck ab. Der rote Spezialsand wird extra aus dem Elsass geliefert. Während Erik Bachhuber nach jedem Rennen den Sanddreck von seinem Anzug abbürsten muss, sitzt Andzejs Lebedevs nebenan ganz entspannt in seiner Box und gibt auch zwischen den Vorläufen immer wieder bereitwillig Interviews. Auf dem Rennanzug des 27-jährigen Letten ist kein Staubkörnchen auszumachen, fährt Lebedevs jedes Rennen mit 85/86 Stundenkilometern als Sieger von vorne. Am Ende gewinnt er souverän die Einzelwertung vor dem 18-jährigen Norick Blödorn aus Neumünster und dem Dänen Mads Hansen. Lebedevs, Europameister von 2017, ist seit elf Jahren Speedway-Profi. In Olching ist der Blondschopf erstmals dabei. "Ich probiere hier einiges aus", sagt er. Wichtiger für ihn sei das EM-Qualifikationsrennen zwei Tage später in Slowenien. Er fährt vor allem in der polnischen Liga. "Die ist der Gradmesser für jeden Speedwayfahrer", bekräftigt Lebedevs. "Bist du dort gut, bist du überall gut."

Auch Martin Smolinski, 37, kennt die polnische Liga. Der Langbahn-Weltmeister von 2018 kennt alle Speedwaybahnen auf der Welt. Nach einer Hüftoperation vor sechs Wochen bewegt er sich humpelnd, aber erstaunlich schnell durchs Fahrerlager. Von notwendiger Schonung ist bei ihm nichts zu spüren. In der Hand hält er stets ein Mikrofon und sucht ständig Interviewpartner. Übertragen werden die aufschlussreichen Smolinski-Gespräche mit den Fahrern ins weite Rund des Stadions. "Klar, wir sind eine Randsportart", sagt der bekannteste Olchinger Speedwayfahrer der SZ. "Doch welche Sportart bringt im Landkreis 3000 Zuschauer ins Stadion?" Da schwingt natürlich verständlicher Stolz mit. Doch die alten Zeiten kommen auch in Olching, als sich nach zwei Rennstunden der Sandstaub wie Nebel über die nahe Amper legt, nicht zurück. 18 000 Zuschauer kamen vor 50 Jahren ins Stadion, als das Speedway-Weltfinale für Mannschaften hier ausgetragen wurde. "Bei den Zuschauerzahlen können wir mit Ostdeutschland nicht mehr mithalten", bedauert MSCO-Chef Ehrnböck dann auch. Dort seien die Besucherzahlen schon mal fünfstellig. Doch nach den gravierenden finanziellen Ausfällen in der Coronazeit kam auch in Olching endlich wieder ein mittlerer Geldsegen in die Vereinskasse.

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