Pendler:Magnet München

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Jahr für Jahr wächst die Anzahl derjenigen, die täglich Fürstenfeldbruck und Umgebung verlassen, um in die Arbeit zu fahren. Vorrangiges Ziel ist die Landeshauptstadt, doch auch die anderen Landkreise ziehen die Brucker an

Von Erich C. Setzwein, Fürstenfeldbruck

Nahezu im Minutenabstand treffen jeden Morgen in Fürstenfeldbruck Pendler auf Pendler. Wenn man den Angaben im Mitfahrnetzwerk "Flinc" Vertrauen schenken darf, dann führen fast alle Wege nach München, bis in die Stadtteile und die Vororte und genau dahin, wo die Menschen aus der Kreisstadt arbeiten. Die Zahl der Auspendler, also jener Arbeitnehmer, die den Landkreis verlassen, um ihre Arbeitsstelle aufzusuchen, nimmt von Jahr zu Jahr zu, wie die Statistik ausweist. Doch noch sind keine Lösungen gefunden, um die Pendlerströme zu lenken und die dadurch stetig zunehmende Verkehrsbelastung zu lindern. Die ein oder andere Idee gäbe es durchaus, doch scheint noch niemand bereit zu sein, sie auch umzusetzen.

Die einen fahren zusammen im Auto, die anderen nehmen die S-Bahn und wieder andere setzen sich aufs Fahrrad. Dass so viele Menschen "nur" im Landkreis wohnen, aber nicht dort arbeiten, ist eine nahezu unaufhaltsame Entwicklung im Großraum München, wie sie auch die jüngste Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung in Bonn belegt. Demnach haben 2016 in München etwa 355 000 Menschen gearbeitet, die außerhalb der Stadt wohnen. Aus dem gesamten Landkreis Fürstenfeldbruck sind es täglich etwa 54 000. Die haben nicht nur München als Ziel, sondern pendeln auch in andere Landkreise oder Städte, wie etwa Augsburg. Ihren Arbeitsweg kreuzen dabei etwa 19 000 Einpendler, also sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, die ihren Arbeitsplatz in einer Firma im Landkreis haben.

*ohne am Wohnort auch Arbeitende (11 702) (Foto: SZ-Grafik, Quelle: Arbeitsagentur Nürnberg und Berechnungen PV)

Nach den statistischen Zahlen zu Pendlerströmen müsste die Gemeinde Kottgeisering jeden Tag regelrecht entvölkert sein. Das bayerische Landesamt für Statistik schlüsselt in seinem öffentlich zugänglichen Statistikatlas auf, dass Kottgeisering mit 98,2 Prozent die höchste Pendlerquote hat. Auch Emmering liegt bei 93 Prozent. In Fürstenfeldbruck, wo sich in den vergangenen Jahren zahlreiche neue Betriebe angesiedelt haben, ist die Auspendlerquote von 71 Prozent noch recht hoch. Der Durchschnitt im Landkreis liegt bei 85,6 Prozent. Das Wachstum im Landkreis lag nach einer Auswertung durch den Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum München bei 4,3 Prozent. Diese Zahlen veranlassen den Wirtschaftswissenschaftler und FDP-Lokalpolitiker Klaus Wollenberg zu der Kritik, im Landkreis würden Arbeitsplätze für Einpendler geschaffen statt für Einheimische.

Dass es im Landkreis Fürstenfeldbruck einen negativen Pendlersaldo gibt, belegt der Vorsitzende des Regionalausschusses Fürstenfeldbruck der Industrie-und Handelskammer, Michael Steinbauer, mit aussagekräftigen Zahlen. Steinbauer sieht darin einen deutlichen Trend, denn 2010 lag die Differenz zwischen Aus- und Einpendlern noch bei minus 31 986, 2014 bei minus 35 479 und 2015 bei minus 35 847. Steinbauer sagt: "Die Situation in Fürstenfeldbruck unterscheidet sich somit nicht wirklich vom Großraum München, in der ein Großteil der Landkreise rund um die Landeshauptstadt einen negativen Pendlersaldo haben." Als Grund dafür führt er die Funktion Münchens als Ballungsraum an, der mit seinem Angebot an Arbeitsplätzen viele Bürger aus den umliegenden Landkreisen anziehe.

Auf den Kreis Fürstenfeldbruck und damit den IHK-Regionalausschuss hat das laut dem Vorsitzenden zwei schwerwiegende Folgen. Zum einen wandern aus dem Speckgürtel rund um München die Fachkräfte dorthin ab, wo sie attraktivere Jobs und Konditionen bekommen. Steinbauer: "Das geht bereits mit der dualen Ausbildung los, so dass mehr Jugendliche Ausbildungsplatzangebote in München wahrnehmen und wir in unserem Landkreis dadurch offene Lehrstellen nicht besetzen können."

Zum anderen ist das die Wohnungssituation. Steinbauer widerspricht Aussagen, die Menschen würden in München arbeiten und billig im Landkreis wohnen. Er sehe da keinen Zusammenhang, lägen doch die Mieten und Quadratmeterpreise zumindest in den S-Bahnbereichen "relativ nahe" beieinander. Wegen der angespannten Wohnraumsituation in München werde Wohnraum "mehr auf die Landkreise verlagert". "Gleichzeitig bin ich mir sicher," so Steinbauer weiter, "dass sich in unseren Gewerbegebieten weitere Firmen ansiedeln werden - vorausgesetzt die Fachkräftesituation gibt es auch her."

Und genau da setzt die Wirtschaftsförderung des Landkreises an. Deren Leiterin Barbara Magg bringt den Gedanken der Pendlerstationen ein: Gebäuden, in denen ein Konzern eine Filiale einrichtet, damit sein Personal nicht mehr so weit fahren muss. Auch von mehreren Firmen genutzte Bürohäuser seien denkbar. Magg ist davon überzeugt, dass durch solche Co-working-areas, wie es auch heißt, auch die Fachkräftesituation verbessert werden könnte. Dabei sieht sie durchaus die Unternehmen in der Pflicht, die bislang fast ausschließlich auf die Arbeitsplätze in einer Firmenzentrale setzen: "Es ist eine Frage des Willens." Finanzielle Anreize zu schaffen, um eine solche Filialisierung zu erreichen, seien ein Mittel, wichtig sei aber auch die technische Infrastruktur und ein gut ausgebautes Breitbandnetz, sagt die Wirtschaftsförderin.

© SZ vom 20.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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