Premiere:Happy End mit Mittelalter-Amazonen

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Das Reiter-Duell mit der Lanze ist ein zentraler Moment in jeder Rittershow. (Foto: Ritterturnier Kaltenberg)

An diesem Freitag geht das Kaltenberger Ritterturnier in seine 40. Auflage. Die Veranstaltung hat sich von gewöhnlichen Show-Raufereien zu einer packenden zweistündigen Erzählung entwickelt. Diesmal wird das Bild der Frau neu definiert

Wenn Heinrich Prinz von Bayern von seiner Arbeit erzählt, huscht immer wieder ein Lächeln über seine Lippen. Es wird schnell klar, mit wie viel Spaß und Begeisterung der 33-Jährige seiner Tätigkeit nachgeht: Er ist der Herr der Ritter. An diesem Freitag geht das Kaltenberger Ritterturnier in seine 40. Auflage. Heinrich Prinz von Bayern ist zum sechsten Mal als Produzent und Veranstalter verantwortlich für das mittelalterliche Spektakel. Er kenne keine zweite Großveranstaltung in Deutschland, die diese Dimensionen erreiche, sagt er bescheiden. Allein die Auszeichnungen, die die Veranstaltung bisher erhalten hat, belegen ihre exponierte Stellung.

Entstanden ist sie aus einer Idee seines Vaters Luitpold Prinz von Bayern, dem eine Blaskapelle zur Eröffnung der Schlossgaststätte zu schnöde erschien, wie Sohn Heinrich erzählt. Luitpold engagierte eine Rittertruppe aus England, die er im Tower zu London gesehen hatte. Das Turnier entwickelte sich zu jenem einzigartigen Mittelalter-Festival, das sich von den ritterüblichen Raufereien zu einer zweistündigen Erzählung gemausert hat. Kernstück bleibt das Spektakel, wie Regisseur Alexander May gerne zugibt. "Wenn es kracht und scheppert, zieht das die Leute besonders an", sagt der renommierte Theater- und Opernregisseur, der im kommenden Jahr als stellvertretender Intendant ans Rheinische Landestheater nach Neuss wechselt. Der 48-Jährige ist Spezialist für Aufführungen an "nicht theaterüblichen Orten", so inszenierte er unter anderem in einem Linienbus. Auf Kaltenberg führt er zum dritten Mal Regie, den auslaufenden Vertrag hat er für weitere drei Jahre mit Heinrich von Bayern verlängert. Per Handschlag, wie das in Ritterkreisen wohl üblich ist.

Etwas völlig Neues hat dagegen die aktuellen Geschichte zu bieten: Das Bild der Frau wird neu definiert. Üblicherweise in der Rolle des schönen Opfers, wird der Kampf Gut gegen Böse nun von starken Frauen entschieden. "Das wird einige Fans vor den Kopf stoßen", glaubt May, dem die Idee zu einer "Jeanne-d'Arc-Geschichte" kurz nach dem Turnier des Vorjahres gekommen ist. "Da hat uns die Zeitgeschichte in die Karten gespielt", erklärt May, womit er die Me-too-Debatten und das Thema Gleichstellung anspricht. "Es wird gefragt, ob Frauen überhaupt zu Ritterinnen geschlagen werden dürfen", erzählt May. Ansonsten handelt das Stück von Altbewährtem: Zwei Brüder streiten nach dem Tod des Königs um dessen Thron, der gute Königssohn führt schließlich mit Hilfe seiner wehrhaften Braut und ihren Amazonen das Happy-End herbei.

Eine zentrale Rolle spielen einmal mehr Mario Luraschi und seine Pferde-Stuntgruppe Cavalcade, die als die beste der Welt gilt, was in zahllosen Hollywood-Produktionen zu bewundern ist. Unter anderem in dem Historienfilm "Johanna von Orleans" von Starregisseur Luc Besson mit Weltstars wie Milla Jovovich, Dustin Hoffman, Faye Dunaway und John Malkovich. Luraschi war von den neuen Rollen der Frauen sofort angetan. Zusammen mit der tschechischen Schwertkampfgruppe "Merlet", die unter anderem in den Herr-der-Ringe-Verfilmungen mitwirkte, zählen die Darsteller zum Besten, was das Genre zu bieten hat. Mit den ambitionierten Amateuren, die ihre Kampfkünste in den vielen Jahren des Mitwirkens auf ein sehr beachtliche Niveau entwickelt haben, ergibt sich für die Zuschauer einmal mehr ein Ritter-Spektakel der allerersten Güte.

Heinrich von Bayerns Anspruch ist es, Stillstand zu vermeiden, wofür in diesem Jahr die neu erbaute Königsloge steht. Selbige ragt weiter in die Arena hinein und wird mehr denn je als Bühne fungieren. So werde "der schwarze Ritter auf dem Dach der Loge gegen eine Frau kämpfen", verrät Regisseur May. Abgerundet wird das Spiel in der Arena durch das mittelalterliche Treiben auf dem riesigen Schlossgelände. Fünf Bühnen, Marktstände, Schänken und Tavernen sind eingebettet in die historische Schlosskulisse, Bands mit mittelalterlicher Musik, Narren, Gaukler, Feuerspucker und Hexen vermitteln den Besuchern das Gefühl, mitten in dieser archaischen Welt zu sein. Kaltenberg ist in dieser Zeit Mittelalter zum Miterleben und Anfassen. Es gibt an mehr als 100 Ständen mittelalterliches Handwerk zu sehen, Speisen und Getränke, die der Zeit nachempfunden sind, werden gereicht, Ritter, Barbaren und Landsknechte bevölkern in insgesamt zehn Lagern das Schlossgelände.

Dass die Veranstaltung so erfolgreich ist, hat zum einen mit dem Charme des Ortes zu tun, wie Ritter-Chef Heinrich von Bayern sagt, auch aber mit der Tatsache, dass er nicht um jeden Preis wirtschaftlich denken muss. Im vergangenen Jahr sei er zwar mit "einer knappen Null" herausgekommen, sonst aber muss sich der Prinz nicht wie vergleichbare Produktionen am Gewinn orientieren: "Wir wollen jedes Jahr etwas Einzigartiges kreieren, das dem Charme des Ortes hier gerecht wird und den Zuschauern gefällt." Das kann man als gelungen betrachten, und Spaß macht es dem Hausherrn obendrein.

Kaltenberger Ritterturnier, erstes Wochenende, Freitag, 12. Juli, 17 Uhr, Gauklernacht; Samstag, 13. Juli, 16 Uhr, Abendturnier; Sonntag, 14. Juli, 12 Uhr, Tagesturnier. Weitere Turniere an den Wochenenden 19. bis 21. sowie 26. bis 28. Juli, Infos unter www.ritterturnier.de.

© SZ vom 12.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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