Kultur-Sommer Gröbenzell:Kraftvolle Gelassenheit

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Mehr als 1500 Menschen hat Rainhard Fendrich im Juli zum Stockwerk Open-Air gelockt. Nun geht es dort mit dem Herbstprogramm weiter. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Rainhard Fendrich präsentiert sich in Gröbenzell mit vitaler Nonchalance und gibt nicht weniger als sieben Zugaben.

Von Karl-Wilhelm Götte, Gröbenzell

Nach 90 Minuten hält es die Fendrich-Fans nicht mehr auf ihren Stühlen. Beim Ohrwurm "Blond wie eine Semmel sein, und Blondinen, sagt man, machen Männer froh", strömen sie vor die Bühne am Gröbenzeller "Stockwerk", singen mit, klatschen und tanzen ausgelassen. Rainhard Fendrich spürt die Zuneigung seiner Fans und legt sich noch mehr ins Zeug. Dabei geht mehr kaum, denn der 67-jährige Wiener erfüllt an diesem erneuten lauen Abend beim Breitenfellner Kultur-Sommer alle musikalischen Anforderungen. Doch nicht nur das. Nach sieben Zugaben gehen die 1700 Besucherinnen und Besucher spürbar beglückt nach Hause.

"Starkregen" heißt Fendrichs Programm. "Wir sind damit seit vier Jahren auf Tournee - zerhackt von Corona", begrüßt er das Publikum erleichtert. "Das ist wie ein japanisches Blütenfest", sagt er, "wieder den Abend gemeinsam zu verbringen." Geboten wird von Fendrich mit seiner angestammten Vier-Mann-Band ein perfekter Abend. Doch nicht nur der Frontmann und seine Musiker begeistern, auch Ton und Licht sind optimal abgestimmt.

"Hups, jetzt hab' ich meine Ohrstöpsel vergessen" sorgt sich eine ältere Besucherin, doch die Sorge ist unbegründet, denn der Ton ist optimal eingestellt. Das Licht, die Bühnenbeleuchtung von Martin Eigenstetter ist ein Kunstwerk für sich. Das Bühnenblau des ersten Songs harmoniert prächtig mit dem zarteren Blau des Himmels, an dem anfangs kaum eine Wolke zu sehen ist. Später - bei "Tango Korrupti" - erscheint die Bühne in malerisch rosa Nebel.

Fendrich präsentierte seine 28 Songs mit vitaler Nonchalance, immer in Blickkontakt mit dem Publikum, gutlaunig, unprätentiös. Solch kraftvolle Gelassenheit kann man nicht wollen; sie ist Ergebnis jahrzehntelanger Bühnen- und Lebenserfahrung, und einer Lebensphase, in der man sich nicht mehr behaupten, nicht mehr um Karriere und Chartplätze kämpfen muss. Stimme und Ausstrahlung scheinen alterslos, wie auch die Themen seiner Songs. Nur einmal macht Fendrich einen kleinen Witz zu seinem Alter, als jemand zum Operngucker greift: "Gnädige Frau, ob es so gut ist, wenn Sie ein Fernglas verwenden. Sie zerstören sich nur eine Illusion."

Rainhard Fendrich kokettiert gerne mit seinem Aussehen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Fendrich singt von einer Kindheit, in der er als braver Junge für die Beichte Sünden erfinden musste und in der Geisterbahn im Wiener Prater dem Tod begegnete. Er singt von den Schwierigkeiten der Pubertät, seiner erfolglosen Annährung ans weibliche Geschlecht, von seiner Haltung gegen Rassismus und vor allem von der Liebe. "Mein Leben - du bist mein Leben" lässt die Paare aneinander kuscheln. Fendrich findet eine gute Mischung aus älteren und neueren Liedern. Lustige Texte, wenn er sich über die Digitalsucht mockiert ("Stell' dir vor, du hast kein Passwort ned, des wär' bled") wechseln bei ihm immer mit nachdenklichen Versen und einer dezidierten politischen Haltung. Politikern misstraut der Österreicher. "Ein Wort, das ich nicht mehr hören kann, das ist Unschuldsvermutung", bekennt er.

Doch selbst über den politische Anklagen stehen immer der Wille zum Frieden und die jederzeit spürbare gemeinschaftlichen Freude an der Musik. Fendrich besticht durch eine überragende Bühnenpräsenz. Doch hat auch er nach gut 40 Bühnenjahren Zweifel, "ob das Beste immer gut genug ist", wie er mal in einem Interview gesagt hat. Routine ist dem Musikprofi fremd, weil jedes Konzert immer wieder anders sei. Die Bühne sieht er als "heiligen Boden". Da müsse er raus, "solange er atme" und das Publikum ihn wolle. Letzteres ist nach diesem fulminanten Fendrich-Abend dauerhaft vorstellbar. Mit seinem skeptischen Blick auf die Welt und mit dem Song "Frieden ... ist die Menschheitsillusion" verabschiedet sich Fendrich gegen elf Uhr nachts. Ohne Frieden ist alles nichts, das ist Tatsache. Auf baldiges Wiedersehen - möglichst im umfassenden Weltfrieden, Rainhard.

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