Die Buchhandlung Lesezeichen in Germering ist an diesem Vormittag ziemlich voll. Eine fünfte Klasse des Carl-Spitzweg-Gymnasiums, ihre Lehrerin und Vertreter aus Politik und Buchhandel quetschen sich zwischen Regale und Tischchen, um der Kultusstaatssekretärin Carolina Trautner zuzuhören. Sie liest den Kindern, zwar mit ein paar Tagen Verspätung, aber trotzdem anlässlich des Welttags des Buches, aus "Lenny, Melina und die Sache mit dem Skateboard" von Sabine Zett vor.
Das Buch stammt aus der Reihe "Ich schenk dir eine Geschichte." Mit der Anmeldung an der Aktion durch den Lehrer erhielt jedes Kind einen Gutschein, mit dem es das "Welttagsbuch" in der Buchhandlung bekommen konnte. Das Buch wird jedes Jahr eigens für die Gutscheinaktion geschrieben. Die Skatergeschichte von Sabine Zett erreichte bereits eine Auflage von mehr als einer Million Exemplaren. Dorette Peters von der Verlagsgruppe Random House fordert die Kinder auf, zu schätzen, wie weit der Stapel reichen würde, wenn man alle "Welttagsbücher" aufeinanderstapeln würde. "Bis zum Mond", ruft ein Buch enthusiastisch. "Nicht ganz so hoch", lacht Peters: "Aber es wäre immerhin so hoch wie 17 Mal der Mount Everest." Allein in Bayern nehmen in diesem Jahr etwa 190 000 Kinder an der Aktion teil. "Und warum glaubt ihr, machen wir das?", fragt Peters weiter. Ein Mädchen hebt den Arm. "Ich glaube, nicht alle Kinder lesen gerne", sagt sie schüchtern: "Und die kann man damit anstecken."
Damit hat sie das Ziel der Aktion ziemlich genau auf den Punkt gebracht. Man wolle Kinder dazu bringen, auch daheim ein Buch in die Hand zu nehmen, sagt Staatssekretärin Trautner zu Beginn. Denn: "Bücher regen die Fantasie an und wir lernen dazu." Doch, wie die Fünftklässlerin treffend bemerkt hat, lesen nicht alle Kinder gerne. Es gebe zunehmend Klassen, die Schwierigkeiten hätten, lange Texte durchzuarbeiten, meint Peters. Dabei sollte man das auf keinen Fall vernachlässigen: "Lesen und Schreiben sind wichtige Kernkompetenzen." Auch die Deutschlehrerin Katharina Schöler, die ihre fünfte Klasse zu der Aktion angemeldet hat, ist der Meinung, dass zu wenig gelesen wird. Wenn sie früher bekannte Buchautoren und -titel abgefragt habe, hätten ihr die meisten Schüler antworten können. "Von dieser Basis kann man heute nicht mehr ausgehen", bedauert sie. Ein paar Schüler würden nach wie vor gerne lesen. Das sei aber die Minderheit. Die Vorlese- und Gutscheinaktion findet sie deshalb gelungen: "Es ist eine gute Idee, die Schüler auf direktem Wege mit Büchern vertraut zu machen." Eine Bestätigung für all die Mühen ist für sie die "Begeisterung, mit der sie lesen, wenn sie damit anfangen." Eine gewisse Qualität der Bücher ist für die Deutschlehrerin aber wichtig, reine Trivialliteratur soll keine Dauerlösung sein. "Lesen muss Horizonte erweitern", sagt sie. "Es muss Lichter zum Leuchten bringen, die vorher nicht da waren." In Germering indes lauschen die Fünftklässler ganz brav, als ihnen Cornelia Trautner einen Ausschnitt aus dem Buch vorliest. Hinterher lassen sie sich ihr eigenes Exemplar mit Begeisterung signieren. Dieses "Gemeinschaftserlebnis" spielt für Peters bei der Aktion ebenfalls eine wichtige Rolle. Die Lehrer erhalten nämlich kostenlose Unterrichtsmaterialien zum Buch. Trotzdem ist es für die Schüler nach dem Vormittag in der Buchhandlung "mehr als nur eine Klassenlektüre." Sie würden nun auch ein Erlebnis damit verbinden. Wer das Buch nicht im Rahmen der Gutscheinaktion geschenkt bekommt, kann es für einen sehr günstigen Preis selbst erwerben. "Es ist wichtig, dass wir alle zusammenhelfen", sagt Staatssekretärin Trautner. Denn Bücher seien etwas ganz Besonderes: "Sie entführen uns in eine andere Welt."