Klassik:Schmerz und Leid auf höherer Ebene

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Bach-Chor und Bach-Orchester öffnen den kulturellen Kontext. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Bach-Chor und Bach-Orchester beeindrucken mit musikalischer Globalisierung.

Von Klaus Mohr, Fürstenfeldbruck

Barmherzigkeit und Mitleid sind prägende Anliegen des Karfreitags. Das gilt über die Jahrhunderte hinweg und wurde immer wieder in unterschiedlichen Texten dokumentiert. Die Musik als emotionaler Ausdrucksträger spielt dabei eine wesentliche Rolle. Traditionelle Formen wie die Passionen Johann Sebastian Bachs haben nichts an Kraft verloren und erleben jedes Jahr eine neue Aktualität.

Bach-Chor und Bach-Orchester Fürstenfeldbruck haben diesmal einen anderen Weg beschritten: Sie öffneten den gewohnten kulturellen Kontext der europäischen Kunstmusik quasi im Sinne einer musikalischen Globalisierung. Dass das eine tragende Programmidee war, bezeugten nicht nur der aus etwa einhundert Sängern bestehende Bach-Chor und das opulent besetzte Bach-Orchester auf großer Bühne, sondern auch das volle Haus im Publikum, darunter auffallend viele junge Leute.

Die Mezzosopranistin Seda Amir-Karayan beeindruckte mit dem Timbre ihrer Stimme. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Äußerlich verbindendes Element der drei Werke von Wolfgang Amadeus Mozart und Karl Jenkins war die Grundtonart d-Moll, die einen nahtlosen Übergang ermöglichte. Diese Tonart dürfte kein Zufall sein, wird sie in der barocken Tonartencharakteristik vom Komponisten Marc-Antoine Charpentier als "ernst und feierlich" beschrieben.

Dieser Gestus überspannte in der Tat wirkungsvoll das ganze Programm. Das Kyrie KV 341, ein einzelner Satz aus einer Messe, eröffnete das Konzert. Die gemeinsame Bitte der Gläubigen um das Erbarmen Gottes hat Mozart hier in den Mittelpunkt gestellt. Klanglich überzeugte der zurückhaltend sanfte Gesamteindruck, der durch die geschlossene Homogenität des Chorklangs zustande kam. Aus der gemeinsamen Deklamation des Textes erwuchs eine Art innere Kraft, bei der die Worte quasi in Töne gesenkt waren und der Ausdruck dadurch leitend geriet.

Das Misericordias Domini KV 222, ebenfalls von Mozart, nuancierte zwar inhaltlich mit dem Lob auf die Barmherzigkeit Gottes ein sehr ähnliches Anliegen, setzte dies jedoch musikalisch auf andere Weise um. Während im Kyrie die gemeinsame Bitte im Vordergrund stand, artikulierte im Misericordias jede einzelne Stimme ihre eigene Dankbarkeit.

Musikalisch gelang dies durch eine technisch anspruchsvolle polyphone Kompositionstechnik, die auf höchstes Lob auf allen Ebenen abzielte. Trotz dieser souverän umgesetzten Kontrapunktstudie blieb die Lieblichkeit der Tongebung als bestimmendes Element stets erhalten. Auch die Chromatik stand klar im Dienst der musikalischen Aussage.

Der Schwenk von der Musik der Klassik zum zeitgenössischen "Stabat Mater" von Karl Jenkins gelang inhaltlich bruchlos, da das Leiden der Gottesmutter Maria thematisiert wurde. Musikalisch steht Jenkins bei aller individuellen Herangehensweise fest auf tonalem Boden, so dass auch die klangliche Brücke zu Mozart gegeben war.

Um kraftvollen Ausdruck geht es auch Jenkins an oberster Stelle. Das erste Stück "Cantus lacrimosus" hatte einen wunderbaren dramaturgischen Aufbau, in dem sich Bläserklänge, gut koordinierte Schlagwerkpartien und ein zurückhaltender Chorklang ergänzten. Der Klangeindruck mutete wie der Soundtrack zu einem Film an, der Bilder von Weite und Leichtigkeit vor die Augen der Zuhörer zauberte.

Der nächste Satz "Incantation" fußte auf der Zwiesprache der Mezzosopranistin Seda Amir-Karayan, deren Stimme ein beeindruckend volles Timbre hatte, mit Ludwig Himpsl, der ein Duduk spielte, ein mit einem außergewöhnlich großen Doppelrohrblatt ausgestattetes Holzblasinstrument. Die Melodielinie war am arabischen Text orientiert und zunächst fremd.

Der Gesamtklang jedoch integrierte die verschiedenen Einflüsse. Das "Ave verum" kurz vor Ende bestach durch meditative Ruhe, die durch den fast statischen Klang entstand, der Sicherheit ausstrahlte. Es schien, als rückten die verschiedenen Welten hier noch viel weiter zusammen, sie trafen sich in der letztlich gleichen menschlichen Empfindung.

Vielleicht ist in diesem Konzert das Essentielle eines Musikerlebnisses gelungen: Die Zuhörer fühlten sich durch die Klänge getragen und konnten so die belastende Thematik für sich selbst gut einfangen. Jubelnder Beifall und Standing Ovations bestimmten am Ende die Reaktion des Publikums.

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