Rettungsdienst:Besserer Schutz für Retter

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Notfallsanitäter erlernen alles, um auch Schwerverletzten kompetent Hilfe leisten zu können. Durch eine Gesetzesänderung haben sie nun mehr Rechtssicherheit. Das BRK begrüßt dies

Von Andreas Ostermeier, Fürstenfeldbruck

Etwa drei Dutzend Notfallsanitäter gibt es beim Roten Kreuz (BRK) im Landkreis. Sie alle, ebenso wie die gleich ausgebildeten Retter von Maltesern und Johannitern, erhalten mehr Spielraum für die Anwendung ärztlicher Maßnahmen während eines Rettungseinsatzes. Eine Gesetzesänderung gibt ihnen die Möglichkeit dazu. Damit können Notfallsanitäter schneller reagieren, was vor allem Schwerverletzten nutzt, und sind rechtlich besser geschützt als bisher, wenn sie durch ihr Handeln Gefahren für Leib und Leben eines Verletzten abwenden.

Klaus Hartmann, Leiter des Rettungsdiensts des Roten Kreuzes in Fürstenfeldbruck, bewertet die Gesetzesänderung positiv. Er selbst hat sich viele Jahre dafür eingesetzt, dass Rettungssanitäter mehr Ausbildung und ein festes Berufsbild bekommen. Mit der Ausbildung zum Notfallsanitäter, die es seit Anfang 2014 gibt, haben die Bemühungen zur besseren Ausbildung von Sanitätern ihr Ziel erreicht.

Die so ausgebildeten Frauen und Männer dürfen an Verletzten lebenserhaltende Eingriffe vornehmen, wenn sich kein Notarzt an der Einsatzstelle befindet. Zu diesen Eingriffen gehören auch die sogenannten invasiven Maßnahmen, die ansonsten nur Ärzten vorbehalten sind. So dürfen Notfallsanitäter Verletzte intubieren, also einen Beatmungsschlauch durch Nase oder Mund bis in den Rachen oder die Luftröhre einführen, um die Atmung eines Patienten aufrecht zu erhalten. Üblicherweise werden Intubationen von Anästhesisten vorgenommen. Auch das Legen einer Nadel als Zugang von Medikamenten in die Blutbahn nennt Hartmann als Beispiel für eine invasive Maßnahme. Ein Verzeichnis von 15 solcher invasiver Maßnahmen führt der Deutsche Berufsverband Rettungsdienst (DBRD) an.

Lebenserhaltende Eingriffe durch Rettungspersonal gab es auch bislang schon. Doch bislang durften Notfallsanitäter nicht eigenverantwortlich handeln, sondern mussten, ebenso wie Rettungsassistenten, ihr Handeln mit dem Notstand gemäß Paragraf 34 des Strafgesetzbuches rechtfertigen. Sie hatten abzuwägen, ob ihr Tun angemessen zur Gefahrenabwehr ist und die Vorteile die Nachteile überwiegen. Wie der Verweis auf das Strafgesetzbuch zeigt, waren sie dabei aber immer in Gefahr, sich vor Gericht rechtfertigen zu müssen. Damit ist es jetzt vorbei. Nun haben die Sanitäter mehr Rechtssicherheit im Einsatz.

Dass Notfallsanitäter nun rechtlich besser gestellt sind, begrüßen der stellvertretende Leiter des Rettungsdienst im BRK, Max Bolsinger, und Rettungsdienstleiter Klaus Hartmann. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Hartmann erzählt, auch er habe bisweilen Verletzte intubiert. Zu Zwischenfällen sei es nie gekommen, sagt er: "Ich habe mich nie rechtfertigen müssen." Doch diese Fälle gab es. Max Bolsinger, Stellvertreter von Hartmann an der Spitze des Brucker Rot-Kreuz-Rettungsdiensts, ist Jurist. Während seiner Mitarbeit in einer Kanzlei hat er über die Schwierigkeiten der Retter in Notfallsituationen auch in einer juristischen Zeitschrift geschrieben. Zusammen mit einem Rechtsanwalt griff er den Fall eines Sanitäters auf, der in einer Notfalllage ein Medikament verabreicht hatte. Deshalb wurde er laut Bolsinger entlassen. Vor dem Arbeitsgericht klagte er gegen seinen Arbeitgeber.

Das neue Gesetz, das nur noch die Unterschrift des Bundespräsidenten benötigt, soll solche Fälle verhindern. Es schreibt aber vor, dass die Notfallsanitäter nur solche heilkundlichen Maßnahmen anwenden dürfen, die sie erlernt haben und beherrschen. Dass die Helfer das Richtige lernen, dafür ist die Ausbildungszeit auf drei Jahre festgelegt worden. In dieser Zeit besuchen die angehenden Notfallsanitäter ein Jahr lang eine Schule, die beiden anderen Jahre arbeiten sie in einer Klinik und in einer Lehrrettungswache. Drei Lehrrettungswachen des Roten Kreuzes gibt es im Landkreis, in Fürstenfeldbruck, Germering und Türkenfeld. Auf diese Weise sollen die angehenden Notfallsanitäter genug Theorie und Praxis erlernen, um beispielsweise Brand- oder Unfallverletzten kompetent helfen zu können und Lebensgefahr oder wesentliche Folgeschäden für ihre Patienten abzuwenden, wie es im Gesetz heißt.

Wissen und Praxis müssen aber auch nach dem Examen ständig geschult werden. Bolsinger unterrichtet selbst an der Berufsfachschule für den Nachwuchs im Rettungsdienst. Er hält die ständige Fortbildung der Retter für notwendig. Schließlich müssten diese die heilkundlichen Maßnahmen, die eigentlich einem Arzt vorbehalten sind, sicher beherrschen. Dazu sollte man die verschiedenen Maßnahmen 100-mal im Jahr üben, sagt Bolsinger, ebenso wie ein Pilot, der jährlich eine bestimmte Anzahl von Flugstunden nachweisen muss, um seinen Pilotenschein behalten zu dürfen. Bolsinger will deshalb Trainingscamps für die BRK-Sanitäter organisieren.

Die Ausweitung der Befugnisse der Notfallsanitäter ist für Bolsinger sinnvoll, weil nicht mehr auf jedem Rettungswagen ein Notarzt mitfahren kann. In etlichen, oft ländlichen Gegenden brauche der Notarzt lange Zeit, bis er bei einem Verletzten ankomme, sagt Bolsinger. Und er nennt als Beispiel die Schweiz, die bereits ein Notfallrettungssystem hat, in dem die Erstversorgung und der Transport von Verletzten in die Klinik vollkommen ohne Notärzte abläuft. Der DBRD würdigt die Gesetzesnovelle als Ausdruck der Wertschätzung für das Sanitätspersonal.

An der Ausbildung und Stellung von Notfallsanitätern wird aber auch die zunehmende Professionalisierung des Rettungswesens deutlich. Bis Ende der Achtzigerjahre, so sagt es Hartmann, habe der Rettungssanitäter keine höhere Qualifikation besessen. Vorgeschrieben war lediglich eine Ausbildung von drei Monaten. Nach den Forderungen von Sanitätern und ihres Berufsverbands ist zu Beginn der Neunzigerjahre die Qualifikation eines Rettungsassistenten eingeführt worden. Der Assistent war der erste staatlich anerkannte Beruf im Rettungsdienst. Berufsinteressenten erhielten eine zwei Jahre dauernde Ausbildung in einer speziellen Schule sowie auf einer Rettungswache. Diese Qualifikation lässt sich nicht mehr erwerben. An ihre Stelle trat der Notfallsanitäter, dessen Ausbildung drei Jahre dauert.

© SZ vom 20.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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