Puchheim/Mammendorf:Schwerer Stand

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Zehn-H, Artenschutz und Flugradar: Der Mammendorfer Energieexperte Werner Zauser erläutert bei der Volkshochschule Puchheim, weshalb es eine regenerative und eigentlich effiziente Energiequelle in Bayern nicht leicht hat

Von Stefan Salger, Puchheim/Mammendorf

Die Windkraft könnte einen wichtigen Beitrag leisten auf dem Weg des Landkreises Richtung Klimaneutralität. Nicht alle Standorte aber sind aus Gründen des erhaltenswerten Landschaftsbildes und der Rentabilität geeignet - selbst dann, wenn Hürden wie beispielsweise die Zehn-H-Regelung fallen sollten. Zudem wird es nicht ohne andere Formen der regenerative Energieerzeugung wie etwa Photovoltaik und Anstrengungen beim Energiesparen gehen. So lässt sich der Vortrag des Mammendorfer Windkraftexperten Werner Zauser zusammenfassen. 20 Gäste besuchten diese erste Präsenzveranstaltung der Volkshochschule im laufenden Jahr im Bürgertreff.

Der Gemeinderat der Freien Wähler in Mammendorf war, bevor er das Referat für Verkehr übernahm, zwölf Jahre Energiereferent. Seit dem Bau des Mammendorfer Windrads vor sieben Jahren dokumentiert er als "Kümmerer" alle Entwicklungen rund um diese neben Malching zweite Anlage im Landkreis. Er kann umfassendes Zahlenmaterial vorlegen, mit dem sich ein sehr rentabler Betrieb des Windrads belegen lässt. Die Stromproduktion liegt stabil über den einstigen Prognosen. In den Wintermonaten werden die höchsten Erträge eingefahren, wodurch sich die Windkraft als sehr geeignete komplementäre Ergänzung der Photovoltaik erweist, die wiederum ihre Stärken im Frühjahr und Sommer ausspielt.

Kennt die Zahlen des Mammendorfer Windrads genau: Werner Zauser, Gemeinderat der Freien Wähler. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Zauser zufolge müsste man angesichts des weitgehend ausgeschöpften Potenzials von Wasserkraft und Biogas im Landkreis sowohl die Nutzung von Wind- als auch von Sonnenenergie ausbauen. Werden verschiedene Formen der regenerativen Energieerzeugung zumindest in einer Übergangsphase mit überregionalen Gaskraftwerken kombiniert, die sich bei großem Bedarf kurzfristig zuschalten lassen, dann würde dies die Sicherheit der Stromversorgung gewährleisten - ohne Atomkraft oder Kohlekraftwerke. Ziel ist es Zauser zufolge, den Anteil der Erneuerbaren am deutschen Strommix von derzeit gut 50 Prozent (Windkraft 27 Prozent) weiter auszubauen - und dies möglichst regional. In Bayern deckt die Windkraft bislang lediglich 6,7 Prozent des Strombedarfs. Werden Ende 2022 die letzten beiden Atomkraftwerke im Freistaat abgeschaltet, dann wird sich eine große "Stromlücke" auftun, die nicht mit fossilen Energieträgern geschlossen werden soll.

Zusätzliche Windräder im Landkreis könnten hier wertvolle Dienste leisten. Doch Mammendorf hat seine Planungen für ein weiteres Windrad auf Eis gelegt, und auch bei Jesenwang sind die Planungen ins Stocken geraten. Beide Standorte wären mit der Zehn-H-Regel zu vereinbaren. Diese sieht nur eine Privilegierung vor, sofern ein Mindestabstand der zehnfachen Windradhöhe zur nächsten Wohnbebauung eingehalten wird. Alternativ bleibt Kommunen der Weg über eine reguläre Bauleitplanung. Angesichts sinkender Einspeisevergütungen rechnen sich aber im vergleichsweise windarmen Freistaat nur hohe Anlagen - Stand der Technik sind zurzeit 220 Meter hohe Anlagen mit einer Nabenhöhe von um die 160 Metern.

Theoretisch hält Zauser 20 bis 30 profitabel arbeitende Anlagen im Landkreis, mit denen sich etwa die Hälfte des aktuellen und wohl ein Drittel des künftigen Strombedarfs decken ließe, für realistisch und im Sinne der Klimawende für ratsam. Doch neben Zehn-H kämpfen potenzielle Betreiber in Bayern, zu denen neben Genossenschaften auch Stadtwerke oder Städte und Gemeinden zählen, mit weiteren Widerständen. So laden die schwammigen Vorgaben zum Arten- und Naturschutz im bayerischen Windenergieerlass geradezu zu Klagen kritischer Verbände ein. Denn es werden dort detailliert Untersuchungen auch zu teils gar nicht gefährdeten Vogel- oder Fledermausarten verlangt, die sich gar nicht erfüllen lassen, wenn zum Beispiel das Wetter nicht mitspielt. Zudem dürfen im Radius von bis zu fünf Kilometern um Drehfunkfeuer der zivilen Luftfahrt keine Windkraftanlagen errichtet werden. Und - aktuell eine besonders hohe Hürde - die Radarmindestführungshöhe für die militärische Luftfahrt wurde fürs westliche Oberbayern abgesenkt. Mit dem Ergebnis, dass an den Windertrag versprechenden höheren Standorten die Spitzen der Windräder in diesen Bereich hineinragen würden - was nicht zulässig ist. Mit dem Problem kämpft auch die Genossenschaft, die bei Jesenwang ein Windrad bauen will, im Einzugsbereich des Fliegerhorsts Lechfeld. Sie müsste die Anlage um 24 Meter auf 175 Meter "stutzen", was die Wirtschaftlichkeit gefährdet.

Zausers Fazit: "In Bayern ist es sauschwer, ein Windrad zu bauen". Der Gemeinderat hofft nicht zuletzt darauf, das sich aus Richtung der Politik der Wind dreht und Barrieren fallen. Denn die Erfahrung mit den beiden Anlagen im Landkreis sind durchweg positiv. Der Energieexperte warnt aber auch davor, sich zu stark auf die Windkraft zu konzentrieren. Viel Potenzial gebe es auch noch bei der Photovoltaik. Zudem seien im Sinne der Energiewende, die der Landkreis eigentlich schon bis 2030 vollzogen haben will, auch große Anstrengungen im Wärme- und Verkehrsbereich erforderlich.

© SZ vom 12.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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