Start ins neue Schuljahr:Lehrermangel verschärft sich

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Die meisten Kinder fiebern ihrem ersten Schultag entgegen. Doch an vielen Schulen herrscht Personalmangel. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Wie nie zuvor fehlen den Schulen Pädagogen. Zusatzangebote fallen deshalb aus. Im schlimmsten Fall müssen Klassen zusammengelegt werden.

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Schon zu Schuljahresbeginn spitzt sich die Lage zu. Lehrpersonal ist knapp, auch an den Schulen im Landkreis Fürstenfeldbruck. Händeringend suchen Schulleiter und Schulamt nach Lehrerinnen und Lehrern. Die mobile Reserve, die an den Grund- und Mittelschulen eigentlich, wie der Name schon sagt, als Reserve für besondere Krankheitsausfälle vorgesehen ist, ist schon fast aufgebraucht, noch ehe das Schuljahr überhaupt begonnen hat. Darüber hinaus müssen die Schulen auch Corona noch weiter ins Kalkül ziehen und im an diesem Dienstag beginnenden Unterrichtsjahr die Integration von ukrainischen Schülerinnen und Schülern organisieren.

Am stärksten vom Lehrermangel betroffen sind Grund- und Mittelschulen. Deren Lehrkräfte verdienen weniger als ihre Kollegen an den weiterführenden Einrichtungen. Eine Schulleiterin aus dem Landkreis fordert deshalb dringend die Anpassung der Gehälter. "Angespannt wie noch nie" nennt die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) die Lage an den Schulen in Bayern. Teilzeitlehrkräfte zur Erhöhung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit zu bewegen, davon hält die GEW jedoch nichts. Aus guten Gründen würden diese Kräfte in Teilzeit arbeiten, "entweder weil sie Kinder erziehen, Angehörige pflegen oder um sich selbst in diesem fordernden Beruf gesund zu erhalten", sagt Florian Kohl, stellvertretender Landesvorsitzender der GEW. Genau das aber tun die Verantwortlichen. Würden sämtliche Teilzeitkräfte unter den Lehrern Vollzeit arbeiten, "dann hätten wir kein Problem", sagt Thomas Frey, Leiter des Schulamts Fürstenfeldbruck. Vielfach kommen Teilzeitkräfte dem Wunsch nach Mehrarbeit nach. Es sei eine "unglaubliche Bereitschaft zu erkennen", betont Frey und nennt als Beispiel eine Kollegin, die ihre Arbeitszeit sogar um die Hälfte erhöht hat und damit auch ihre eigene Lebensplanung und Kinderbetreuung umbauen musste. Das zeuge von großer Professionalität.

Schulamt und Schulleitungen sind laufend mit Personalakquise beschäftigt

Aus dem Kultusministerium heißt es in einer Pressemitteilung, die Schülerzahlen seien zum neuen Schuljahr angestiegen, und das führe "zwangsläufig zu höheren Bedarfen an Lehrpersonal". Im Landkreis Fürstenfeldbruck werden an 42 Grund- und Mittelschulen und 18 weiterführenden Schulen etwa 27 600 Schülerinnen und Schüler unterrichtet.

Das Bemühen von Schulamt und Schulleitungen um die Rekrutierung neuer Kräfte ist erkennbar. Dennoch sind ausgebildete Pädagogen kaum zu finden, und so bemühen sie sich um Substitutionskräfte ohne Lehramtsstudium. Simone Fleischmann, Präsidentin des BLLV, aber ist sich sicher, dass "Schülerinnen und Schüler sofort merken, ob der Mensch, der jetzt hier im Unterricht mit mir gemeinsam lehrt und lernt, ein ausgebildeter Pädagoge ist oder ein Fachmann in seinem Fachgebiet". Auch Walter Zellmeier, Leiter des Viscardi-Gymnasiums in Fürstenfeldbruck, ist schon geraume Zeit mit der Personalakquise beschäftigt. Er sucht den Markt vor allem nach Deutsch-, Biologie-, Chemielehrern ab und auch solchen, die es noch gar nicht sind. Er hatte auch schon Studenten im Einsatz. Die Zahl der Verträge, die Zellmeier mit Aushilfslehrkräften schließt, hat sich mittlerweile verdoppelt.

Die mobilen Reserven sind schon fast aufgebraucht

An den Grund- und Mittelschulen gibt es mit den sogenannten mobilen Reserven eigentlich einen Pool, der Krankheitszeiten oder den Ausfall schwangerer Lehrerinnen (die seit Corona nicht mehr im Präsenzunterricht eingesetzt werden dürfen) überbrücken helfen soll. Bis auf vielleicht zehn Prozent der Stunden ist die mobile Reserve, über die das Schulamt Fürstenfeldbruck verfügt, "schon komplett zusammengeschmolzen", sagt Thomas Frey. Fallen noch mehr Lehrerinnen schwanger aus oder entsteht eine Grippewelle, "dann kommen wir an die Grenzen". In dieser Größenordnung, sagt er, habe er den Mangel noch nicht erlebt.

Die Folge? Dann müssen laut Frey schulinterne Maßnahmen ergriffen und zum Beispiel Unterrichtsstunden oder Klassen zusammengelegt werden. In der Vergangenheit musste man das in Einzelfällen schon tun. Aus den Mittelschulen ist zu hören, dass dann in der einen oder anderen Klasse bis zu 32 Kinder sitzen. Frey, der den Überblick hat über die Grund- und Mittelschulen, ist eher pessimistisch: Von den Schuljahresverläufen wisse man, dass es Krankheitswellen ebenso wie weitere Schwangerschaften geben werde. Er weiß auch, dass die Aussicht "Untersicherheit bei den Eltern erzeugt". Er hoffe deshalb auf "größtmögliches Verständnis".

Wenn die Lehrer fehlen, dann werden zunächst Zusatzangebote wie etwa Arbeitsgemeinschaften oder differenzierter Unterricht gestrichen. Dafür gebe es "keine nennenswerten Kapazitäten", sagt Frey. So kann die kooperative Sprachförderung, die an der Theresenschule in Germering zur Prävention von sprachlich bedingten Entwicklungs- und Lernstörungen bei Schulanfängern eingesetzt wurde, nicht mehr angeboten werden. Diese und ähnliche Angebote wurden über Jahre hinweg aufgebaut, seien dabei zur Selbstverständlichkeit geworden, weiß Frey. Man habe sich daran gewöhnt, deshalb sei es schwierig, sie aufzugeben. Andere auf der Kippe stehenden Angebote wie etwa die Bandklassen an der Mittelschule Türkenfeld, die Flötenklassen an der Kleinfeldschule in Germering oder die Bläserklasse an der Philipp-Weiß-Schule in Fürstenfeldbruck können immerhin durch Stundenaufstockungen von Teilzeitkräften für das anstehende Schuljahr gerettet werden.

Eine weitere Aufgabe für die Schulen ist die Integration ukrainischer Kinder

Neben dem Anwerben von Lehrern für den normalen Unterricht müssen sich die Schulen auch um solche kümmern, die im neuen Schuljahr für die Beschulung ukrainischer Kinder benötigt werden. Die gehen, wenn sie noch klein und länger als drei Monate im Land sind, an die Grundschule am Wohnort. Jene, die zwischen zehn und 15 Jahre alt sind - 312 sind es im Landkreis - wurden zwischenzeitlich in 15 sogenannten Brückenklassen auf Mittel-, Realschulen und Gymnasien verteilt. Nach einem Schuljahr wird es dann ein Gutachten geben, welche Schulform die Buben und Mädchen aus der Ukraine danach besuchen sollen. Zunächst sollen sie vor allem Deutsch lernen. 19 Wochenstunden seien dafür eigentlich vorgesehen, sagt Frey, lediglich 13 Stunden kann er bislang anbieten. Weil er nur drei Lehrkräfte für die sechs Brückenklassen an den Mittelschulen hat.

Und dann ist da ja auch noch Corona. Einschränkungen gibt es derzeit nicht, aber Empfehlungen von Seiten des Kultusministeriums. Wie das Maskentragen in Innenräumen oder Corona-Selbsttests, die die Schulen in den ersten beiden Unterrichtswochen ausgeben können, damit sich die Schüler freiwillig zu Hause testen können. Zu den Tests rät auch Schulamtsleiter Frey, gerade nach den Sommerferien: "Das wäre ein solidarischer Akt". Und natürlich: bei Symptomen nicht in die Schule gehen. Schulleiter Walter Zellmeier erlebt seine Lehrkräfte diesbezüglich als vorsichtig, die Hälfte trage ohnehin Maske. 16 000 Corona-Tests hat er noch an seiner Schule vorrätig. Er weiß das genau, weil er Anfang August die Zahl der Tests samt Herstellerangabe und Verfallsdatum dem Kultusministerium melden musste.

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